Arsen – der mögliche Beifang im Heringsfilet
Ernährung
Grundlagenforschung Arsenverbindung
Im Filmklassiker Arsen und Spitzenhäubchen haben die beiden netten, älteren Damen so manche Leiche im Keller: Ihre Opfer sind einsame Männer, die sie mit Arsen im Wein vergiften. Heute ist Arsen allerdings weniger als „Meuchelgift“ interessant, aber in Lebensmitteln immer noch ein Problem.
Natürliche Quellen
Durch Vulkanausbrüche, die Verbrennung von fossilen
Brennstoffen, aber auch durch das Grundwasser gelangt Arsen in die Umwelt und
damit auch in die Nahrungskette. Doch wie groß ist die Gefährdung durch Arsen
in Lebensmitteln wirklich? Werden die arsenhaltigen Verbindungen im menschlichen
Körper aufgenommen und womöglich in giftigere Formen umgewandelt? Bisher wissen
wir darüber sehr wenig.
Um diesen Fragen nachzugehen, haben Chemiker der BAM
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Zusammenarbeit mit dem
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig Heringsfilet auf den
Arsengehalt und auf verschiedene Arsenverbindungen untersucht. Bisher wird vor
allem auf den Gesamtarsengehalt geschaut. „Der Gesamtarsengehalt im
Lebensmittel sagt aber nichts darüber aus, welche Wirkung das Arsen eventuell
im menschlichen Organismus hat. Denn jede arsenhaltige Verbindung hat eine
andere toxikologische Bedeutung“, sagt Christian Piechotta von der BAM. In
umfangreichen Analysen wurden deshalb die arsenhaltigen Verbindungen im Hering
identifiziert.
Innerhalb der Lebensmittelüberwachung werden
Lebensmittel routinemäßig auf bestimmte und somit bekannte Inhaltsstoffe
quantitativ untersucht. Genormte Verfahren zur Analyse der arsenhaltigen
Einzelverbindungen in Lebensmitteln gibt es noch nicht.
Verschiedene Arsenverbindungen
„Das Schwierige an unserer Untersuchung ist, dass wir
nicht wissen, nach welchen Verbindungen genau wir suchen müssen,
dementsprechend umfassend muss auch das Analyseverfahren sein“, sagt Susanne
Lischka, die mit Christian Piechotta die Untersuchungen durchgeführt hat und
darüber im Fachblatt „Talanta“ berichtet*. Gefrorenes Heringsfilet aus dem
Supermarkt wurde enthäutet, zerkleinert und gefriergetrocknet, um den hohen Wasseranteil
im Fisch zu entfernen – danach gemahlen, homogenisiert und nochmals getrocknet.
„Dieser Aufwand der Probenvorbereitung ist nötig, um zu
gewährleisten, dass wir ein homogenes Material“, sagt Piechotta. Den
Wissenschaftlern ging es nicht um eine klassische Lebensmittelanalytik, sondern
um eine umfassende Speziesanalytik, mit der alle chemischen Verbindungen eines Elements
erfasst werden, die in der Probe vorkommen.
So konnten 18 Arsenverbindungen eindeutig
charakterisiert und darunter sieben neue Arsenolipide erstmalig beschrieben
werden. Arsenolipide sind fettlösliche Arsenverbindungen. Sie werden von
Fischen auf natürliche Weise gebildet. Ihre Wirkung auf den menschlichen Körper
ist bislang aber unerforscht.
Auf der Suche nach Referenzmaterial
„Unsere Ergebnisse sind Grundlage für die Toxikologen.
Erst wenn die verschiedenen Arsenverbindungen im Hering und im menschlichen
Körper eindeutig identifiziert sind, können die Kollegen deren Gesundheitsgefährdung
bewerten“, so Lischka.
Dass der menschliche Körper Arsenolipide
verstoffwechselt, ist bekannt. Bereits 2006 hatten österreichische
Wissenschaftler der Arbeitsgruppe von Prof. Ernst Schmeisser festgestellt, dass
bei Probanden, denen man arsenhaltige Dorschleber zum Essen gegeben hatte,
später im Urin bestimmte Arsenolipide zu finden waren, die nicht zuvor in der
Dorschleber nachgewiesen werden konnten. Langfristig möchten die
BAM-Wissenschaftler auch einzelne Arsenverbindungen im Labor synthetisieren, um
auch Referenzmaterialien anbieten zu können, mit denen dann Analyselabore nach diesen
Arsenverbindungen in Lebensmitteln suchen können – zur Prophylaxe, damit Fisch
weiterhin ein gesundes Nahrungsmittel bleibt.
Lesestoff:
The high diversity of arsenolipids in herring fillet (Clupea harengus); S. Lischka, U. Arroyo-Abad, J. Mattusch, A. Kühn, Ch. Piechotta; Talanta 2013, http://dx.doi.org/10.1016/j.talanta.2013.02.051
Dr. Ulrike Rockland (BAM) / roRo