Durch Steppke länger leben

Ernährung

Zentrale Stellschraube im Insulinstoffwechsel entdeckt

Wie groß Pflanzen und Tiere maximal werden können ist in ihren Genen festgeschrieben. Umwelteinflüsse jedoch verhindern, dass dieses Potenzial voll ausgeschöpft ist. Einer dieser Umwelteinflüsse ist Insulin.
Säugetiere schütten das Hormon nach dem Essen als Reaktion auf den angestiegenen Blutzuckerspiegel aus. Über eine komplizierte Signalkette regt Insulin Muskeln und Organe an, den Blutzucker vermehrt aufzunehmen. Auch noch während des Wachstums entscheidet die Insulin-Kaskade über Größe und Zahl der Körperzellen.

„Steppke“ sorgt für kleinen Wuchs
Vor etwa 10 Jahren haben Wissenschaftler mit Cytohesine neue Zellproteine gefunden, die auf die Immunabwehr wirken. Wissenschaftliche Neugier trieb Forscher des neuen interdisziplinären LIMES Zentrums (Life & Medical Science) der Universität Bonn an, einmal nachzuschauen, ob Cytohesine auch in der Taufliege Drosophila existieren und welche Aufgaben sie dort einnehmen. In der Tat fand das Team um Entwicklungsphysiologe Prof. Dr. Michael Hoch ein vergleichbares Protein. Zunächst fanden sie heraus, dass es Kleinwüchsigkeit hervorruft, wenn es defekt ist. Da hatte es den Namen „Steppke“ weg. „Taufliegen-Larven werden in den ersten drei Tagen nach dem Schlüpfen 200mal schwerer. Wenn bei ihnen das Steppke-Gen mutiert ist, wachsen sie deutlich langsamer“, beschreibt Dr. Hoch.
Aber sie fanden noch mehr heraus: Steppke übernimmt in der Insulinsignalkette zur Aufnahme des Blutzuckers eine Schlüsselrolle.

SecinH3 hemmt Cytohesin
Parallel hatte Dr. Michael Famulok einen Wirkstoff hergestellt, der Cytohesine hemmt. Leberzellen von Mäusen, die mit dem SecinH3 genannten Wirkstoff gefüttert wurden, zeigten in der Tat keine so starke Reaktion mehr auf das nach dem Essen ausgeschüttete Insulin, teilt die Universität Bonn mit. Mediziner kennen diesen Effekt der Insulin-Resistenz: Ein Warnsignal für eine entstehende Typ II-Diabetes. Die ist auch zum Teil schon beim Fötus vorprogrammiert, wie Wissenschaftler an der Berliner Charité kürzlich herausfanden.
Möglicherweise haben die Bonner Forscher, die ihre Ergebnisse am 14. Dezember in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht haben, nun einen Schalter gefunden, der eine Re-Programmierung hervorrufen könnte.
In Deutschland leiden rund sechs Millionen Menschen an Diabetes mellitus, die durch falsche Ernährung und Bewegungsmangel ausgelöst wird. Dr. Famulok hält nun auch Medikamente für möglich: Cytohesine aktivieren offensichtlich eine Reihe von Schaltermolekülen, die für die Signalkaskade notwendig sind. „Wenn es uns gelingt, die Schaltermoleküle mit einem geeigneten Wirkstoff zu stimulieren, könnten wir damit die Insulin-Resistenz vielleicht rückgängig machen.“

Langes Leben durch Gendefekt?
Das Gen, das Steppke produziert scheint n der Evolution ein sehr starkes zu sein, denn es ist seit einer Milliarde Jahre fast unverändert. Taufliege und Maus hatten einen gemeinsamen Vorfahren, der vor rund 900 Millionen Jahren lebte. Steppke und das Maus-Cytohesin sind sich aber immer noch so ähnlich, dass der Hemmstoff SecinH3 auf beide wirkt. Fliegen, die mit SecinH3 gefüttert wurden, sind nicht nur kleinwüchsig, sondern wiesen noch einen weiteren Aspekt auf: Sie lebten deutlich länger als ihre Artgenossen: „Ein spannender Effekt. Den müssen wir unbedingt weiter untersuchen“, findet Hoch.

VLE

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