Die Aroma-Manufaktur

Ernährung

15.07.13 Aromen wie von frischgepressten Orangen

290 Liter nicht-alkoholische Getränke genießt der Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr. Gesundheit und Wellness lassen den Marktanteil der Erfrischungsgetränke wie Limonaden, Wässern und Fruchtsaftgetränken stetig nach oben steigen. Fruchtsäfte und Fruchtnektare stellen mit 37 Litern pro Kopf und Jahr einen nicht unerheblichen Anteil der Getränke. Die Deutschen liegen damit neun Liter vor den Amerikanern und 13 Litern vor dem europäischen Durchschnitt. Die beliebtesten Fruchtsäfte stammen vom Apfel und Orange. Orangensaft wurde erst im letzten Jahr wieder vom Apfelsaft eingeholt.

Weltweit ist jeder zweite Fruchtsaftliter aus Orangen gepresst.

Fruchtsaftlexikon

Fruchtsaft darf nur dann diesen Namen tragen, wenn er aus 100 Prozent Frucht gewonnen ist. Fruchtnektar hingegen hat nur einen Fruchtanteil zwischen 25 und 50 Prozent. Johannisbeeren und Sauerkirschen eignen sich beispielsweise geschmacklich nicht für die Herstellung von Fruchtsäften. Daher gibt es sie nur als Nektar. Fruchtsaftgetränke weisen zwischen sechs und 30 Prozent Fruchtgehalt auf und sind eine bunte Mischung aus Konzentrat, Fruchtmark und Wasser sowie Aromaextrakte. Seit einigen Jahren haben die Fruchtsaftschorlen Einzug als bereits fertige Mischung in die Regale gehalten. Diese können noch mit Zucker gesüßt worden sein und enthalten Wasser mit Kohlensäure.
Der Fruchtsaft kann nach als Direktsaft oder aus Konzentrat hergestellt werden. Fruchtsäfte dürfen eine so genannte „Korrekturzuckerung“ erhalten, wenn aus Gründen der Witterung zu wenig Eigenzucker vorhanden ist. Die Verwendung von maximal 15 Gramm je Liter muss auf dem Etikett angegeben sein.
Der Direktsaft hat sich als Qualitätsmerkmal in der Produktion etabliert. Aber: Was für die heimische Streuobstwiese noch praktikabel ist, bedeutet vor allem für exotische Früchte, wie Orangen, einen aufwändigen Transport von Wasser.

Die Saftherstellung

Die Orangen stammen aus dem so genannten „Zitrusgürtel“, der sich zwischen dem 40. und 35. Grad nördlicher Breite erstreckt. Zwei Drittel der weltweit gehandelten Zitrusfrüchte sind Orangen, die schon vor mehr als 4000 Jahren in China kultiviert wurden. Wegen der vergleichbaren Form mit dem Apfel haben die ersten orangefarbigen Früchte, die im 16. Jahrhundert über Portugal Europa erreichten, den Namen „Apfel aus China“ erhalten. Namensgebend waren das norddeutsche und niederländische „appelsien“ und „sinaasappel“.
Heute stammen rund 80 Prozent der verarbeiteten Orangen aus Brasilien. Dort werden die geernteten Früchte nach der Reinigung in einer großen Saftpresse verarbeitet. Neben dem Saft entsteht Schalenöl, das mit Wasser aus der Anlage ausgespült werden muss, um Geschmacksfehler zu vermeiden. Der Orangensaft wird in einem zweiten Schritt vom Fruchtfleisch getrennt und kann nach Pasteurisierung abgefüllt werden. Das abgetrennte Fruchtfleisch ist die Pulpe. Bei der Konzentratherstellung entsteht neben dem Oangensaftkonzentrat die Aromafraktion. Die Aromen sind in einer wässrigen und in einer öligen Phase enthalten und werden von den Fruchtsaftexperten als „Aromawasserphase“ und „Essenzöl“ bezeichnet. Das Konzentrat wird auf 65 Prozent der Trockenmasse konzentriert.
Aus 10.000 Kilogramm Orangen entstehen durchschnittlich 5.600 Kilogramm Saft, 4.400 Tonnen Schalen und Pulpe, 22 Kilogramm Schalenöl, zehn Kilogramm Wasserphase und ein bis drei Kilogramm Ölphase [1]. Aus drei Liter Konzentrat werden in Deutschland wieder drei Liter Saft gemacht.

Aromen

Aromen sind äußerst flüchtige Verbindeungen, die für die menschliche Wahrnehmung gleich ein ganzes „Set“ an Molekülen anbieten. In frischem Orangensaft werden heute rund 200 Aromastoffe identifiziert, die einzelnen getestet in ihrer Beschreibung von fruchtig über geranienartig bis minzig beschrieben werden.
Doch was so komplex in der Orange vorhanden war, muss bei der Rekonstituierung am Abfüllort auch wieder zugefügt werden. Das Konzentrat wird mit Wasser und der Aromawasserphase sowie dem Essenzöl wieder aromatisiert. Nach Fruchtsaftverordnung müssen Aromen und Konzentrat nicht unbedingt aus derselben Fruchtrohware stammen. Die hohe Kunst besteht darin, das Aromamuster wieder so einzufügen, dass es dem Original entspricht. Das ist in der Fruchtsaft-Verordnung auch so vorgeschrieben.
Doch: „Derzeit steht den deutschen Fruchtsaftherstellern kein Verfahren zur Verfügung, um bei der Rekonstituierung aus analytischen Daten von Konzentrat, Aromawasserphase und Essenzöl, die sensorische Qualität des rekonstituierten Safts über die Auswahl und Dosage der Komponenten gezielt zu steuern.“ Daher forschen die Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in Freising und der Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik von der TU München im Auftrag des Verbandes der Deutschen Fruchtsaftindustrie an der Aufklärung der „Konzentrations-Wirkungs-Zusammenhänge“. 2014 sollen die Aroma und Geschmack Schlüsselstoffe zur Verfügung stehe, die ursächlich für die sensorische Qualität verantwortlich sind. Dann können die Betriebe exakt bestimmen, mit welchen Konzentrationen von Wasser und Aromen sie das Konzentrat zu einem sensorisch einwandfreien Produkt rekonstituieren müssen. Das kann zu einem Marktvorteil führen.

Direktsaft oder Konzentrat?

Chemisch gesehen liegen die Aromaverbindungen Linalool, Oktanal, Dekanal, (R)-Limonen und Mycren beim rekonstituierten Orangensaft in größeren Konzentrationen vor. Aber: Konzentrat oder Direktsaft ist keine Frage von „öko“ oder „konventionell“. Beide Produktionsrichtungen haben beides im Angebot. Und ob Direktsaft besser als Konzentrat ist, konnte Öko-Test im November 2011 auch nicht klären: Im Orangensaft-Test standen ein Discounter-Direktsaft und ein Bio-Konzentrat gleichzeitig auf dem ersten Platz.

Lesestoff:

Das Projekt „Optimierung der Rekonstituierung von Orangensaft aus Konzentrat auf der Basis aroma- und geschmacksaktiver Verbindungen“ ist Projekt des Monats beim Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI) www.fei-bonn.de

[1] Mareike Busse, Bestimmung von Aromastoffen in Apfel- und Orangensäften, Dissertation Paderborn 2011

Roland Krieg: Grafik Verband der Deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF)

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