Der Weihnachtsstollen aus dem Bergwerk

Ernährung

Der Weihnachtsstollen aus dem Bergwerk

Während in Willingen, dem bekannten Urlaubsstädtchen im Hochsauerland, die Sommergäste durch den Ort flanieren, kommt Bioland-Bäcker Wolfgang von der Heide dick vermummt aus der Backstube. Sein Ziel ist die „Grube Christine“, ein Bergwerk, in dem bis in die achtziger Jahre hinein Schiefer abgebaut wurde. Hier lagert er seine Weihnachtsspezialität, den „Christinen-Stollen“. Dieses Traditionsgebäck stellt der Bäcker bereits ab Juli her und lässt ihn in dem feuchtkalten Klima des Berges in Ruhe zum vollendeten Geschmack reifen.

von der Heide vor dem StolleneingangBacken ist Leidenschaft
Wolfgang von der Heide ist in Willingen geboren. Ein Ort, der zum sogenannten Upland gehört. Das Upland ist ein Teil des Sauerlandes und liegt in Hessen, an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Schon seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts kamen Urlauber von nah und fern hierher, um in der landschaftlich reizvollen Gegend zu wandern. „Wir Upländer haben eine raue Schale und einen weichen Kern“, erzählt von der Heide. Und die Upländer waren immer schon weltoffen und gute Kaufleute. Auch Wolfgang von der Heide ist gelernter Bürokaufmann und weiß mit Zahlen umzugehen. Er kommt aus einer alten Bäckerfamilie, sein Vater ist Konditor- und Bäckermeister und führte neben der Backstube auch ein Café. Sohn Wolfgang machte nach seinem Abstecher in die Finanzwelt eine Ausbildung zum Konditormeister. Die süßen Stückchen interessierten ihn aber weit weniger als das Brot. Er begann, die Brote in der Bäckerei seines Vaters zu backen und sich intensiv mit dem Vorgang des Backens auseinander zu setzen. „Ich backe aus Leidenschaft. Backen macht mir einfach Spaß.“ erklärt der 48-jährige schmunzelnd. Was ihn jedoch mit der Zeit zunehmend störte, waren die fertigen Backmischungen. „Das wollte ich irgendwann nicht mehr und habe damit aufgehört. Bei mir wird keine Tüte mehr aufgerissen“, erzählt er selbstbewusst, “Ich lege Wert darauf, handwerklich gekonnt Brote zu backen. Geschmacksverstärker und gentechnisch veränderte Lebensmittel braucht kein Mensch“, ist sich der engagierte Bäcker sicher.“ Er experimentiert gerne, ändert Rezepturen und entwickelt gänzlich neue Produkte – so wie er sich beispielsweise ein Brot mit einem hellen und einem dunklen Teig ausdachte, zu dem er durch den Marmorkuchen angeregt wurde. Doch seine ganz besondere Spezialität ist sein Christstollen zu Weihnachen.

Familienrezepte
Wolfgang von der Heide ist ein engagierter Bürger, der in verschiedenen Gremien mitmischt. So war er dabei, als im Willinger Gemeinderat über die Nutzung des alten Schieferstollens „Grube Christine“ gesprochen wurde. Was sollte man mit der stillgelegten Grube anfangen? Ihm kam die Idee, seinen Weihnachtsstollen im Bergwerk reifen zu lassen. Das Stollenbacken hat in der Region eine jahrhundertealte Tradition, schon immer wurde der Stollen im Frühherbst gebacken und an einem feuchten Ort bis Weihnachten gelagert. Jede Familie hatte früher ihr eigenes, überliefertes Rezept, das sie wie einen Schatz hütete. So auch die von der Heides, die diese Tradition fortführen. Bei ihnen wird der Stollen in liebevoller Handarbeit gefertigt - jeder Stollen geht 12 mal durch die Hand, wird geknetet und geformt. Sein Geheimnis liegt in der Reife. Diese macht aus einem guten Stollen einen besseren, denn ein Stollen sollte mindestens vier Wochen reifen, um sein Aroma zu entfalten. Zeit dazu bekommt das Gebäck in der feuchtkalten Luft der Grube Christine bei konstanten 8 Grad Celsius. Hier herrschen ideale Bedingungen und der Stollen entwickelt seinen saftigen, besonderen Geschmack. Die Deutsche Landwirtschaftliche Gesellschaft hat den „Christinenstollen“ deshalb schon mehrmals prämiert. Wolfgang von der Heide war der erste, der seinen Weihnachtsstollen im Bergwerksstollen lagerte. Diese Idee war so erfolgreich, dass aus den anfänglichen 700 kg Stollen heute 16.000 kg Stollen geworden sind. Und dass bei von der Heide in der Backstube zehn Leute arbeiten. Dazu hat er noch zehn weitere Angestellte - denn der Stollen wird nicht nur neben selbst gebackenen Brot, Brötchen und Kuchen im hauseigenen Laden angeboten, sondern bundesweit verschickt. „Wir sind ein reines Familienunternehmen“ betont Wolfgang von der Heide. „Meine Frau arbeitet im Cafe mit, mein ältester Sohn wird in den Betrieb mit einsteigen.“

