Biodiversität auch auf dem Teller
Ernährung
Kartoffeln: Mehr „olle Knollen“ zum Erhalt der Sortenvielfalt
In Deutschland sind laut Bundessortenliste rund 200 Kartoffelsorten für den Anbau zugelassen. Das klingt erst mal nach viel. Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass es vor rund 150 Jahren noch etwa drei Mal so viele Sorten waren, kommt man ins Grübeln. Wo sind all die vielen Kartoffelsorten geblieben? Man könnte sagen, viele von ihnen sind unter die Räder der modernen Kartoffelzüchtung geraten.
Neue Ziele
Mitte des 19. Jahrhunderts begann man in Europa mit der planmäßigen Kartoffelzüchtung. Nach der verheerenden Krautfäuleepidemie 1845 bis 1848, von der kaum eine Kartoffelsorte in Europa verschont blieb, war es erklärtes Ziel, krankheitsresistente Kartoffelsorten zu züchten. Mit Beginn der Mechanisierung der Landwirtschaft und der zunehmenden industriellen Nahrungsmittelverarbeitung kamen dann noch weitere „moderne“ Zuchtziele hinzu. Die Kartoffel sollte nun auch unempfindlich gegen Beschädigungen sein, eine gleichmäßige und optimale Knollenform und -größe besitzen und sich besonders gut Schälen lassen. Darüber hinaus war eine einheitlich gelbliche Fleischfarbe erwünscht. Viele alte Sorten erfüllten diese Anforderungen nicht mehr und wurden somit im Laufe der Zeit aus dem Anbau genommen und gerieten in Vergessenheit.
Gartenschätze
Um dem Verlust der Kartoffelvielfalt entgegenzuwirken, begannen vor einigen Jahrzehnten engagierte Hobbyzüchter damit, die „ollen Knollen“ im eigenen Garten anzubauen und damit den alten „Sortenschatz“ zu erhalten. Einige der alten Kartoffelsorten fanden dadurch auch wieder den Weg in den Handel und die Gastronomie. Es sind überwiegend Öko-Landwirte, die jene ungewöhnlichen Knollen auf Ihren Äckern kultivieren und meist über den Hofladen oder den Wochenmarkt verkaufen. Schaut man sich im Internet um, findet man auch dort so manchen Anbieter alter Kartoffelsorten. Liest man deren Sortenlisten, meint man eher die Weinkarte eines noblen Feinschmeckerrestaurants vor sich zu haben: Red Cardinal, La Ratte, Shetland Black oder Tannenzapfen heißen dort einige der angebotenen Sorten. Und so exotisch wie ihre Namen, sind auch ihre Formen und Farben. Die Knollen der Sorte Red Cardinal zum Beispiel haben eine knallrote Schale und sind innen rot-weiß marmoriert. Blue Salad und Blauer Schwede hingegen bestechen durch die Farbe blau - innen wie außen. Die Farbpalette bei den alten Sorten reicht von rot, über blau bis hin zu violett - dagegen erscheint die gelbfleischige Kartoffel, wie man sie im Supermarkt findet, beinahe langweilig. Hinsichtlich des Geschmacks lässt sich bekanntlich streiten. Es gibt jedoch Kartoffelkenner, die behaupten, dass die alten Sorten in puncto Geschmacksvielfalt und -intensität um einiges besser abschneiden als die modernen Sorten. Wer Kartoffeln also nicht nur als reine Sättigungsbeilage genießen möchte, sondern etwas Außergewöhnliches sucht, sollte es einmal mit einer alten Kartoffelsorte versuchen. Durch den Kauf oder noch besser durch den Anbau im eigenen Garten, leistet man darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt.
Jörg Planer (aid infodienst)