BVL: Mehrfachrückstände nehmen zu

Ernährung

Rückstände: „Kein Grund sich zurückzulehnen“

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat am Montag in Berlin sowohl die Ergebnisse des Lebensmittelmonitoring als auch die des Bundesweiten Überwachungsplans 2007 vorgestellt. Letzterer bezieht auch Bedarfsgegenstände mit ein. Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg, Leiter des BVL fasst zusammen: „Die Ergebnisse aus beiden Proben sind kein Anlass sich zufrieden zurückzulehnen.“

Positive Trends
Die Ergebnisse weisen auch positive Trends auf. Bei Milch, Hühnereiern, Rind- und Schweinefleisch, See- und Süßwasserfische sind die Ergebnisse „sehr gut“, so Dr. Georg Schreiber vom BVL. Nur bei Wildschweinfleisch gibt es eine „wirklich völlig unnötige Kontamination“ durch die Verwendung von Bleimunition. Auch großzügiges Wegschneiden des Geschosskanals entfernt nicht alle Bleipartikel. Das BVL fordert deshalb zum Verzicht auf bleihaltige Munition auf.

Negative Trends
Tomaten sind ein Beispiel, bei denen zwar oft Belastungen gefunden werden, die Pflanzenrückstände jedoch unter dem zulässigen Grenzwert liegen. Leider geht das einher mit der Zunahme von Mehrfachrückständen. 54 Prozent der Proben weisen zwei bis fünf verschiedene Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf. Der Spitzenwert liegt bei 21 verschiedenen Rückständen in einer Probe.
Das BVL erklärt sich die Zunahme an Mehrfachrückständen dadurch, dass die Produzenten zur Vermeidung der Höchstgrenzenüberschreitung auf mehrere Behandlungsprodukte zurückgreifen. Formal juristisch ist die Ware damit legal im Handel. Was aber der Cocktail im Einzelnen anrichtet ist selbst wissenschaftlich noch nicht genau erforscht, denn die Stoffe können sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken, neutralisieren oder aufheben.
Durch Einzelfunde aufmerksam geworden hat das BVL bei eingelegtem Räucherfisch aus dem Baltikum genauer hingeschaut. In Pflanzenöl eingelegter Räucherfisch war demnach vielfach auf Grund Polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe zu beanstanden. Das Öl jeder vierter Fischkonserve überschritt die gesetzliche Höchstmengen für den krebserregenden Stoff Benzo(a)pyren.
Auch im Convenience-Bereich gibt es Nachholbedarf. Salate, Keimlinge und Sprossen, sowie vorzerkleinertes Obst und Gemüse in der Salattheke, weisen Salmonellen, Listerien, Camylobacter und Verotoxin bildende E. coli auf. Bei Sprossen und Keimen wurde jede 5. bei Obst und Gemüse jede 13. Probe beanstandet.

Kriterien

Bundesweiter Überwachungsplan

Lebensmittel-Monitoring

Ziele des Programms

Überprüfung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften incl. Täuschungsschutz, Untersuchung aktueller Probleme und zur Klärung, ob neue Höchstmengen eingehalten werden. Daten werden herangezogen, um Höchstgehalte für Kontaminanten festzulegen

Abschätzung der Exposition der Bevölkerung mit unerwünschten Stoffen in der Lebensmittelkette. Daten werden herangezogen, um gesetzliche Höchstgehalte für Kontaminanten festzulegen.

Unter welchem Blickwinkel werden die Proben und Betriebe ausgewählt?

Es werden vor allem Betriebe und Lebensmittel untersucht, von denen ein erhöhtes Risiko für den Verbraucher ausgehen kann, da sie z.B. mit leicht verderblichen Lebensmitteln umgehen. Man bezeichnet dies als „risikoorientierte Probenahme“

Repräsentativ, d.h. die Proben werden nach statistischen Kriterien ausgewählt.

Was wird untersucht?

Lebensmittel, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände

Lebensmittel

Q: BVL

Biolebensmittel
Von 358 untersuchten ausländischen Bioprodukten wurden die Kontrolleure in neun Fällen fündig. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln weisen entweder auf einen verbotenen Einsatz hin, oder auf einen Betrug, konventionelle Ware als Bioprodukt zu verkaufen.
Gefundenes Bromid ist jedoch ubiquitär im Boden und spricht daher nicht unbedingt für die Verwendung von Bromidhaltigen Begasungsmitteln. Auch Gurken können Pflanzenschutzmitteln aus dem Boden aufnehmen und anreichern. Verdriftung von Wirkstoffen aus Nachbarfeldern kann ebenfalls Rückstände erklären, allerdings waren zwei Proben so hoch belastet, dass das BVL diese Erklärung ausschließt.

Eigenverantwortung Handel
Christof Deckart, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit des bayrischen Gesundheitsministerium, weist auf die Grenzen der behördlichen Kontrollen hin. In Bayern gebe es rund 210.000 Lebensmitteleinzelhändler, die natürlich nicht alle von den Behörden kontrolliert werden können. Das BVL appelliert an die Eigenverantwortlichkeit der Händler, sich die Waren von vertrauenswürdigen Lieferanten zu besorgen und die Ware selbst zu testen. Die Behörden können hier nur stichprobenartige Hinweise geben, wo man genau hinschauen muss. Letztlich haftet der Händler auch für belastete Produkte, so Deckart.

Kontrollhilfe
Da Beispiel Melamin zeigt, dass es Länder mit höherem Risiko für belastete Lebensmittel gibt. Das Problem in China, so Dr. Schreiber zu Herd-und-Hof.de ist nicht die fehlende Gesetzgebung im Land, sondern die fehlenden Möglichkeiten, das Gesetz anzuwenden. Das BVL arbeitet aktuell mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (gtz) in Raum Peking zusammen, ein Kontrollsystem aufzubauen. Die chinesischen Kontrolleure sind beispielsweise auch auf Studienreisen durch Deutschland unterwegs, um sich die Praxis hierzulande anzusehen. Dr. Tschiersky-Schöneburg fügt hinzu, dass die Sicherheit des Produkts bereits vor Ort gewährleistet sein muss. Länder, die keine so hohen Sicherheitsstandards wie Europa aufweisen, müsse man helfen, ein vergleichbares Sicherheitsnetz aufzubauen.

Verbote und Kontrollen
Auch wenn die Kontrollen manchen Verbrauchern nie gut genug sein können, so sind sie der richtige Weg. Waren Pistazien vor zehn Jahren noch häufig mit Aflatoxinen belastet, so halfen Kontrollen und Importverbote, die Schimmelpilzbelastung auf ein fünfzigstel zu reduzieren. Kontrolle und Verbote werden angesichts globaler und neuer Warenströme wichtiger, solange ein globales Kontrollsystem nicht vorhanden ist, so Dr. Tschiersky-Schöneburg.

Lesestoff:
Die beiden Berichte Lebensmittel-Monitoring und Bundesweiten Überwachungsplan 2007 können Sie unter www.bvl.bund.de einsehen und abrufen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hielt eine Verbrauchertagung zum Thema Mehrfachrückstände ab.

roRo

Zurück