Die Mär vom Wirtschaftswachstum gegen Mangelernährung

Ernährung

Gegen Unterernährung nicht nur auf die Wirtschaft setzen

In einer gemeinsamen Studie haben die Georg-August-Universität Göttingen, die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, die Harvard School of Public Health und das Indian Institute of Technology das Fazit gezogen, dass Wirtschaftswachstum alleine nicht ausreicht, um Unterernährung zu bekämpfen.

Grundlage ist eine Datensammlung aus 27 Jahre in 36 Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Daten stammen aus 121 repräsentativen Demografie- und Gesundheitsumfragen in Verbindung zur Änderung des Bruttoinlandsprodukte und Wachstumsstörungen und Untergewicht bei rund 470.000 Kindern unter drei Jahren.

Nicht signifikant

Die aufwändige Datenflut zeigte keinen statistischen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Unterernährungsraten auf Länderebene. Auf individueller Ebene führt eine fünfprozentige Steigerung des BIP zu einer kleinen Verringerung der Chance, unter einer Wachstumsstörung zu leiden (0,4 Prozent), untergewichtig zu sein (1,1) oder niedrigeres Gewicht für die Körpergröße zu haben (1,7). In den ärmsten Haushalten, die ein besonderes Risiko aufweisen, unterernährt zu sein, ist dieser Zusammenhang allerdings statistisch nicht signifikant.

Drei Ursachen

Drei mögliche Ursachen führen die Wissenschaftler für das überraschende Ergebnis an. Zusätzliches Einkommen geben die Haushalte nicht für die Ernährung aus. Wirtschaftswachstum ist innerhalb eines Landes ungleich verteilt und erreicht die armen Haushalte nicht. Steigende Einkommen werden nicht mit notwendigen öffentlichen Investitionen in sanitäre Anlagen, Trinkwasseraufbereitung oder Impfungen begleitet.

„Unsere Studie zeigt, dass der Beitrag von Wirtschaftswachstum zur Bekämpfung von Unterernährung von Kindern in Entwicklungsländern offenbar verschwindend gering ist“, erklärt der Erstautor der Studie, Juniorprofessor Dr. Sebastian Vollmer von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen. „Das bedeutet nicht, dass ökonomische Entwicklung nicht wichtig ist. Aber die Ergebnisse sind eine Mahnung an politische Entscheidungsträger, sich nicht alleine auf die Heilkräfte des Wirtschaftswachstums zu verlassen. Stattdessen sind direkte Investitionen erforderlich, welche die allgemeine Ernährungslage verbessern oder die Häufigkeiten von Infektionen reduzieren.“

Lesestoff:

Originalveröffentlichung: S. Vollmer, K. Harttgen, M. Subramanyam, J. Finlay, S. Klasen, SV Subramanian (2014). Association between economic growth and early childhood undernutrition: evidence from 121 Demographic and Health Surveys from 36 low-income and middle-income countries. The Lancet Global Health 2(4)

roRo

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