BLL: Verbraucherinformationen ausreichend

Ernährung

Wie viel Regulierung brauchen Verbraucher?

Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) jährt sich zur Jahrestagung des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) in Berlin – eine Woche bevor das Bundeslandwirtschaftsministerium ein Symposium zum Thema „Zugang zu Unternehmensinformationen“ abhält. Fast ein halbes Jahr nach der vernichtenden Kritik des Verbraucherzentrale Bundesverband auf der Internationalen Grünen Woche. Bei der Kritik des BLL stehen aber nicht die langen Beantwortungszeiten und die undurchsichtigen und hohen Gebühren im Vordergrund, sondern andere Fragen.

Dr Theo SpettmannWer will was wissen?
Das VIG nahm Dr. Theo Spettmann, Präsident des BLL, am Donnerstag zum Anlass, mit einem Negativbeispiel aufzuzeigen, dass die überwiegend kleinen und mittleren Firmen der Lebensmittelindustrie „einer Flut an Gesetzen und Verordnungen auf nationaler wie europäischer Ebene gegenüber“ stehen. Dr. Spettmann bezweifelte, dass die erforderlichen Angaben noch alle wirksam kontrolliert werden könnten: „Heutzutage ist es fast schwieriger, ein Lebensmittel korrekt zu deklarieren, als es herzustellen.“ Die Bürokratie ist nicht das einzige Hindernis. Grundsätzlich vertritt der BLL die Auffassung, dass Verbraucher ausreichend informiert sind und hinterfragt, „wem“ es immer noch nicht weit genug gehe.
So sei das erste Jahr des VIG durch Anträge von Umwelt- und Verbraucherverbänden geprägt gewesen, die auf das Testen des Informationszugangs und die Qualität der Antworten ausgerichtet waren. Das habe „die personellen Ressourcen der betroffenen Behörden und der anzuhörenden Unternehmen erheblich“ strapaziert, so der BLL. Der Verband hat deshalb zur Jahrestagung eine Umfrage unter 20 Unternehmen der Ernährungsindustrie und Verbände befragt, welche Informationen sie bereits heute schon ohne Gesetz anbieten. Im Ergebnis erhielten die Firmen 30.000 Verbraucheranfragen je Woche, kommen also auf rund 1,5 Millionen Anfragen im Jahr, beschäftigen etwa 3.000 Mitarbeiter im Verbraucherservice und geben zusätzlich im Internet Informationen zur Lebensmittelkennzeichnung und zu Nährwertinformationen an. Die Produkte und Herstellungsverfahren werden dargestellt und Zutaten erläutert. Die Verbraucher stellen Fragen zur allgemeinen Ernährung, zur Zubereitung, Lagerung und Kennzeichnung und bei Zutaten besonders nach Allergenen, so die BLL-Studie.
Für die Untenehmen ist es das „ureigenste Interesse, die Kundenkommunikation zu optimieren“ und über Vertrauen die Kundenbindung herzustellen, die Vorteile im Wettbewerb schaffe.

Forderungen des BLL zur Verbesserung des VIG:
- Präzisierung des Begriffes „Rechtsverstoß“. Der soll erst vorliegen, wenn er von der Vollzugsbehörde festgestellt wurde.
- Während laufender Verwaltungsverfahren sollen keine Auskünfte mehr erteilt werden dürfen, um möglicherweise falsche Informationen in die Öffentlichkeit zu tragen
- Informationen sind nur nach Bedarf für den Verbraucher verständlich zu machen
- Die Auskunftsbehörde muss für fehlerhafte Eigeninformationen haften
- Hinweispflicht auf die Existenz von Gegengutachten

Regulierung und Eigenverantwortung
Auch der Deutsche Ethikrat hat sich im vergangenen Jahr mit der Frage beschäftigt, wer für die Gesundheit des Einzelnen verantwortlich ist: Der Staat oder jeder selbst? An der Antwort arbeitet auch der BLL. Für Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner gehören Markt und Staat zusammen. Sie erinnerte an die BSE-Krise, der daraus folgenden Rückverfolgbarkeit und das Gammelfleisch, die beide staatliche Regulierungen erforderlich gemacht haben. „Die Lebensmittelsicherheit brauche klare Regeln“, so Aigner, „beinhalte aber immer die Gefahr der Überregulierung.“ Im Bereich der Lebensmittel reagierten die Menschen sehr sensibel, zudem auch die Medien die Inhalte noch verschärfen. „Regeln müssen schon sein“, hält Aigner das VIG für das kommende Symposium fest, das zunächst auch nur ein Zwischenergebnis innerhalb der zweijährigen Testphase sein soll. Beruhigen konnte die Ministerin den BLL, weil Brüssel derzeit die Themen Nährwertkennzeichnung und Health Claims auf die lange EU-Bank geschoben hat.
Dr. Spettmann sieht die Gefahr, dass weitere rechtliche Regeln eine Gesundheitspolitik ersetzen wollen. Es sei jedoch ein Irrtum, dass Gesetze ein gewünschtes Verhalten hervorbringen könnten.

