Das Ende der Veggie-Wurst

Ernährung

vzbv wertet Lebensmittelklarheit-Portal als Erfolg

Wenn das Ersatzprodukt den Namen des eigentlich sogar geschmähten Hauptproduktes zur Marktdurchdringung braucht, dann spricht das nicht gerade von Selbstbewusstsein. In letzter Zeit mehren sich Stimmen, die Begriffe wie Veggie-Wurst oder vegetarisches Schnitzel als Verbrauchertäuschung bezeichnen. Wie lange hält sich noch die „Veggie-Wurst“ im Kühlregal?

Es geht aber auch eine Nummer kleiner. „Die Thüringer“ hatten Rohwurstsorte auf der Verpackung mit dem Satz „ohne Zusatz von geschmacksverstärkenden Zusatzstoffen“ vermarktet. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hingegen ist der Auffassung, dass dann auch keine Würze enthalten sein darf, die in der Zutatenliste aufgeführt war. „Die Thüringer“ haben reagiert und die Rezeptur geändert. Die traditionelle Wurst kommt jetzt ohne zusätzliche „Würze“ aus.

Fünf Jahre Lebensmittelklarheit

Am Mittwoch stellten vzbv-Vorstand Klaus Müller und Stephanie Wetzel, Projektkoordinatorin des Beschwerdeportals „Lebensmittelklarheit“, in Berlin eine Zwischenbilanz vor. Von der Lebensmittelindustrie zu Beginn als „Lebensmittelpranger“ gebrandmarkt und gefürchtet, hat sich die Arbeit hinter dem Portal auf wöchentlich durchschnittlich 13 Beschwerden eingependelt, die von den Verbraucherprofis abgearbeitet werden können. Vor allem aber sind die Schlagzeilen über das Portal verschwunden. Es geht seinen Gang und kann mit Erfolgen aufweisen.

Mehr als 9.000 Beschwerden wurden über das Portal herangetragen. Die Fachredaktion prüft, ob die Beschwerde für das Portal passt und ob der Absender als Verbraucher auch plausibel ist. Denn am Ende ist es sein Portal.

Daraus resultierte auch im Juli 2011 der Spannungsbogen: Die Hersteller von Lebensmitteln haben andere Vorstellungen von ihren Produkten als die Verbraucher. Noch heute gibt es ein Fruchtsaftgetränk, das mit drei exotischen Früchten Kunden lockt, aber laut Zutatenliste zu 75 Prozent aus schnödem Apfel- und Orangensaft besteht. Kunden fühlen sich betrogen, wenn sie in der Verpackung nicht das finden, was aufgedruckt ist. Daher stehen falsche Zutatenversprechen auch auf dem ersten Rang der Kundenunzufriedenheit. Auf Platz zwei ärgert es die Konsumenten, wenn sie mit irritierenden Kennzeichnungen in die Falle gelockt wurden: Eine „Quarkcreme mit Joghurt“ enthielt nur Frischkäse, Joghurt und Sahne. Zunehmend werden Produkte mit traditioneller Handwerkskunst beworben. Doch manche Chips aus der versprochenen Kesselröstung sind mit Hilfe von Maltodextrin und Säuerungsmittel industriell gefertigt. Die Herkunft ist das vierte Ärgernis. Vor allem Molkereien geben ihrer Milch gerne Regionalnamen, aus denen kein einziger Tropfen Milch stammt. Und nicht zuletzt werben Hersteller noch immer gerne mit Health Claims, die zwar von der EU mittlerweile genau geordnet sind, aber von Marketingexperten gerne erweitert werden. So soll ein Tee ein Wundermittel für die Schönheit sein.

Hersteller reagieren

Aktuell sind auf dem Portal 788 Produkte aufgeführt. Davon stehen 478 in der Rubrik „Getäuscht?“. Bei 259 Produkten haben die Hersteller auf die Beschwerde reagiert, Rezepturen oder die Kennzeichnung geändert, auch Ware vom Markt genommen. Der vzbv wertet das als Erfolg: „Die Arbeit hat sich gelohnt“, sagte Müller. „Lebensmittelklarheit wirkt“, ergänzte Wetzel.

Damit dieses Ergebnis auch belastbar aufgezeigt werden kann, haben die Verbraucherprofis einen Marktcheck Ende 2014 durchgeführt. Kurz vor Einführung neuer Etiketten durch die neue Lebensmittelinformationsverordnung. Von insgesamt 124 bemängelten Produkten aus der Rubrik „Getäuscht?“ wurden im Jahresverlauf bereits 30 Produktangaben korrigiert. 94 Produkte blieben für den Marktcheck übrig. Noch einmal 29 Produkte wurden ohne Information an die vzbv geändert. Also zwei Drittel der insgesamt bemängelten Waren wurden verbessert. „Den Eindruck hatten wir immer“, sagte Stephanie Wetzel. „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß.“ Es geht dabei nicht nur um die Kunden. Hersteller von hochwertigen Waren fühlen sich auch getäuscht, wenn Produkte mit gleichem Versprechen nur eine mindere Qualität anbieten.


Produkte vor und nach der Änderung

Lebensmittelbuchkommission

Die vzbv konnte in diesem Jahr einen weiteren Erfolg feiern. Die Geschäftsordnung der Lebensmittelbuchkommission hat das Portal Lebensmittelklarheit als Referenzportal aufgenommen und bespricht die Themen in ihrer Runde. Neben den Verbraucherzentralen sind die Lebensmittel-Kontrollbehörden, die Lebensmittelhersteller und die Wissenschaft vertreten. Ein großer Schritt nach vorne, wenn Klaus Müller auch noch drei wichtige Forderungen für die Zukunft bereit hält: Der „Entscheidungsmechanismus ist suboptimal“, sagte er. Die vier Gruppen sind auf einen Konsens ausgerichtet, der nicht die Lebensrealität der Verbraucher wider spiegele. Es fehlt die grundsätzliche Auseinandersetzung über die Frage, was denn wirklich noch handwerklich oder schon industriell hergestellt sei. „Ein industriell hergestelltes Brötchen muss nicht schlecht sein. Aber es sollte entsprechend gekennzeichnet werden“, fordert Müller. Dazu gehört eine Finanzierungsmöglichkeit für eigene Überprüfungen mit den Verbrauchern, welche Anforderungen an der Ladenkasse empirisch vorliegen. Müller nannte mit 0,5 Millionen Euro auch gleich einen Wunsch-Betrag.

Und die Veggie-Wurst?

Das Nicht-fleischliche Fleischprodukt hat es noch nicht zu einem großen Ärgernis geschafft. Aber in den Foren diskutieren die Verbraucher. Dort beobachtet Stephanie Wetzel, dass die Kunden sich mehrheitlich für eine saubere Sprache entscheiden. So soll es keine „vegetarische Mortadella“ mehr geben, aber einen Produkt „mit Mortadella-Geschmack“. So wie vegan und vegetarisch in den Essalltag einrücken, wollen die Kunden auch auf diesem Sektor „Wahrheit und Klarheit“. Wegen der neuen Geschäftsordnung wird diese Diskussion auch in die Lebensmittelbuchkommission hereingetragen.

Lesestoff:

www.lebensmittelklarheit.de

Roland Krieg; Fotos: roRo

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