Bleifrei Jagen
Ernährung
BfR-Symposium „Wild – Gut erlegt?“
Das Jagen mit bleihaltiger Munition ist ein Thema, das „die Gemüter schon seit langem bewegt“, erklärte Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) am Montag [1]. In Berlin kamen zahlreiche Experten und Jagdakteure zu einem dritten Symposium zusammen, das nach drei Gutachten sich einmal mehr dem Thema „bleifrei Jagen“ widmet. Bleihaltige Munition bringt Blei in die Umwelt und über das Wildbret in die Nahrungskette. Belastungen haben ursprünglich zu den Untersuchungen geführt, die am Ende die Verwendung von bleifreier Munition zum Ziel hat.
Ergebnisse
Einfach war und ist das nicht: Jäger verzichten „ungern auf ein bewährtes, in der Tötungswirkung langerprobtes „Arbeitsmittel““, antwortete die Bundesregierung im letzten Jahr auf eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“. Das Thema ist diesmal aber kein rein deutsches Thema, sondern wird nach Prof. Hensel auch in Europa und der Welt diskutiert. Die Studien, die teils in einem sehr kritischen Umfeld durchgeführt wurden, beschäftigten sich mit „Sicherheit und Unbedenklichkeit von Wildbret“, dem Aspekt des Tierschutzes über die „Tötungswirkung“ und zusätzlichen Gefährdungen durch Abprallverhalten der bleifreien Munition für Jäger, Spaziergänger und anderes Wild. Die Ergebnisse sind nach BfR-Analysen eindeutig und werden von Dr. Christine Müller-Graf zusammenfasst:
„Die Verwendung bleihaltiger Geschosse im Vergleich mit
bleifreien Geschossen führt zu einem deutlichen, statistisch signifikanten
Anstieg der mittleren Bleigehalte im Rehwild und Schwarzwild.
„Der Gebrauch von gebondeten Geschossen [2] führt zu keiner Reduktion des Bleieintrags.
„ Bleifreie Geschosse führen im Mittel zu keinem höheren Eintrag an Kupfer als bleihaltige Geschosse. Auch bei Zink sind die Belastungen ähnlich wie beim Nutztier.“
Wer will, findet Kritik: Lagerung des Wildbrets kopfüber oder mit dem Kopf nach oben sowie Kühlung und Transport würden die Migration beeinflussen. Auch bleifreie Munition bringt Blei in das Wildschwein, weil das verwendete Automatenmessing (Messing aus Zerspanungsabfällen) drei Prozent Blei enthält.
Exposition
Wildbret ist ein Beispiel für die Komplexität der
Risikokommunikation, wie Dr. Helmut Schafft vom BfR darlegte. Getreide, Gemüse
und Leitungswasser weisen die geringsten Bleiwerte auf, tragen aber in Europa
bei den Konsumenten am meisten zur Bleibelastung bei. Sie werden am häufigsten
verzehrt. Demgegenüber verzehren die meisten Menschen kaum Wildbret, wo die
Bleibelastung aber am höchsten ist. Für die meisten Konsumenten spielt daher
die Frage, ob mit bleihaltiger oder bleifreier Munition gejagt wird zunächst
einmal keine Rolle. Frauen nehmen im Jahr kaum mehr als 350 Gramm Wildbret zu
sich. Der durchschnittliche Bundesbürger hingegen nimmt mit 40 Kilogramm
Schweinefleisch dagegen mehr Blei zu sich. Als Vielverzehrer gelten Männer mit
zehn Portionen und Frauen mit fünf Portionen Wild im Jahr. Sehr exponiert
gegenüber Blei im Wildbret sind sie nicht.
Aber für die Minderheit ist die Diskussion relevant:
Bei Extremverzehrern mit mehr als 90 Portionen pro Jahr ist mit einem
gesundheitlicher Effekt über mit Bleimunition erlegtem Wild zu rechnen. Und, so
die Empfehlung des BfR, wegen der Wirkung von Blei im menschlichen Körper, ist
das Thema auch für Kinder bis sieben Jahre und Schwangere relevant.
„Freispruch“ für die anderen? Seit 2010 sind die
Empfehlungen für Blei allgemein verschärft worden und gelten auch die
Geringverzehrer von Wildbret: „Beim Blei gibt es keine Aufnahmemenge ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung mehr“.
Politische Umsetzung
Politisch ist das Thema auch kompliziert. Brandenburg
führt die Verwaltungsjagd seit 2013 bleifrei aus. Ebenfalls im Landeswald
Schleswig-Holstein darf keine Bleimunition mehr verwendet werden.
Mecklenburg-Vorpommern will die bleifreie Jagd in diesem Jahr einführen, wenn
es keine bundesweit einheitliche Regelung gibt.
Die ist noch nicht in Sicht, wenngleich sie aber auf
der Agenda der Agrarministerkonferenz im April in Cottbus steht. Die Verwendung
von bleifreier Munition fällt unter die „Doppelkompetenz“ des Bundes für das
Waffen- und Jagdrecht. Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz
für das Waffenrecht. Weil Munition auch außerhalb der Jagd verwendet wird, sei
das Waffenrecht kein geeigneter Ansatzpunkt für eine Regelung, teilte der Bund
im letzten Jahr mit.
Auf der letzten regulären Agrarministerkonferenz in
Würzburg haben mehrere Länder zu dieser Ansicht eine Protokollerklärung
abgegeben. Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein
widersprechen dieser Rechtsauffassung und sind der Meinung, sie könnten
„eigenständige jagdgesetzliche Regelung zum Verbot bleihaltiger Büchsenmunition
bei der Jagd auf Wild“ einführen. Gleichwohl solle der Bund für eine bundesweit
einheitliche Regelung sorgen.
Lesestoff:
[1] Belastung von Blei im Wildbret
[2] Das so genannte „Bonding“beschreibt ein spezielles Fertigungsverfahren der Munitionsindustrie. Dabei wird der Bleikern untrennbar mit dem Geschossmantel verbunden. Die Migration des Bleis in den Wildkörper wird dadurch nicht verhindert.
Roland Krieg