„Bayerwalddiesel“ und was dahinter steckt

Ernährung

Bayerischer Bärwurz gelangt in den Adelsstand

In der Deggendorfer Brennerei zum Bären wies Karl Eckert 1928 erstmals auf seine „“Spezialmarke Bärwurz“ hin. „Es handelt sich um einen aus Heilwurzeln gebrannten Magenschnaps, der von keinem anderen übertroffen wird.“ Karl und seine Frau Irmgard Eckert hatten auf ihrem 1910 gekauften Landgut  eine Obstweinkelterei eingerichtet und 1919 eine Schnapsbrennerei angegliedert [1]. Vier Jahre zuvor brannten sie den ersten Bärwurz.

Deggendorf ist das Tor zum Bayerischen Wald auf halbem Wege zwischen Regensburg und Passau. Die Nachfahren von Karl Eckert führen heute nicht nur die Geschäfte fort, sondern auch das Brennerei-Museum am historischen Ort [2]. Der Bärwurz wächst zwar an vielen Stellen im Freistaat Bayern, vor allem aber im Bayerischen Wald.

Das Heilkraut

Was Karl Eckert auf seiner Getränkekarte anpries hatte Hiernonymus Bock bereits 1539 in seinem Kräuterbuch beschrieben: „“Die Bärwurz ist fürtrefflich gut wider die gifft, eröffnet Nieren und Blasen, dempffet die Bläst, und stillet derhalben das Magen, Leib und Mutterweh so von Winden entsprungen.“ [3]. Von der Heilpflanze zum Magenschnaps war es zeitlich, aber inhaltlich kein weiter Weg.

Allerdings ist die Bärwurz (Meum athamanticum) in Vergessenheit geraten. Es handelt sich bei der mehrjährigen, krautigen Pflanze um eine Verwandte von Petersilie, Kerbel und Anis. Der Name Wurz weist auf die weitverzweigten und dicken Wurzeln hin, weswegen die Pflanze den weiblichen Artikel trägt. Erst die gebrannte Variante bekam den männlichen Artikel. Als Gewürz werden von der Bärwurz Blätter, Samen und Wurzeln verwendet.

Die EU hat den Bayerischen Bärwurz jetzt mit Herkunftsbezeichnung geschützte geografische Angabe (g.g.A.) geadelt. Den Weg in die Destille finden mehrere Bestandteile der Bärwurz, wie auch der Alpen-Mutterwurz „Ligusticum mutellina“. Doch Bayerisch darf sich nur der Bärwurz nennen, der aus den Wurzeln gebrannt wurde.

Der Bayerische Bärwurz

Der höhere Alkoholgehalt von mindestens 38 Volumenprozenten sichert mehr Aromen die Passage in das Endprodukt. Der „Bayerische Bärwurz“ wird nicht gesüßt, enthält keine Farb- und andere Zusatzstoffe und wird in der Regel in der Steingutflasche vermarktet. In Glasflaschen verlieren sich ätherische Öle durch Lichteinwirkung aus dem Getränk. Das Steingut bewahrt den Schnaps zudem vor größeren Temperaturschwankungen.

Der Schutz des Destillats rundet den Aufwand für die Erzeugung des Rohstoffes ab. Damit die Pflanze ausreichend Wurzeln bilden kann, muss sich acht Jahre lang wachsen, bevor diese geerntet werden dürfen. Dann werden die Wurzeln gewaschen und zerkleinert. Aus der Landwirtschaft stammender Ethylalkohol wird zugesetzt  und die Brenner gewinnen entweder einen Kaltauszug (Mazerat) oder Heißauszug (Digerat). Es dauert einige Wochen bis Monate, um den Wurzeln auf schonende Art die ätherischen Öle, Farb- und Geschmacksstoffe zu entlocken. Anschließend reift das Erzeugnis bis zu zehn Jahre in eichen- oder Stahlfässern. Zum Schluss folgt das „blending“ aus verschiedenen Bärwurzdestillaten, die Einstellung des Alkohols, die Abfüllung und Verpackung.

Das Kulturgut

Die EU würdigt mit Karl Eckert den ersten „Bärwurz-Brenner“. Die montane und alpine Pflanze hat danach in allen bayerischen Mittelgebirgen Furore gemacht. Ein Jahr nach dem ersten Verkauf in seiner Brennerei zum Bären hat Eckert den Namen „Bärwurz“ am 17. Dezember 1929 beim Reichspatentamt eintragen lassen.

Die Bayerische Kultur hat den Bayerischen Bärwurz längst assimiliert. Die Steingutflasche steht bei vielen Volksbühnen als Markenzeichen auf dem Tisch. In „Der Wurzelsepp“ von Karl May steht der Satz „Im Kronenhof gibt´s den besten Bärwurz vom ganzen Bayerischen Wald“ notiert [4]. Im Sprachgebrauch hat der Bayerische Bärwurz Eingang als „Bayerwalddiesel“ gefunden.

Neben der Familie Eckert in Deggendorf widmet sich die Hausbrennerei Penninger aus dem Jahr 1905 unter anderem dem Schnaps. Das erste Bayerische Schnapsmuseum mit einem Bärwurzfilm in Hauzenberg ist nach einem Umzug geschlossen, aber in Böbrach bei Bodenmais als „Gläserne Destille“ für Besucher offen [5].

Lesestoff:

[1] https://www.eckert-baerwurz.de/

[2] http://museen.de/brennerei-zum-baeren-deggendorf.html

[3] https://antik.news/194-baerwurz/

[4] Der Wurzelsepp heißt der 1960 erschienene Sammelband Nr. 68 und beinhaltet die beiden Episoden „Der Geldprotz“ und „Der Samiel“. Beide gehen auf den Roman „Der Weg zum Glück“ aus den Jahren 1886/87 zurück.

[5] https://www.penninger.de/orte/

Roland Krieg

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