Adventskalender mit Mineralöl in der Schokolade

Ernährung

Warentest hat Adventskalender-Schokolade überprüft

Türchen für Türchen mehr Vorfreude auf Weih­nachten – von wegen: Die Stiftung Warentest hat Rück­stände von Mineral­ölen und ähnlichen Substanzen in der Schokolade von 24 Advents­kalendern für Kinder nachgewiesen. Einige der Mineral­ölbestand­teile könnten krebs­er­regend sein. Sie dürften vorrangig aus den Karton­verpackungen stammen, die aus recyceltem Altpapier hergestellt wurden. Eine der weiteren Mineralöl-Quellen: Maschinenöle aus der Produktions­kette.

Hoch belastet: Arko, Confiserie Heilemann, Rausch

Nicht aus Neugier, sondern wegen eines dringenden Verdachts hat die Stiftung Warentest die Türchen von 24 handels­üblichen Advents­kalendern schon vor dem 1. Dezember geöffnet: Gesundheits­schädliche Mineralöle könnten die Schokolade belasten. Tatsäch­lich haben die Tester in jeder Kalenderschokolade Mineralöle und verwandte Substanzen nachgewiesen. Die Scho­kostück­chen von 9 Kalendern enthielten sogar besonders kritische Mineral­ölbestand­teile. Es handelt sich um sogenannte aromatische Mineralöle. Ein Teil davon steht in Verdacht, Krebs zu erregen. Besonders hoch waren die Gehalte an aromatischen Mineral­ölen in den Kalendern von Arko, der Confiserie Heilemann und Rausch. Doch Substanzen, die womöglich krebs­er­regend sein können, haben in Lebens­mitteln nichts zu suchen. Die Tester kennen bei diesen kein Pardon und haben alle 9 Adventskalender mit diesen Substanzen an das Ende der Testtabelle gestellt. Aus gesundheitlicher Vorsorge sollten Verbraucher – insbesondere Kinder – diese Schoko­laden nicht verzehren.

Weitere Mineralöltypen gefunden

Die Kalender von Arko, der Confiserie Heilemann und Rausch waren zudem stark mit nicht aromatische Mineralöle belastet. Hohe Gehalte dieses Mineralöl-Typs wiesen die Tester auch in den Kalendern von Friedel, Reichs­graf von Aldi (Nord) und den Schlümpfen nach. Das heißt: Hier fanden die Tester mehr als 10 Milligramm pro Kilogramm Schokolade. So viel kommt mit Abstand nicht in den anderen Kalendern vor. Die hohen Gehalte sind also durch­aus vermeid­bar. Die Stiftung Warentest hat sich bei ihrer Bewertung an Erfahrungs­werten von Fachleuten orientiert, weil die EU noch keinen Grenz­wert fest­gelegt hat. Der Grund: Toxikologische Studien fehlen. Zurzeit können Wissenschaftler nicht eindeutig abschätzen, wie stark Mineralöle den Menschen gefährden. Einige Hinweise gibt es schon: So können sich insbesondere die kurz­kettigen nicht-aromatischen Mineralöle im menschlichen Gewebe anreichern; im Tier­versuch werden sie mit Entzündungs­erscheinungen der Leber in Zusammen­hang gebracht.

Ein Scho­kostück täglich vertret­bar

Insgesamt 12 Kalender waren zum Zeit­punkt der Analyse nur gering mit diesen Mineral­ölen belastet und gleich­zeitig frei von aromatischen Mineral­ölrück­ständen. Darunter sind teure Marken­produkte, etwa von Milka und Hussel, sowie Discounter-Ware für ein paar Cent von Netto Marken­discount, Norma und Lidl. Die Stiftung Warentest hält es für vertret­bar, wenn sich Kinder und Erwachsene täglich ein Schoko­laden­stück aus diesen Advents­kalendern genehmigen. Bei höheren Belastungen wie in den Kalender von Aldi (Nord) / Reichs­graf und den Schlümpfen ist es augen­blick­lich schwierig, eine Empfehlung zu geben.

