Allergien: Informationen verbessern
Ernährung
Allergieproblem „lose Ware“
Informationen „Vermitteln“, Risiko „Vorbeugen“ und allergene Stoffe „Vermeiden“. Mit diesen drei „V“ startete im letzten Jahr das Allergie-Portal für die 30 bis 40 Millionen Allergiker in Deutschland. Das vierte „V“, die Verbote, sind ein Jahr später vom Tisch. Die am Dienstag in Berlin abgehaltene Allergie-Konferenz hat noch weitere Neuigkeiten hervorgebracht. „Bauen und Wohnen“ ist als neuer Baustein in der Strategie des Verbraucherministeriums aufgenommen worden. Und die Ärzteausbildung muss sich verbessern.
Allergie ist eine Krankheit
Allergien sind vielfältig wie die Tabelle zeigt. Und es fängt harmlos an. Prof. Dr. Claus Bachert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie, beschreibt Rosies Werdegang: Kind allergischer Eltern, früh abgestillt und mit Kuhmilch zugefüttert. Sie wächst in der Stadt auf, der Vater raucht 15 Zigaretten am Tag und im Haushalt lebt eine Katze. Rosie sammelt früh Plüschtiere. Die Eltern können nicht feststellen, das Rosie gegen Kuhmilch allergisch ist. Mit sechs hat Rosie dauernd Schnupfen, hat es daher in der Schule schwer und ist beim Spielen oft müde. Der Kinderarzt findet die Allergien gegen Katze, Hausstaub und Graspollen. Dennoch bekommt Rosie Asthma, das von Eltern und Arzt trivialisiert wird. Als Teenager verliert Rosie ihre Kuhmilchallergie.
Allergien sind vielfältig: 30 bis 50 Prozent (24 bis 41 Millionen Menschen) leiden an mindestens einer Allergie |
Atemwegsallergie: 30 % (24 Mio.) |
Q: Prof. Bachert |
Allergien sind ein soziales und gesellschaftliches Problem definierte Dr. Gerd Müller, Parlamentarischer Staatssekretär aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV). Die Allergie schlägt sich nicht nur im Gesundheitsstatus nieder. Im Jahr 2006 hat die AOK bei sich 668.000 Arbeitsunfähigkeitstage durch Asthma gezählt. Um alle Erwerbsfähigen zu ermitteln, müsse die Zahl mit dem Faktor vier multipliziert werden, so Prof. Bachert. Die Gesamtkosten ausgefallenen Arbeitstage betrugen 240 Millionen Euro.
Die Ursachen sind genauso zahlreich, wie die Allergien. Zum einen verändert die Erderwärmung den Pollenflug und Lebensmittel beherbergen Inhaltsstoffe, die es vor zehn Jahren noch nicht gegeben hat. Auf der anderen Seite bereitet übertriebene Hygiene den Patienten vor. „Gene-Environmental-Interaction“ nennt der Allergologe das. Die aktuelle Forschung überlegt in die Richtung, das menschliche Immunsystem früh durch eine Impfung zu trainieren. Wie bei einem Besuch im Kuhstall. Kinder auf dem Land haben weniger Allergien.
Entscheidender aber ist, dass die Allergien frühzeitig erkannt werden. Hausärzten soll ein einfaches Screening für die sichere Diagnose in die Hand gegeben werden. Die Allergologie ist in der ärztlichen Ausbildung nur ein Zusatzbaustein. Bundesweit sollen die Ärzte ab Januar 2009 in Hannover diesen in einer Allergie-Akademie erwerben können.
Anlaufstelle am Wohnort
Im Bereich Lebensmittel sind 12 allergene Bestandteile kennzeichnungspflichtig. Das gilt aber nur für verpackte Ware. Bei loser Ware gibt es derzeit keine Lösung. Und die ist mit 70 Prozent an den Nahrungsmittelallergien beteiligt. Nach Angaben von Prof. Dr. Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) wird sich die EU in zwei Jahren auf eine Verordnung geeinigt haben.
Derzeit gilt für Allergiker bei loser Ware: Fragen. In einigen Geschäften liegen Kladden auf der Theke, in denen sich die Kunden über Zusatzstoffe informieren können. Vereinzelt haben Fachgeschäfte begonnen, die Hefte mit Hinweisen zum Thema Allergie zu erweitern. „Fähnchen auf dem Wurststapel“ wird es nach Willen des BLL nicht geben.
Bäcker, Konditoren und Metzger sind die Handwerksberufe mit höherem allergischen Risiko Für sie sind Datenblätter im Umlauf, die nach Rezeptur alle alergene Stoffe auflisten. Wie das Thema in der Gastronomie gelöst wird ist noch offen. Das klärt der BLL gerade mit dem Gaststättengewerbe.
Für den Kunden ist die Sachlage schwieriger, denn er ist vom Informationsstand der Mitarbeiter abhängig. Marliese Köster, Bundesvorsitzende des Deutschen Allergie- und Asthmabundes will eine zentrale Anlaufstelle in den Wohnorten aufbauen, damit die „Selbstgefährdung durch Unwissenheit“ aufhöre. Das könne die Mitarbeiterausbildung in den Geschäften ergänzen.
Grenzwerte für Allergene?
Es werden Grenzwerte für Allergene diskutiert und der BLL hält das für eine gangbare Lösung. Ob und wie die sich allerdings durchsetzen lassen ist noch völlig offen, denn hochsensible Menschen reagieren auf die kleinsten Spuren. So können Menschen mit einer Erdnussallergie bereits einen allergischen Schock bekommen, wenn sie ihrem Lebenspartner einen Kuss geben, der vorher Erdnussbutter gegessen hat.
Lesestoff:
www.aktionsplan-allergien.de
roRo