Die Riesenerbse aus Lettland

Ernährung

Phil Hogan bringt Erbsenzertifikat persönlich nach Lettland

EU-Agrarkommissar Phil Hogan weilte vergangene Woche zwei Tage offiziell in Lettland. Neben reden zur Agrarpolitik und Finanzhilfe konnte er den Letten auch ein historisches Zertifikat persönlich überbringen. Eine lokale Erbsensorte wurde von der EU als erstes Lebensmittel aus Lettland mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.) ausgezeichnet.

Lettland ist eines der Länder, das am meisten unter dem russischen Embargo und dem Verfall von Fleisch- und Milchpreise leidet. Lettland erhielt nach Einführung des Embargos 8,5 Millionen Euro Soforthilfe für den Milchmarkt. Das entspricht der Summe, die das Land in der aktuellen Förderperiode jährlich für Direktzahlungen bekommt.

In Riga warnte Hogan aber, dass die EU-Mittel begrenzt sind und die Flüchtlingshilfe Finanzen aus der Krisenreserve bindet. Die Mittel für die Landwirtschaft aus Brüssel werden spärlicher fließen.

Um die Belastungen für die Landwirte zu verringern hat er von Landwirtschaftsminister Janis Duklas Vorschläge für Bürokratievereinfachungen entgegengenommen. Um den Agrarmarkt im Baltikum in Schwung zu bringen forderte Hogan Diversifizierung und die Eroberung von neuen Exportmärkten ein.

Die Riesenerbse aus Lettland

Das g.U.-Zertifkat bezieht sich auf eine lokale Erbse, die bis auf einen schmalen Streifen an der Ostseeküste im ganzen Land angebaut wird. Sie hat mit 80 bis 115 Tagen eine sehr lange Vegetationsdauer, doch das milde und feuchte Klima sorgt für eine optimale Wachstums-, Blüte- und Fruchtentwicklung. Die Erbse wächst auf kalkhaltigen Lehmböden mit einem pH-wert von 7. Die Erbse „Retrija“ der maculatum-Sorte der Futtererbse Pisum sativum L. produziert ein großes und sehr grobes Samenkorn mit marmorierter grau scheinender Zeichnung und einem schwarzen Nabelfleck. Der Eiweißgehalt beträgt bis zu 34 Prozent mit einem Lysingehalt von bis zu 11,4 Prozent. Das Tausendkorngewicht liegt zwischen 360 und 380 Gramm.

Das getrocknete Samenkorn nennen die Letten „Latvijas lielie pelékie zirni“ und wird zusammen mit der Samenschale nur etwa zehn Minuten gekocht. Dann hat die Erbse ihre mehlige Konsistenz mit einem milden Geschmack, der durch die Samenschale entstanden ist, erreicht. Durch die Schale zerfällt sie beim Kochen auch nicht.

Für die Qualität der lettischen Spezialität ist zwischen Juni und Juli eine bestimmte Feuchtigkeit notwendig, die neben der Korngröße auch die Hautfestigkeit bestimmt. Zu viel Feuchtigkeit verzögert die Reife, zu wenig macht die Körner klein. In beiden Fällen verlängert sich die Kochdauer, was den typischen Geschmack verschlechtert. Die Landwirte müssen daher die Erbse im letzten Aprildrittel, spätestens Anfang Mai säen.

Der Anbau dieser Erbsen hat in Lettland eine lange Tradition und geht auf das 18. Jahrhundert zurück. Das staatliche Institut für Pflanzenzucht in Priekuli hatte 1945 die Selektion vorgenommen, um Sorten mit bitterem Geschmack auszusortieren. Die Züchter haben schließlich mit „Retrija“ die aktuelle Sorte auf die Felder gebracht. Die Erbse wird nicht in Reinkultur, sondern im Verhältnis 1:2 oder gar 1:1 mit Hafer, Gerste oder Sommerweizen ausgesät. Die Ernte erfordert viel Sorgfalt, da die reifen Samen leicht in zwei Teile zerfallen.

Bis zur Einführung der Kartoffel im 19. Jahrhundert waren Erbsen neben Gerste und Bohnen Hauptnahrungsmittel der Letten. Wer heute nach Lettland reist sollte unbedingt Pelekie zirni mit Speck als typische Speise kosten.

Ländliche Wirtschaft

Pelekie zirni wird die wirtschaftlichen Ausfälle nicht ausgleichen. Das Zertifikat aber wird dem ländlichen Raum beispielhaften Schwung bringen und beim Export auf sich aufmerksam machen.

Die Speise gilt als Verbindung in der ländlichen Entwicklung zwischen Landwirtschaft, dem verarbeitenden Sektor und Unternehmen bei der Sicherung von Arbeitsplätzen und Generierung von Wertschöpfung, erklärte Hogan. Europäische Finanzbudgets sind daher ein wichtiges Hilfsinstrument für die Entwicklung des Agrarsektors, wie der European Agricultural Fonds for Rural Development (EAFRD). Mit dessen Geldern, die nach Hogan als Sicherheit für Investoren gelten, werde privates Kapital in den Sektor geholt. Ähnliches gilt für den Europäischen Fonds für die regionale Entwicklung (ERDF). Hogan ermunterte die Letten, Geschäftsideen für neue Produkte, Verbesserung der Wassereffizienz oder Ausweitung von Verarbeitungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Roland Krieg, VLE

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