Bittergeschmack ein Ergebnis der Mischung
Ernährung
Kombination von Bitterstoffen entscheidet über die Intensität
Wissenschaftler des
Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) haben in Zusammenarbeit mit
italienischen Forschern der Universität Piemont erstmals zwei natürliche
Substanzen aus Wermutgewächsen isoliert, die Bitterstoff und Bitterblocker in
einem sind. Sie aktivieren einige der 25 Bittergeschmacks-Rezeptoren, hemmen aber
gleichzeitig andere Bittersensoren, so dass diese von bestimmten Bitterstoffen
nicht mehr oder nur schwach aktiviert werden. Als Folge nimmt die Intensität
des „Bittersignals“ ab. Die Studie legt damit nahe, dass nicht nur die
Gesamtmenge der Bitterstoffe für die Intensität des Bittergeschmacks einer
Speise entscheidend ist, sondern auch deren Art und Kombination.
Hierfür spricht
auch das folgende Geschmacksphänomen: Genießt man zum Beispiel, wie in Italien
üblich, den intensiv bitter schmeckenden Honig des Erdbeerbaums (Arbutus unedo)
zusammen mit Roquefort-Käse, der ebenfalls über eine Bitternote verfügt, so
verringert sich die Bitterkeit beider Speisen. Die Forscher gehen daher davon
aus, dass es noch eine Vielzahl weiterer Bitterstoffe in der Natur gibt, die Bitterblocker
und Bitterstoff in einem sind.
Viele Bitterrezeptorentypen nur einer für „Süß“
Der Mensch verfügt
über 25 verschiedene Bitterrezeptortypen, mit denen er tausende natürliche,
synthetische und bei der Nahrungsmittelherstellung und -reifung entstehende
Bitterstoffe erkennt. Dies ist ein großer Unterschied zum Süßgeschmack. Denn
Süßes nimmt der Mensch nur mit einem einzigen Rezeptortyp wahr.
Wie die
Geschmacksforscher um Wolfgang Meyerhof bereits vor etwa einem Jahr zeigen
konnten, erkennen einige der Bitterrezeptoren eine breite Palette von bitteren
Substanzen, während andere nur auf wenige Bitterstoffe reagieren. Jeder
Rezeptor besitzt somit sein eigenes Bitterstoffprofil, das sich teilweise mit
den Profilen der anderen Bitterrezeptoren überlappt.
In der neuen Studie
konnte das Forscherteam nun mit Hilfe einer Art künstlichen Zunge1)
zeigen, dass die beiden aus Wermutgewächsen isolierten Substanzen unter anderem
einen Rezeptortyp hemmen, der sehr viele, strukturell unterschiedliche
Bitterstoffe erkennt. War der Rezeptor durch einen der beiden natürlichen
Bitterblocker gehemmt, konnten weder Absinthin noch giftige Bitterstoffe wie
Strychnin den Rezeptor aktivieren, was normalerweise der Fall gewesen wäre.
Paradoxer Weise waren die beiden Bitterblocker aber auch selbst in der Lage, andere
Bitterrezeptoren zu aktivieren.
„Unsere Ergebnisse
zeigen, dass es durchaus Sinn macht, dass sich so viele verschiedene
Bitterrezeptortypen mit einem überlappenden Bitterstoff-Erkennungsprofil beim
Menschen entwickelt haben“, sagt Meyerhof, Leiter der Abteilung Molekulare
Genetik am DIfE. „Denn gäbe es nur eine Art Bitterrezeptor, der durch
natürliche Substanzen geblockt werden könnte, wären Vergiftungen durch andere
Bitterstoffe sehr viel leichter möglich. In Evolutionsmaßstäben gedacht wäre
dies ein klarer Selektionsnachteil2).“ Die Studie wirft aber auch
neue Fragen auf, welche die Wissenschaftler hoffen, eines Tages beantworten zu
können. So die Frage, welche Rolle die natürlichen Bitterblocker für die
Evolution der menschlichen Bitterrezeptoren gespielt haben oder warum die
beiden Bitterblocker ausgerechnet in Wermutgewächsen gefunden wurden, die sehr viele
Bitterstoffe enthalten und zu den bittersten Pflanzen gehören.
Lesestoff:
1) künstliche Zunge: Hiermit ist ein zelluläres Testsystem gemeint, mit dem in vitro untersucht werden kann, ob ein Geschmacksrezeptor von einer bestimmten Substanz aktiviert wird.
2) Die Bittergeschmackswahrnehmung ist angeboren. Bereits Babys können Bitterstoffe wahrnehmen. Gibt man einem Kleinkind etwas Bitteres, so versucht es, das Bittere so schnell wie möglich wieder auszuspucken. Dies macht die orale Gabe bitterer Medikamente in diesem Alter besonders problematisch. Obwohl nicht generell ein Zusammenhang zwischen Bitterkeit und Giftigkeit besteht, gehen Wissenschaftler im Allgemeinen davon aus, dass der Sinn für Bitteres uns vor dem Verzehr giftiger Nahrung bewahren soll.
Das Wissenschaftlerteam um Erstautorin Anne Brockhoff und Studienleiter Wolfgang Meyerhof vom DIfE veröffentlichte nun die Ergebnisse in der Fachzeitschrift The Journal of Neuroscience (Brockhoff, A. et al. 2011; DOI:10.1523/JNEUROSCI.2923-11.2011).Dr. Gisela Olias (DIfE) / roRo