Mineralöle reichern sich im Schoko­laden­fett an

Schokolade besteht aus reichlich Fett, in dem sich Mineralöle gut anreichern können. Die Schokostück­chen aus Advents­kalendern sind in dieser Hinsicht besonders gefährdet: Sie umgibt sehr viel Karton, der meist aus recyceltem Altpapier hergestellt wurde und mineral­ölhaltige Farben aus dem Zeitungs­druck enthalten kann. Teil­weise liegt die Verpackung direkt auf der Schokolade auf. Die flüchtigen Mineral­ölbestand­teile entweichen aus dem Verpackungs­material und können dann in die Schokolade übergehen oder in den geschlossenen Innenraum des Kalenders ausgasen. Auch die neu aufgedruckten Winter­land­schaften, Weihnachts­männer und Maskott­chen können aus Farben mit Mineral­ölen bestehen, die in die Süßig­keiten wandern. Mit der Druck­farbe können auch sogenannte Photo­initiatoren auf die Kalender kommen. Im Test konnte nur bei einem Produkt, dem Kalender von Arko, ein Photoinitiator nachgewiesen werden. Es war Benzophenon – und zwar in deutlicher Menge. Doch mit nur einem Scho­kostück am Tag würden selbst Klein­kinder die täglich akzeptable Aufnahmemenge nur zu 2 Prozent ausschöpfen.

Auch Maschinenöl aus der Herstellung gefunden

Darüber hinaus haben die Tester bei acht Produkten Mineralöl nachgewiesen, das offenbar von Maschinen herrührt. Viele Hersteller nutzen es, um ihre Maschinen zu schmieren, zu säubern und zu pflegen. Maschinenöl kann aber auch direkt aus der Umwelt in Lebens­mittel geraten, zum Beispiel über Abgase. Folgende Advents­kalender enthielten Rück­stände, die auf Maschinenöl deuten: Aldi (Nord) / Reichs­graf, Aldi (Süd) / Wintertraum, die Schlümpfe, Friedel, Milka, Netto Marken­discount / Santa Claus in Town, Smarties, The Simpsons.

Langes Lagern erhöht Risiko

Wissenschaftliche Versuche zeigen: Je länger ein Lebens­mittel lagert und Mineral­ölen ausgesetzt ist, desto mehr dringen davon in das Produkt ein – vor allem bei Raum­temperatur. Viele der schätzungsweise 50 Millionen Advents­kalender, die in Deutsch­land jedes Jahr verkauft werden, liegen bereits viele Wochen vor dem Vernaschen der Schokolade im Handel. Mancher Advents­kalender könnte nach dem angegebenen Mindest­halt­barkeits­datum auch noch für die nächste oder übernächste Advents­zeit herhalten – zum Beispiel der von Rausch, der laut Anbieter mindestens bis zum 07.02.2014 halt­bar sein soll. Doch bis dahin dürfte die Füllung nicht mehr schme­cken und die Mineralöle weiter auf sie überge­gangen sein.

Weichmacher, Kadmium, Keime

Unerwünschte Verpackungs­rück­stände in Advents­kalendern können aber nicht nur aus dem Pappgehäuse kommen, sondern auch aus den Schoko­laden­formen und Außenfolien aus Kunststoff: Sie können unter anderem Substanzen freizusetzen, die den Mineralölen sehr ähnlich sind. Zudem besteht das Risiko, dass aus dem Kunststoff noch Weichmacher in die Scho­kostück­chen übergehen. Doch einzig der Kalender von Lindt wies sehr geringe Mengen des Weichmacher DEHA auf. Schokolade kann immer auch Kadmium enthalten, das in höheren Mengen etwa die Nieren schädigen kann. Der Grund: Es reichert sich natürlicher­weise in den Bohnen von Kakao­pflanzen an, die auf vulka­nischen Böden gedeihen. Im Test war nur die Schokolade von Hachez gering mit Kadmium belastet. Bei allen anderen Produkten spielte es keine Rolle. Entwarnung auch für Keime: 23 Produkte waren in dieser Hinsicht unauffäl­lig, nur in der Schokolade von Gepa wiesen die Tester eine vergleichs­weise hohe Gesamt­keimzahl nach.

