Der perfekte Schokoladennikolaus
Ernährung
Forschung nach sensorischer Qualität von Kakao
Ja, es gibt ihn: Den Schokoladen-High Heel eines deutschen qualitätsorientierten Süßwarenherstellers aus Hagen. 125 Gramm leicht und sieben Payback-Punkte gibt es noch dazu. Jetzt ist allerdings eher die Zeit der Schokoladennikoläuse. Rund 150 Millionen werden in der Adventszeit verkauft. Vor rund 200 Jahren sollen die ersten Explemplare entstanden sein. In den ersten Dekaden waren sie noch massiv. Erst seit etwa 100 Jahren werden sie maschinell hergestellt. Und doch dauert es immer noch 24 Stunden von der Schokoladenherstellung bis zum verpackten Weihnachtsmann. Schokolade ist noch immer ein wertvoller und sensibel zu bearbeitender Rohstoff. Für die mittelständisch orientierte Süßwarenindustrie sind Nikolaus und Osterhase aus heller und dunkler Schokolade bei weitem nicht das Hauptgeschäft.
Schlüsselrohstoff
Rohkakao ist ein Schlüsselrohstoff für die deutsche Industrie. Jährlich werden etwa 1,5 Millionen Tonnen Schokolade hergestellt. Das entspricht 40 Prozent der europäischen Gesamtproduktion. Europameisterlich ist auch der Verbrauch. In der EU liegt er bei 5,7 kg pro Kopf und Jahr. Der Durchschnittsbundesbürger genießt elf Kilogramm im Jahr.
Ob für Pralinen, Tafel- oder Trinkschokoladen: Der Schlüsselrohstoff für die Erzeugung von Schokoladen und Schokoladenprodukten ist Rohkakao (Theobroma cacao). Insbesondere für hochwertige dunkle Schokoladen sind Rohkakaos von kontinuierlich hoher sensorischer Qualität unverzichtbar. Die sensorische Qualität von Rohkakao wird von vielen Faktoren bestimmt: Neben dem genetischen Hintergrund der Kakaobäume und den Anbaubedingungen ist vor allem die Verarbeitung nach der Ernte – die Fermentation und die Trocknung – entscheidend für das Aroma des Rohkakaos. Dabei werden in den Kakaosamen die Vorstufen für das Schokoladenaroma gebildet und Bitterstoffe abgebaut. Bei Fehlfermentationen können Fehlaromen entstehen und Mykotoxinkontaminationen (insbesondere mit Ochratoxin A) auftreten. Sensorisch hochwertige Ware zu finden, ist also nicht selbstverständlich.
Außerdem steigt die Nachfrage stärker als das Angebot. In den letzten Jahren gab es immer wieder Angebotsdefizite auf dem Rohkakaomarkt. Die größte Lücke gab es 2006/2007 mit mehr als 300.000 Tonnen.
Definierte Herkunft
Verbraucher fragen bei Schokolade stärker nach Herkunft und lassen sich längst von vielversprechenden Aromen spezieller Anbaustandorte verwöhnen. Das Kakaoaroma setzt sich aus einer Vielzahl von Bitter- und Süßstoffen, blumigen, fruchtigen und nussigen Noten zusammen. Die Definition des Kakaoaromas hat längst die Exklusivität von Premiumweinen erreicht. Durch Trocknung und Fermentation nimmt diese Adstringenz genannte Charakteristik ab. Die Nachbehandlung entscheidet am Ende, wie der Rohstoff für die Schokoladenherstellung beschaffen ist und schmeckt. Weil es keine eindeutige Prozesskontrolle gibt, kann das Ergebnis sehr stark variieren.
Neben physiologishen Eigenschaften des Kakaosamens können offenbar auch Stoffe aus der Fruchtpulpa zur Geschmackscharakteristik beitragen.
Forscherteams aus Peru und Deutschland
Noch bis nächstes Jahr forscht seit 2016 ein deutsch-peruanisches Team an „Qualitätsverbesserten Kakao- und Kakao-basierten Produkten mit Aromenprofilen nach Bedarf“. Neben Lebensmittelchemikern und Ernährungswissenschaftlern aus Hamburg und dem Julius Kühn-Institut in Berlin sind auch die peruanischen Universitäten in Lima daran beteiligt.
Ziel ist die Erfassung aller Arbeitsschritte von der Ernte bis zur finalen Schokoladenherstellung, um die verschiedenen Einflüsse auf den Geschmack, von der Auswahl der Baumgenetik, Analyse der Fruchtpulpa, die Starterkulturen mitsamt Fermentationsprozess und die Trocknung zu bestimmen.
Mit diesem Rüstzeug kann die deutsche Süßwarenindustrie mit ihrem Umsatz von jährlich 12,5 Milliarden Euro im Dienste der Kunden profitieren. Da Süßwaren für jährlich 3,3 Milliarden Euro exportiert werden, können die kleinen und mittelständischen Unternehmen Premiumqualitäten „Made in Germany“ für neue Absatzmärkte anbieten.
Dazu wollen die Forscher ein Handbuch für die Kakaoverarbeitung erstellt werden. Mit „Flavour on Demand“ können die Hersteller verschiedene Verbraucherwünsche bedienen. Schnelltests sollen die Prozesskontrolle die Qualität sicherstellen.
Kakao aus Afrika
Mittlerweile liegt das Hauptanbaugebiet für Kakao nicht mehr in Mittelamerika. Etwa ein Drittel der weltweit 4,4 Millionen Tonnen Rohkakao kommen aus der Elfenbeinküste. Es folgen Ghana und Indonesien. Knapp ztehn Länder stemmen 97 Prozent der Weltkakaoerzeugung.
Lesestoff:
Forschungskreis der Ernährungsindustrie www.fei-bonn.de
Roland Krieg; Foto: roRo