Gesetze und Eigenverantwortlichkeit sind ein gegenläufiges Paar. Die Fachdiskussion der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Leipzig zeigte auf, dass Nährwertprofile nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden. Sowohl die Ampel als auch die GDA haben ihre Schwächen. Welcher Kunde stellt sich sein Obst und Gemüse nach tabellarischen Mengenangaben von Vitaminen und Mineralstoffen zusammen, wenn er auf tradiertes Wissen zurückgreifen könnte, dass Obst und Gemüse gesund sind und oft auf den Tisch gehören? Der BLL setzt auf das Leitbild des mündigen Verbrauchers und bekommt von der Nationalen Verzehrsstudie II Unterstützung, die Bildung als eine der Voraussetzungen für gesunde Ernährung ausmacht.

Werbeverbote helfen nicht
Clemens Bauer ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Werberates (ZAW) und Mitglied im ZDF-Fernsehrat. Bauer hat sich auf der Tagung gegen zusätzliche Werbebeschränkungen ausgesprochen, weil sie die Freiheit von Verbrauchern und Unternehmen einschränken. Auf der einen Seite fördere man die Tabakindustrie, auf der anderen Seite stigmatisiere man das Rauchen. Mit Werbeverbote könne man keine Abstinenz erzielen und der ZAW bereite einen Verhaltenskodex vor, der einmal die Position der Werbewirtschaft darlege und sich auf seinen Richtlinien festlegen wolle, keine ungesunde Lebensführung zu fördern. Bauer verwies auf die bereits vereinbarten Verhaltensregeln des Werberates bei Alkoholwerbung und Kinder.
Anfang des Jahres hat der Werberat ein ausführliches Positionspapier zum Thema Gesundheitszustand, Werbung und Kinder vorgelegt, indem Werbeverbote als „vorschnellen“ und wissenschaftlich nicht begründbaren Weg zur Verbraucheraufklärung aufgezeigt werden. Bauer wies darauf hin, dass ohne die Werbung die Medienlandschaft und damit die Pressefreiheit gefährdet sind.

Analog-Käse und Zutatenliste
Beim Thema Analog-Käse wurde deutlich, wie wichtig die Differenzierung ist. Die Verwendung von Analog-Käse ist eine Verbrauchertäuschung, wenn der Verkäufer nicht darauf hinweist, stellte Prof. Dr. Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer des BLL klar. Den Käse aus Pflanzenfett gibt es in kleinen Gastronomien und Pizzerien, nicht im Kühlregal des Handels. Daher ist der Analog-Käse kein BLL-Thema.
Es sind die schwarzen Schafe, die eine ganze Branche in Misskredit bringen, die danach jedoch in Gänze unter den Regeln leiden muss. So trifft die von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in dieser Woche gerügte mangelhafte Ausstattung der Zutatenliste bei Süßwaren auf praktische Probleme, führte Dr. Karsten Keunecke vom Süßwarenverband gegenüber Herd-und-Hof.de aus. Das Thema sei nicht neu, weil die Verpackungen teilweise sehr klein sind und kaum mehr Platz für die notwendigen Aufdrucke besitzen. Probleme sollten am Einzelbeispiel angesprochen und gelöst werden.

Wie der Handel informiert
Die BLL-Studie zu Verbraucherinformationen zeigt auf, wie Handel und Verarbeiter Verbraucher informieren. So will das Bäckerhandwerk ab 2010 Informationsterminals aufstellen, über die Kunden etwas über Rezepturen und Zutaten erfahren können. Im Oktober wird die aktualisierte Programmierung auf der Backwarenausstellung in Düsseldorf vorgestellt. Auch der Backclub von Dr. Oetker mit mehr als 100.000 Mitgliedern dient der Verbraucherinformation. Das Traditionsunternehmen hatte bereits 1891 Rezepte auf der Rückseite der Produkte veröffentlicht. Hipp hat ein Eltertelefon eingerichtet, das die meisten Kontakte zum Unternehmen generiert. Und der Handel hat verschiedene Kundenmagazine kreiert, die Millionen Haushalte erreichen.
Aus der Gesamtpalette des Angebotes von Handel und Verbraucherschützern können sich Kunden auf die Quellen stützen, denen sie am meisten aus gewonnener Erfahrung vertrauen – denn dick werden sie nur ganz allein.

Lesestoff:
Die Verbandsseite des BLL finden Sie unter www.bll.de
Die Positionen des Werberates gibt es unter www.zaw.eu

Roland Krieg

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