„Das ist gut genug für den nächsten Tag“
Ernährung
Beste-Reste-Box für die Gastronomie

Vergangenen Samstag wurde der 84. Geburtstag im Familienkreis groß gefeiert. Statt wie lange üblich zu Hause in der Küche zu stehen, ging die Drei-Generationen-Familie auswärts essen. Lecker, sehr lecker. Aber: Noch am Abend drückten Temperaturen von über 35 Grad auf das Rheinland und die Bratkartoffeln wollten nicht mehr rein. Für solche Situationen hat die englische Sprache den Begriff „doggy bag“ geprägt, der in den USA mittlerweile verpönt ist. Dort fragen die Gäste offen nach einer „Box“, um nicht Verzehrtes für den späteren Genuss nach Hause zu nehmen. In Frankreich hat die Box große Probleme, weil Gourmet-Essen und eine Styroporverpackung ästhetisch unverträglich sind. Aber es hilft ja nichts. Jährlich landen elf Millionen Tonnen wertvoll erzeugte Lebensmittel im Müll. Das sind 84 Kilo pro Kopf und Jahr. In der Gastronomie sind es pro Gast und Jahr 23,6 Kilo. Zeit, was zu ändern

Das Image
Nachhaltige Gastronomieangebote sind gegenüber nachhaltigen Haushalten noch nicht so stark gefragt. „Greentable“ aus Lüneburg allerdings wurde seit seiner Gründung 2015 bereits zweimal vom Deutschen Nachhaltigkeitsrat ausgezeichnet und legt umfangreiche Kriterien für die Nachhaltigkeit in der Gastronomie fest. Die am Dienstag in Berlin vorgestellte „Beste-Reste-Box“ ist also vor allem ein Kompliment and die Küche und alles andere als ein verschwiegene „Zusatzversorgung“. Der Firmenphilosophie folgend besteht die 1.350 ml umfassende „Box“ aus FSC-zertifiziertem Kraftpapier. Geruchlos, recyclingfähig, 100 Prozent biologisch abbaubar und mit einer wasser- und fettresistenten Beschichtung auf Wasserbasis ausgestattet. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bestätigte: „Es läuft keine Flüssigkeit raus.“
Die Box ist sowohl für die Mikrowelle als auch für den Gefrierschrank geeignet und berücksichtigt mit einem kleinen Schlitz auf der Oberseite sogar das Anbringen der Visitenkarte des Restaurants.

Verkaufsstart bei der Metro
Damit die Boxen auch in die Gastronomie kommen, vertreibt die Metro Cash & Carry sie ab sofort in allen 106 Handelsgeschäften. Für den Vorsitzenden der Geschäftsführung Thomas Storck ein Baustein in der Firmenphilosophie. „Die Lebensmittelverschwendung gilt es zu reduzieren“, sagte Storck und gibt mit Algorithmen in der eigenen Warenbeschaffung die Reduzierung der so genannten „Abschriften“ vor. Mitarbeiter können sich in Workshops zum Thema weiterbilden und die Metro gibt jährlich Waren an die „Die Tafeln“ im Wert von acht Millionen Euro ab. Eigene Erfahrungen werden über ein Analysetool an Restaurants weiter gegeben – und jetzt die „Beste-Reste-Box“ in 50 Einheiten pro Verpackung. 100.000 Verpackungen sind bereits in den Geschäften verteilt.
Nach Metro-Analyse bei seinen Geschäftskunden liegt das Thema Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie mit 98 Prozent sogar noch vor dem Thema Energieeffizienz auf Platz 1. Auch vor Regionalität und Tierschutz. Für die Gäste steht es auf Platz 2 nach der Regionalität. Die Gastronomie als Tagesgeschäft kann Speisen nicht immer exakt kalkulieren. Es gibt auch Planungsfehler der Gastronomen. Aber Essensreste der Gäste sind mit 62 Prozent der Hauptgrund für Lebensmittelverschwendung. Daher bieten bereits zwei Drittel der Gastronomen die Möglichkeit an, Speisen für den weiteren Verzehr mit nach Hause zu nehmen. Jetzt haben sie auch noch eine handliche und nachhaltig produzierte Box und müssen nicht auf Tütensuche gehen.

Ein Baustein im Gesamtpaket
„Wir brauchen intelligente Lösungen“, forderte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und machte deutlich, dass die Innovation von Greentable genau seinen Vorstellungen entspricht. Landwirte und Verarbeiter haben viel in qualitative Lebensmittel investiert, deren Zubereitungsreste im Sinne der Nachhaltigkeit weiter wergeschätzt werden sollten. Im Rahmen der Initiative „Zu gut für die Tonne“ werde die tragbare Verpackung den Menschen einen restelosen Genuss sichern. Daher ist auch das Ministerium in die Anschubfinanzierung eingestiegen. Die Box sei ein weiteren Baustein für das Erreichen der Ziele gegen die Lebensmittelverschwendung bis auf die Verbraucherebene. Schmidt hofft auf „gut gefüllte Kartons“. Denn: „Das ist gut genug für den nächsten Tag.“

Haftungsfrage
Fernseh-Koch Christian Rach wünscht sich noch einen Aufdruck auf die Verpackung: „Sofort kühlen und schnell verzehren“. Denn mit dem Wechsel der Speisereste vom Teller in die Box müsse auch die Verantwortung auf den Kunden übertragen werden. Fahre er anschließend im Auto nach Hause und setze die Box stundenlang den hochsommerlichen Temperaturen aus, liegen die Kunden nach dem Verzehr verdorbener Speisen schnell krank im Bett. Hier müsse rechtssicher geregelt werden, dass die Haftung dann nicht mehr beim Gastronomen liege.
Rach möchte die „Restediskussion“ auch endlich aus ihrer „Schmuddelecke“ herausholen. Der Handel bietet Lebensmittel kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums bereits in rabattierten Aktionen ab. Allerdings in der hinteren Ecke, wo die Konsumenten oftmals mit dem Gefühl der Bedürftigkeit zugreifen. Rach wünscht sich eine offensive Platzierung und eine Aktion „Nimm mich zuerst“ im vorderen Teil des Geschäftes.
Lesestoff:
www.greentable.de mit einem Verzeichnis der teilnehmenden Restaurants www.restlos-geniessen.de
Roland Krieg; Fotos: roRo