Nicht die beste Schoko­laden­qualität

Bei der Geruch- und Geschmacks­prüfung auf Fremdnoten fiel auf, dass die Schoko­laden von 7 der 24 Kalender sehr leicht bis deutlich nach Pappe. Bei einigen Produkten zerging die Schokolade auch nicht auf der Zunge, sondern schmolz nur lang­sam ab. Das spricht für nur einfache Schokoladenqualität. Hoch­wertige Schokolade dagegen verführt mit zartem Schmelz. Beides entsteht durch sorgfältiges Konchieren, also dem stetigen Rühren der erwärmten Schokolade in der Produktion. Erstaunlich: Die groß­formatigen Kalender enthalten relativ wenig Schokolade. Die meisten in unserem Test verbargen nur insgesamt 75 Gramm hinter den Türchen – das ist nicht einmal eine Tafel Schokolade.

Die Mineralöl-Typen

Aromatische Mineralöle. Fachleute nennen sie Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons, kurz MOAH. Sie bestehen aus einer komplexen Mischung aus über­wiegend alkylierten poly­zyklischen aromatischen Kohlen­wasser­stoffen. Die exakten Zusammenset­zungen der MOAH sind noch ungeklärt. Man geht davon aus, dass darunter krebs­er­regende Teilfraktionen sind. MOAH sollen nach Forderung der Europäischen Behörde für Lebens­mittel­sicherheit (Efsa) und des Bundes­instituts für Risiko­be­wertung (BfR) gänzlich aus Lebens­mitteln heraus­gehalten werden.

Nicht-aromatische Mineralöle. Zu dieser Gruppe zählen die sogenannten MOSH (Abkür­zung für Mineral Oil Saturated Hydrocarbons). Dabei handelt es sich um gesättige Kohlen­wasser­stoff­ketten, die auch ringförmig oder verzweigt sein können. Insbesondere die kürzerkettigen können sich im menschlichen Geweben einlagern. Im Tier­versuch mit Ratten wurden sie mit Entzündungs­reaktionen der Leber in Zusammen­hang gebracht. Mittel­kettige nicht-aromatische Mineralöle können vermutlich etwas leichter aufgenommen werden als längerkettige nicht-aromatische Mineralöle. Weil die toxikologische Einschät­zung für den Menschen noch fehlt, liegt kein Grenz­wert vor. Die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit (Efsa) hat eine provisorische fest­gelegte täglich tolerier­bare Aufnahme­menge (Acceptable Daily Intake, ADI) zurück­gerufen. Sie lag bei 0,01 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Bezogen auf Lebens­mittel wären das 0,6 Milligramm je Kilogramm Lebens­mittel. Der ADI soll jetzt über­arbeitet werden.

Mineral­ölähnliche Substanzen. Dazu zählen die POSH. Die Abkür­zung steht für Polyolefin Oligomeric Saturated Hydrocarbons. Es handelt sich dabei um gesättigte Kohlen­wasser­stoffe, welche als Oligomere aus Kunststoffen in Lebens­mittel übergehen können. In ihrer chemischen Struktur ähneln sich POSH und MOSH sehr stark. Im Labor lassen sie sich derzeit kaum auseinander­halten.

Mineralöle aus Maschinenöl. Dazu gehören die Poly-Alpha-Olefine (PAO). Es sind synthetische Kohlen­wasser­stoffe, die Haupt­bestand­teil von synthetischen Motoren­schmier­ölen sein können oder von Maschinen­ölen, die für Geräte in der Lebens­mittel­produktion einge­setzt werden.

Lesestoff:

Das vollständige Testergebnis finden Sie unter dem folgenden Link: www.test.de/weihnachtskalender

Stiftung Warentest; roRo

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