Echt scharf
Ernährung
Hoher Capsaicingehalt kann gefährlich werden
Die eine Mitstreiterin scheidet wegen Übelkeit aus, der
andere schwitzt, verdreht die Augen und legt die Hand auf den Bauch. Und
verzichtet dann auf die nächste Runde.
Drei halten tapfer durch und bekommen wieder rote Sauce
vorgesetzt, die der Schiedsrichter mit reinem Capsaicin zuvor auf die nächste
Scoville-Stufe beförderte. „Fiery Foods Competition“ heißt der Wettkampf im
„Scharf essen“. Gewonnen hat, wer übrig bleibt - Zu sehen derzeit fast täglich
in den TV-Magazinen am frühen Abend.
Doch wie schädlich sind diese Wettbewerbe?
Scharfe Tradition
Früchte wie Paprika und Chilischoten sind für den
scharfen Geschmack verantwortlich. Chemisch gesehen ist es die Wirkstofffamilie
der Capsaicinoide, von denen das Capsaicin zwei Drittel bis 75 Prozent der
Schärfe ausmacht.
Scharfes Essen ist in der arabischen, afrikanischen,
südamerikanischen und asiatischen Welt traditionell. Dort treten
Unverträglichkeiten nur in Verbindung mit allergischen Reaktionen auf. Dort
wird aber auch nicht so scharf gegessen, wie es bei den Wettbewerben üblich
ist. Normal scharf ist die Aufnahme von fünf Milligramm Capsaicin je Kilogramm
Körpergewicht und Tag. Es wird aber munter nachgewürzt und beim Asiaten die
Bestellung auch im Alltag mit „Extra scharf“ aufgerundet.
Mediengerecht gefeierte Selbstverletzung
Die Wissenschaft hat zahlreiche Belege für ernsthafte
und gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Schleimhautreizungen, Übelkeit,
Erbrechen oder Bluthochdruck.
Capsaicinoide führen nach Auskunft des Bundesinstituts
für Risikobewertung über die Reaktion mit einem Rezeptor im Mund zur Erregung
von peripheren nociceptiven Neuronen. Das sind Nerven, die für schädigende
Wärme- und Schmerzreize verantwortlich sind.
Dadurch werden Substanzen freigesetzt, die eine lokale
neuronale Entzündung verursachen. An Haut und Schleimhaut kommt es zu
Wärmeempfinden und schmerzhaftem Brennen sowie zu Gefäßerweiterungen und
lokaler Hyperämie, also einem lokalem Überangebot von Blut an einer
Organstelle.
Eine Verarmung der freigesetzten Substanzen führt zu
einer steigenden Unempfindlichkeit und geringeren Schmerzweiterleitung.
Physisch sind Schädigungen der nociceptiven Neuronen und der Verlust der
Warnreize festzustellen.
Schärfe und Krebs
Besonders in Mexiko, Indien und Thailand wird gerne
scharf gegessen. Bis zu 200 Milligramm Capsaicin am Tag sind keine Seltenheit
und werden in der Fachliteratur mit einem erhöhten Aufkommen von
Krebserkrankungen im oberen Verdauungsbereich in Verbindung gebracht.
Der Verzehr der milden Paprika und Chilis in Europa
führt lediglich zu einer Aufnahme von 1,5 mg scharfe Substanz am Tag.
Scoville und Höchstwerte
Der amerikanische Pharmakologe Scoville entwickelte bereist 1912 eine Schärfe-Skala, die auf rein sensorischen Ergebnissen beruht. Er hatte die Saucen so weit verdünnt, bis keine Schärfe mehr geschmeckt wurde und das als Nullpunkt festgelegt. Mit Umrechnungstabellen der erweiterten Scoville Heat Unit kann heute der Gesamtcapsaicingehalt verglichen werden. So sind der Gehalt von einem Milligramm Capsaicin je Kilogramm Lebensmittel 16,1 Scoville.
In seiner Bewertung schlägt das BfR Höchstwerte für den Gesamtgehalt an Capsaicin vor. Fünf Milligramm für normale und 10 Milligramm je Kilogramm Lebensmittel für die scharfen Varianten vor. Für Gewürze und Saucen sollten Ausnahmen gelten. 20 mg/kg für scharfes Ketchup und vergleichbare Produkte und 50 mg/kg für Tabasco, Harissa und Hot Pimento Oils.
Zu scharf
Dass auch Herstellern ihre Produkte zu scharf sind, zeigt ein Rückruf auf www.lebensmittelwarnung.de. So bittet die Berliner Firma Pepper King im November 2011, die Chiliextrakt und die Saucen „Schwiegermuttertod“ und „Satan´s Blood“ mit elf Millionenen und jeweils einer Million Scoville wieder in den Laden zurückzubringen. Die Schärfe ist nicht gekennzeichnet und die Flasche hat keinen kindersicheren Verschluss, so dass „ein hohes Unfallrisiko“ wegen ungenauer Dosierung bestehe.
Lesestoff:
roRo