Biowunsch und Biowirklichkeit
Ernährung
Was zeigt das Ökobarometer wirklich?
Am Montag hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse
Aigner das Ökobarometer vorgestellt. Fazit: Immer mehr junge Menschen achten
beim Einkauf von Lebensmittel gezielt auf Bioprodukte. Hintergrund ist eine
repräsentative Umfrage, was Verbraucher wünschen und zum Teil auch umsetzen.
Eine beliebte Falle: „22 Prozent der Befragten kaufen häufig oder ausschließlich
Biolebensmittel“. Seit Dekaden ein Ergebnis, dass sich mit den wirklichen
Marktanteilen nicht deckt. Schlimmer noch: 75 Prozent der Verbraucher geben an,
mehr Geld für regionale Lebensmittel ausgeben zu wollen. Der Bund Ökologische
Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) ist in seiner Markteinschätzung knallhart: Mit
6,6 Milliarden Euro Anteil am gesamten Lebensmittelmarkt kommt die Branche gerade
einmal auf 3,7 Prozent. Für die einen noch immer Nische, für die die anderen
ein stetig wachsendes Marktsegment. Kundenwunsch und Kundenwirklichkeit gehen
auch bei dieser Umfrage wieder deutlich auseinander.
Die Logos und die Siegel haben nicht mehr als kleine Schritte hervorgebracht. Die Ansprache an den Verbraucher ist nach Stefan Johnigk, Geschäftsführer von Provieh, „gefloppt“, wie er vor kurzem auf dem Rewe-Nachhaltigkeitsforum in Berlin sagte. Der in der Breite wirkende Standard einer Branchenlösung wälzt den Markt um, schafft Menge und höhere Preise, bei denen die Tierschutzstandards langsam nach oben geschraubt werden [1]. Solange es niedrigere Auswahlpreise gibt, greift die Mehrheit zum günstigeren Produkt. Schließlich kaufen 82 Prozent der Befragten ihre Biolebensmittel im Supermarkt und 64 Prozent im Discount, so das Ökobarometer. Sind das die Lieblingskunden der Bio-Branche?
Auch die Regionalität scheint sich mehr auf dem Holzweg zu befinden, als durch das Regionalfenster in die Wohnung zu schneien. Die Ernährungsweise und die Veredlungswirtschaft nehmen immer mehr Fläche im Ausland in Anspruch, wie das Statistische Bundesamt ebenfalls am Montag mitteilte [2].
Die Bereitschaft, mehr Geld auszugeben, fand bei einer Studie der Universität Kassel schnell eine Ende: Nach einer Verkostung von Ebersalami ging die Breitschaft mehr Geld für Fleisch von nicht kastrierten Ebern zu bezahlen zurück [3].
Wahlkampfbarometer
Die Studie hat jedoch einen Blick in den aufkeimenden Wahlkampf gestattet. Aigner stellt das Regionalfenster und eine stärkere Ökoförderung ab 2014 auf ihre politische Habenseite.
Bündnis 90/ Die Grünen sehen diese Politik eher auf der Sollseite. Das Ökobarometer würde eine stetige Nachfrage ausweisen, deren Angebot aber nicht genug gefördert wird. Jan Plagge, Präsident von Bioland, fordert bei der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik 15 Prozent der Finanzmittel aus der ersten Säule in die Förderung des Ökolandbaus zu stecken. „Ansonsten fehlt den Ländern schlicht das Geld für eine Ökologisierung der Landwirtschaft“, so Plagge.
Dann dürfen Ökobarometer und Marktanteile 2014 zeigen, ob sie sich einander genähert haben.
Lesestoff:
www.bmelv.de/oekobarometer2013
[1] Marktänderung durch Branchenlösungen
[2] Flächenrucksack des Konsums
[3] Honoriert der Verbraucher die Ebermast?
Roland Krieg