Anders Essen
Ernährung
Weniger Ernährungsriten
„Frei von…“, vegetarisch, regional… Es gibt viele Verbrauchertrends, die für die Ernährungsbranche eine Herausforderung sind. Aber das, was die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) auf der ANUGA in Köln vorgestellt hat, ist tiefgründiger. „Der moderne Lebensstil der Gesellschaft hat die Esskultur verändert“, vermerkt Christoph Minhoff, BVE-Geschäftsführer. Die eingangs erwähnten Trends bleiben erhalten, aber der Rahmen des Konsums ändert sich grundlegend. Die Bundesbürger essen immer mehr Außer-Haus, sie nehmen sich weniger Zeit zum Einkaufen und Kochen – womöglich auch zum Essen.
Mobiles Essen
Die digitale Welt hat Freizeit und Arbeitsumfeld verändert und löst die Alltagsstrukturen auf. Ständig mobil zu allen Zeiten – diese Einstellung prägt die Bewohner Deutschlands. Gesellige Anlässe gibt es noch, werden auch bewusst, doch immer seltener in Anspruch genommen. Im Grunde hat sich das Wissen um die Ernährung verbessert. Die Konsumenten kaufen hochwertiger und achten auf immer mehr Standards. Aber sie kaufen weniger häufig ein. Die Mengennachfrage im Lebensmitteleinzelhandel hat in den letzten drei Jahren um 3,8 Prozent abgenommen.
Aus der Hand
Wer in den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, stellt fest, das Essen aus der Hand immer wichtiger wird. Gab es früher in den Bahnhöfen noch Buchläden, vertreiben sich die Menschen an zahllosen Schnellrestaurants die Wartezeit. Das Hörnchen und der „Kaffee to go“ wird nicht mehr zu Hause, sondern auf dem Weg ins Büro oder die Uni zu sich genommen.
Dieser Trend ist jung. Gestiegene Erwerbstätigkeit, auch mit mehreren „Jobs“ und Mobilität prägen die jüngere Bevölkerung. Deren Kinder werden in den Sog geworfen. Nahmen von den drei- bis fünfjährigen vor zehn Jahren noch 77 Prozent ihr Frühstück zu Hause ein, sind es heute nur noch 67 Prozent. Der Schwund am Mittagstisch ist von 67 auf 41 Prozent sogar noch größer. Hier haben aber auch die Ganztagsschulen und deren Mittagsverpflegungen den Mahlzeitendienst übernommen.
Vom Edelkoch bis zum Aufwärmer
Die zur ANUGA herausgegebene Studie Consumer´s Choice teilt die Verbraucher in acht Koch-Kategorien ein: Edelkoch, Alltagskoch, Gelegenheitskoch, Wochenendkoch, Aufwärmer, Snacker, Rohkostbereiter und Außer-Haus-Esser.
Bei allen steht die Gesundheit an erster Stelle. 75 Prozent der Kunden messen diesem Aspekt eine große Bedeutung bei. Bereits 27 Prozent der Kunden kaufen nachhaltig ein. Auf diesem Weg wird viel ausprobiert. Verschiedene Ernährungstrends und Alternativprodukte werden offen ausprobiert. Die Deutschen sind beim Speisen experimentierfreudiger geworden.
Was die Ernährungsbranche herausfordert und meistert, muss am Ende bis zum Anfang durchdringen: Zu den Bauern. Wer Schweine ohne Schwänze hält, der steht auf einem Abstellgleis. Ob die Bauernbranche das will oder nicht. Ob es gute Gründe dafür gibt oder nicht. Die Landwirtschaft muss zum Dienstleister der Kunden werden. Die Konsumenten verwerten nicht mehr alles, was ihnen vorgesetzt wird.
Sichere Lebensmittel aus Deutschland
Der Verbrauchermonitor des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zeigt am Montag passend zur ANUGA, dass die große Mehrheit der Verbraucher Lebensmittel aus Deutschland für sicher hält. Die Konsumenten wissen, dass Alkohol und Rauchen nicht gesund sind. Auch, dass es eine ungesunde Ernährung gibt. Den Lebensmitteln geben sie aber nicht die Schuld. 70 Prozent der repräsentativ Befragten geben an, dass deutsche Lebensmittel sicher sind.
Die Wahrnehmung über Gefahren ist sehr unterschiedlich. Von Pflanzenschutzmittelrückständen und Mineralöl in Lebensmitteln sind den meisten Verbraucher bekannt. Auch das Thema Mikroplastik in Lebensmitteln ist nicht unbekannt. Hingegen haben die wenigsten etwas von Arsen im Reis gehört. Auch wenn in der Branche das Pflanzenschutzmittel Glyphosat heiß debattiert wird – der Wirkstoff ist den meisten Kunden nicht bekannt. Das Thema grüne Gentechnik beunruhigt die Menschen ebenfalls, obwohl keine gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland angebaut werden. Dem Staat weisen die Konsumenten eine zentrale Rolle beim Verbraucherschutz zu. Im Gegensatz zur Ernährungs- und Agrarbranche wünscht sich die Hälfte der Kunden mehr Verbote und Regulierungen.
Damit bleiben Essen und Trinken wichtige Aspekte für Politiker, die gewählt werden wollen.
Roland Krieg