"Dicke Kinder und euphorische Rapsbauern"

Ernährung

VZ sorgt sich um Biomasseboom

Prof. Edda Müller, Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband warf gestern im Vorfeld der Grünen Woche einen kritischen Blick auf den Biomasse-Boom. Nachwachsende Rohstoffe sind ein Nachfragemarkt und viele Bauern beginnen die ertragreichen Energiepflanzen in ihre Fruchtfolgen einzuplanen. Die Bundesregierung hat sich mit der BtL-Technik auf eine noch größere Dimension eingelassen, Biokraftstoffe der so genannten zweiten Generation zu realisieren. Das bringt nach und nach kritische Stimmen hervor.

Keine „Turbolandwirtschaft“
So warnte Prof. Müller zum Auftakt IGW vor „verbraucherpolitischen Fehlentscheidungen“: „Eine Turbolandwirtschaft, um den viel zu hohen Treibstoffbedarf im Verkehr zu stillen, ist eine Sackgasse.“ Würde die Energiewirtschaft die gleichen Fehler wiederholen, wie bei der klassischen Agrarwirtschaft drohe „die gleiche Abwärtsspirale aus Massenproduktion, Preisverfall, Industrialisierung der Landwirtschaft und ökologische Verödung.“ Die Nutzung von Biomasse steht bei den Verbraucherschützern nicht in Frage, aber ihnen ist das „wie“ von Bedeutung. Mit Blick auf die Palmölproduktion in Indonesien, für die Regenwald abgeholzt wird, sieht sie internationale Mineralölkonzerne auf weltweite Einkaufstour gehen. Das Ziel ist, Abfallprodukte dezentral in Strom und Wärme zu verwandeln. Gerade die BtL-Technik sei die richtige Nutzung, da für das Synthesegas keine hochwertigen Feldfrüchte wie Raps, Rüben oder Gerste erforderlich sei.
Allerdings wollte Herd-und-Hof.de wissen, welche Strategien möglich sind, den Konkurrenz- und Intensivierungsdruck bei Energiepflanzen herauszunehmen. Angesichts des hohen Investitionsvolumen der neuen BtL-Anlagen unterliegen auch die neuen Rohstoffe ökonomischen Kriterien. So weit sind die Verbraucherschützer aber noch nicht. Zur Zeit gilt das Credo, Holz oder pflanzliche Abfälle dezentral zu verwenden. Der Beimischungszwang von Biodiesel vermittele, so Müller, die Illusion, dass es leichte Lösungen gäbe.

Wachstum Energiemais
Dem Maisanbau prognostizieren Experten „goldene Zeiten“. Wissenschaftler Thomas Breuer vom Bonner Institut für Lebensmittel- und Ressourcenpolitik legte auf der Tagung des Rationalisierungs-Kuratoriums für Landwirtschaft in Neumünster (Schleswig-Holstein) nach Angaben des aid infodienst Modellrechnungen für den Landkreis Borken vor. Dort sollen im Jahr 2010 bereits auf 50 Prozent der Ackerfläche Mais stehen.
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Außerdem sieht Prof. Müller die sich verschärfende Preissituation bei Lebensmitteln. Die wachsende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen verschärfe die Konkurrenz zwischen „Brot und Energie“.

Tafel-Freuden?
In einem aktuellen Dossier, dass ebenfalls gestern vorgestellt wurde, ermittelten die Verbraucherzentralen bei allen Bundesländern, wie sie es mit der Schulverpflegung halten. Hintergrund ist, dass viele Kinder eher ein Pausengeld statt einem Pausenbrot mit auf den Weg bekämen. Die Automaten und Kioske in den Schulen bieten aber Lebensmittel an, die zu süß, zu fett und zu salzig sind. Das Ergebnis der Umfrage zeigt, dass es überall an verbindlichen Vorgaben fehle, aber viele gute Einzelbeispiele gibt. So sieht das Schulgesetz von Sachsen-Anhalt ein warmes Vollwertmahl zu sozial angemessenen Preisen vor. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern glänzen mit Schulgesetzen für eine Milchversorgung und Berlin hat eigene Qualitätskriterien für die Ausschreibung von Catering-Unternehmen erstellt. Prof. Müller forderte in einem Sechs-Punkte Programm die Bundesländer auf, die Qualität des Schulessens und der Ernährungsbildung voran zu bringen. So steht an erster stelle, dass die Länder eine gesundheitliche Ernährung in die Schulgesetze aufnehmen sollen. Die Schulen dürfen mit deren Organisation nicht alleine gelassen werden und das Verbraucherministerium solle die aktuelle Situation regelmäßig evaluieren.

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Uta Nehls, Referentin für Gesundheit und Ernährung der Neuen Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern stellte die Programme vor, die das nördliche Bundesland im vergangenen Jahr durchführte. Es sei schwer gegen Obstzwerge und Lachbonbons anzugehen, sagte sie, aber mit 228 Veranstaltungen haben sie 4.261 Kinder erreicht. „Kinderlebensmittel sind überflüssig und erzeugen Verpackungsmüll“ und die Aufgabe bestehe darin, Kinder hinter die Kulissen blicken zu lassen. Kinder müssen lernen hinter die Werbung zu schauen und beispielsweise wie viel Zucker in Lebensmitteln vorhanden ist. Mit dem Projekt „Schokologie“ konnten die Trainer den Kindern auch den internationalen Aspekt von Erzeugung, Vermarktung und Verzehr nahe bringen.
Auf der Grünen Woche haben die Verbraucherzentralen den Stand 202 in der Halle 4.2 / Stand 202.

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