Bioland-Bäcker aus Leidenschaft - nicht nur zur Weihnachtszeit
Die Umstellung auf Bio war für Wolfgang von der Heide ein logischer Schritt und so wurde er einer von über 330 Bioland-Bäcker in Deutschland. „Bioland liegt genau auf meiner Linie. Ich will meinen Kunden qualitativ hochwertige Produkte anbieten. Besser geht’s nicht“ ist er sich sicher. Und schwierig war für ihn die Umstellung auch nicht. „Der Produktionsprozess war vorher schon handwerklich und bedurfte keiner großen Änderungen“ erzählt er. „Aber die Zutaten wurden komplett auf Bio umgestellt.“ Am Anfang musste er sich die Rohstoffe in Bioland-Qualität zusammenstellen und Lieferanten auswählen. Alle Zutaten für die Produkte seiner Backstube stammen soweit wie möglich von regionalen Bioland-Höfen. Die Gewürze kommen aus der ganzen Welt und sind ökologisch angebaut. Von der Heide mischt sie in seiner Backstube selbst. Auch der Sauerteig für die Brote wird selbst hergestellt und kein Fertigsauerteig verwendet. „Ein Bioland-Bäcker braucht viel Fingerspitzengefühl und handwerkliches Können, damit seine Backwaren gut werden, während in konventionellen Bäckereien der Backvorgang schneller geht und maschinengängige Teige benutzt werden, die viel aushalten. Da gelingt das Brötchen auf jeden Fall“, erklärt von der Heide.

In der BackstubeGeheimnis „Vorteig“
In der Bioland-Bäckerei werden alle Backwaren mit großem Aufwand in Kleinarbeit angefertigt. Den guten Geschmack mache laut von der Heide die Vorteigführung aus, da hier die Inhaltsstoffe des Getreidekorns aufgeschlossen werden. Das heißt, es werden natürliche Enzyme gebildet. Alle Teige werden mit einem Vorteig gebacken und haben ausreichend Zeit zum Gehen. So entstehen durch langes Kneten und Ruhen Backwaren mit einem aromatischen Geschmack. Von der Heides Brote weisen neben dem hervorragenden Geschmack auch eine gute Bekömmlichkeit auf. Und das wissen die Kunden zu schätzen, die bei ihm einkaufen. „Ich will den Menschen eine Alternative zeigen“, erklärt der überzeugte Verfechter des Bioland-Gedankens. „Und ihnen zeigen, wie es auf natürliche Art und Weise geht. Bei mir wird ohne Hilfsmittel und Zusatzstoffe gebacken.“ Die Bioland-Richtlinien sind diesbezüglich sehr streng und gehen über die EU-Bio-Richtlinien hinaus. So sind nur Zusatzstoffe erlaubt, die für den Kunden unbedenklich sind. Zum Beispiel muss auf Ascorbinsäure zur Stabilisierung des Mehls verzichtet werden. Ebenfalls nicht erlaubt sind künstliche Enzyme. Sie stehen im Verdacht, bei den Bäckern Allergien auszulösen. Die Frische ist ein weiteres, wichtiges Merkmal, zugekauftes Mehl muss innerhalb von sechs Wochen aufgebraucht werden.

Ideenreiche Zukunft
Durch seine verschiedenen Ausbildungen und den Betrieb der Gastronomie – von der Heide führt neben der Bäckerei ein Cafe und ein Restaurant – fallen ihm laufend neue Ideen ein. „Ja, ich möchte noch viele Projekte realisieren“ gibt er lächelnd zu. Das bisher Erreichte ist dem energiegeladenen Bäckermeister nicht genug. So bereitet er unter anderem eine Zusammenarbeit mit dem BioHotel in Willingen vor, das mit Unterstützung von Bioland 100 Prozent biologisches Essen und Trinken anbietet. Außerdem bietet er seit kurzem Führungen durch das Bergwerk an, bei denen er seinen Stollen in dem besonderen Ambiente der Grube flambiert. Wolfgang von der Heide - ein Bäcker mit flammenden Ideen.

Gerald Wehde (Bioland); Fotos: wdv/Bernhard Rüttger

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