Bio-Brotboxen für Erstklässler
Ernährung
Ehrenamt und Wirtschaft für die Erstklässler
Die ehrenamtliche Erfolgsgeschichte der Bio-Brotbox entstand aus der Beobachtung, dass Kinder ohne oder mit falschem Frühstück zur Schule gehen. Sportwissenschaftler der Universität Mainz haben die Einschulung nun als „Dickmacher“ überführt.
Dickmacher Einschulung?
Nach Analyse von Perikles Simon verhält sich die Gewichtsentwicklung in den ersten fünf Lebensjahren normal und zeigt keinen Unterschied zum Vergleichszeitraum von vor 20 Jahren. Damals wie heute sind etwa zehn Prozent der Kinder als übergewichtig zu klassifizieren. „Es folgen dann drei Jahre, in denen wir im Gegensatz zu einer internationalen und einer deutschen Vergleichspopulation von damals plötzlich eine deutliche Zuwachsrate an Übergewicht ausfindig machen können“, erläutert Hauptautor Sascha Hoffmann von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz seine Ergebnisse.
Mit Hilfe der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS) des Robert Koch-Instituts hat Perikles Simon in seiner Promotion gezeigt, dass das Maximum der Zunahme an übergewichtigen Kindern um das Alter von 7,2 Jahren liegt. Mit Acht Jahren sind schon 20 Prozent der Kinder übergewichtig. Bis zur Pubertät bleibt der Anteil konstant.
Damit ist die Einschulung zwar zeitlich als „Dickmacher“ identifiziert, aber Simon warnt vor der Schlussfolgerung, dass die Ursachen im schulischen Alltag liegen. „Unsere Kinder wurden auch schon vor 20 Jahren eingeschult und kommen auch heute in ein ähnliches schulisches Umfeld wie damals. Nur früher war eben keine rapide Zunahme des Übergewichts zu verzeichnen. Wir gehen hier von einem recht komplexen Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus, die aber wahrscheinlich überwiegend im häuslichen Umfeld der Kinder zu suchen sind.“
Bio-Brotbox
In diesem Jahr wurde die Bio-Brotbox zum „Ausgewählten Ort 2012“ im Land der Ideen gewählt. In Berlin haben am Sonntag viele ehrenamtliche Helfer und Prominente mehr als 56.000 Frühstücksboxen gepackt, die heute und morgen an allen Berliner und Brandenburger Schulen an Erstklässler verteilt werden. Mehr als 25 neue Gemeinden wie Rothenburg ob der Tauber, Zschopau, Erfurt oder Bremen haben sich der Bio-Brotbox angeschlossen. Insgesamt gibt es nun 64 Initiativen, die sich seit der ersten Aktion 2002, den Zielen verpflichtet haben, jedem Kind jeden Tag ein Frühstück zu, das obendrein noch gesund ist. Die Brotbox ist Schlüssel für weitere Aktivitäten in der Schule, die Wertigkeit und den Ursprung der Lebensmittel kennen zu lernen.
Me too
Nachahmer gibt es auch schon. Die Rewe verteilt bereits im dritten Jahr seit Ende Juli Schultüten mit Obst, einem Getränk und Schulbedarf. 260.000 Schultüten werden bis Schulbeginn am 08. September in Bayern verteilt werden. Es gibt bestimmte Aktionstage an denen ein Gutschein aus dem Handzettel eingelöst werden kann.
Auch Alnatura packt seine eigene Schultüte. Da muss im Laden eine leere Schultüte abgegeben werden, die dann mit Bio-Produkten befüllt wird.
Nicht nur Frühstück
Die gesunde Ernährung ist nicht auf das Frühstück beschränkt und soll im ganzen Unterricht eingebunden werden. Mittlerweile sind gut 30 Prozent der Schüler in Ganztagseinrichtungen untergebracht. Die Bundesregierung verweist in einer Antwort an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in diesem Zusammenhang auf das Forschungsprojekt „REVIS“ aus dem Jahr 2005 [1]. Dabei geht es um die „Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schulen“. Es gibt zwar eine Finanzierungshilfe in Höhe von 4,5 Milliarden Euro, die sich jedoch nur auf Neubau, Umbau und Ausbau erstreckt. Eine extra Zulage für den Verpflegungsbereich gibt es nicht.
Die Finanzierung der Schulverpflegung ist Aufgabe der Länder, die beispielsweise über das EU-Schulfruchtprogramm zusätzliche EU-Mittel einfordern können. Allerdings nehmen derzeit lediglich sieben Bundesländer daran teil.
Der Bund beteiligt sich mit rund 1,1 Million Euro an den Vernetzungsstellen Schulverpflegung und hat das Bildungs- und Teilhabepakete aufgelegt [2], bei dem das gemeinschaftliche Mittagessen zu den am meisten gefragten Komponenten gehört.
Im Frühjahr 2013 wird das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Zwischenbilanz für die IN Form – Projekte ziehen [3]. Dann werden die schulische Ernährung und auch der aid-Ernährungsführerschein im Mittelpunkt stehen.
Lesestoff:
S. Hoffmann, R. Ulrich, P. Simon, Refined Analysis of the Critical Age Ranges of Childhood Overweight: Implications for Primary Prevention. Obesity (Silver Spring), 20. Juni 2012 doi: 10.1038/oby.2012.172
[1] Verbraucherfach oder Fachübergreifend bilden?
[3] Vernetzung statt Erlass. In Form geht an den Start
Roland Krieg; Foto: roRo (Archiv)