Der Berliner, der die Zuckererzeugung revolutionierte

Ernährung

Zucker: Vom Luxusprodukt zur Zuckerrübe

Zuckerfabrik von F.C. Archard in Cunern
Zuckerfabrik von F.C. Archard in Cunern

Zucker bedeutet Genuss und ist heute für jedermann günstig und in verschiedenen Sorten erhältlich. Das war nicht immer so. Noch vor gut 200 Jahren war Zucker ein Luxusgut, das sich nur der Adel leisten konnte. Er wurde aus Zuckerrohr gemacht und über lange Schiffswege von Südamerika nach Europa gebracht. Dass wir heute in Deutschland hochwertigen Zucker aus regionalem Anbau und Verarbeitung haben, verdanken wir einem Forscher aus Berlin – Franz Carl Achard. Der Physiker, Chemiker und Biologe ist Begründer der europäischen Rübenzuckerwirtschaft. Vor genau 200 Jahren – am 20. April 1821 – starb er im schlesischen Cunern, wo er 20 Jahre zuvor die erste Zuckerfabrik Europas einrichtete.

Zu diesem Anlass stellt die deutsche Zuckerwirtschaft eine ganze Woche lang historische Fotos, Videos und Informationen rund um die Zuckerwirtschaft auf ihren sozialen Medienkanälen bereit.

Wie der Rübenzucker auf unsere Felder kam

Als Achard in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann, sich mit der wirtschaftlichen Nutzung heimischer Pflanzen zu beschäftigen, war Zucker der pure Luxus. Angebaut wurde er – durch Sklaven – als Rohrzucker in den europäischen Kolonien Lateinamerikas. Von dort wurde er vor allem auf Schiffen nach Europa gebracht und dort in Zuckersiedereien raffiniert. Als Luxusprodukt für Adel und Geldadel versüßte er neue Modeprodukte wie Kaffee oder Tee sowie Erfindungen wie Pralinés, kandierte Früchte, Marzipan oder Speiseeis. Allerdings wurde Zucker im ausgehenden 18. Jahrhundert immer teurer. Die Frage war also: Lässt sich Zucker nicht auch günstiger aus heimischen Pflanzen herstellen?

Achard arbeitete in Berlin mit seinem Lehrer, dem Chemiker Andreas Sigismund Marggraf zusammen. Dieser fand heraus, dass die heimische Runkelrübe auch Zucker enthält, der die gleiche Beschaffenheit aufwies wie das teure Importgut aus Übersee – allerdings in sehr geringer Menge.

Die Zuckerrübe

Durch gezielte Züchtung gelang es Achard, den Zuckergehalt in der Rübe von 1,6 Prozent auf rund fünf Prozent zu erhöhen. Die Geburtsstunde der Zuckerrübe – die heute übrigens zwischen 17 - 19 Prozent Zucker enthält. Im nächsten Schritt entwickelte er Verfahren, mit denen sich der Zucker aus der Rübe lösen ließ. Schließlich eröffnete er im Jahr 1801 die erste Zuckerfabrik Europas im schlesischen Cunern und damit die Grundlage für die hiesige Rübenzuckerwirtschaft. Der Gesamtprozess war sehr aufwendig und bedeutete viel Arbeits- und Muskelkraft. Zum Vergleich: Achard hat in der ersten Kampagne, also der ersten Zuckerproduktion, aus 100 Kilogramm Rüben 3,64 kg Rohzucker gewinnen können. Die Technologie und der Anbau wurden stetig weiterentwickelt. Heute erhält man aus 100 kg Rüben rund 15 – 17 kg Weißzucker, also gereinigten Rohzucker.

Die Geschichte des Zuckers war schon immer politisch

Allerdings ließ der Erfolg des Rübenzuckers auf sich warten, nach wie vor war Rohrzucker aus den Kolonien günstiger. Das änderte sich, als Napoleon Bonaparte 1806 beschloss, den englischen Seehandel durch eine Kontinentalsperre zu blockieren. Kontinentaleuropa war von der Zuckerzufuhr abgeschnitten und immer mehr Rübenzuckerfabriken entstanden. Nach Ende der Kontinentalsperre führte der Konkurrenzkampf zwischen Rohr- und Rübenzucker zu einem drastischen Preisverfall. Mitte des 19. Jahrhunderts wird Zucker so für die allgemeine Bevölkerung erschwinglich. Sowohl die Zuckersiedereien als auch die Rübenzuckerfabriken waren Motor und entscheidende Faktoren der Frühindustrialisierung Deutschlands.

Die Zuckerwirtschaft in Deutschland entwickelte sich erfolgreich weiter. Heute bauen knapp 24.000 Landwirte Zuckerrüben in Deutschland an, in der Zuckerindustrie sind rund 5.100 Menschen direkt beschäftigt. Es gibt noch 18 Zuckerfabriken. Und dennoch – der Preiskampf ist geblieben. Heute verzerren Subventionen für Rohrzucker in Drittländern, Prämien für den Anbau in anderen europäischen Ländern und unterschiedliche Praktiken im Pflanzenschutzmitteleinsatz den Markt für Rübenzucker – zu Lasten Deutschlands.

Franz Carl Achard – Der Wissenschaft verpflichtet

Franz Carl Achard war zeitlebens ein wissenschaftlicher Tausendsassa. Er war Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der Königlich Bayrischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina. Neben der Zuckerherstellung beschäftigte er sich mit der Nutzung einheimischer Pflanzen zur Färbung von Textilien, mit Grassorten zur Verbesserung der Futterversorgung von Nutztieren, mit optischen Telegrafensystemen zur Ersetzung der berittenen Kuriere und mit der Erforschung der Elektrizität. Er war zu Lebzeiten ein anerkannter und berühmter Mann der Wissenschaft.

WVZ / roRo; Fotos: Südzucker AG und WVZ

Q: WVZ

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