EHEC-Fälle werden langsam klarer
Ernährung
EHEC: Branche bemüht sich um Differenzierung
Je mehr gesucht und gefunden wird, desto klarer wird
das Bild. Desto weniger mysteriös sind die Ursachen der EHEC-Infektion und umso
schneller gewinnen Verbraucher wieder das Vertrauen in ihre Lebensmittel zurück.
Der Donnerstag hat vor diesem Hintergrund einen deutlichen Schritt nach vorne
gemacht. Den größten Verdacht, EHEC zu verbreiten, ziehen spanische Gurken auf
sich. Dennoch gelten nach wie vor die Verzehrempfehlungen, Tomaten, Salatgurken
und Blattsalate bis auf Weiteres nicht roh zu verzehren, teilt das
Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein mit.
Auch wenn der Fokus nun auf spanischen Gurken liegt,
können auch andere Lebensmittel als Infektionsquelle in Frage kommen.
Im Handel, nicht vom Feld
Das Gesundheitsministerium teilt ausdrücklich mit, dass sich die Verzehrempfehlungen auf Gemüse und Waren beziehen, die in Norddeutschland im Handel sind, was ausländische Waren mit einbezieht. Die Verzehrempfehlung bezog sich nicht auf Lebensmittel, die ausschließlich in Norddeutschland produziert werden. Jahresbedingt steht noch nicht so viel einheimische Ware für den Verbrauch zur Verfügung. Gurken und Tomaten aus Deutschland stammen nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zu dieser Jahreszeit aus Gewächshäusern. Der DBV korrigierte auch den Irrglauben, dass Gülle als Kopfdüngung in den Salatbestand ausgebracht würde.
Eigenuntersuchungen der Branche
Die Obst- und Gemüsebranche ist selbst an einer
schnellen Aufklärung interessiert, damit durch falsche Verdächtigungen der
sensible Frischemarkt nicht zerstört wird. Die Bundesvereinigung der
Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) teilte mit, dass die drei in
Norddeutschland ansässigen Erzeugerorganisationen seit Anfang der Woche ihre
Ware auf EHEC untersuchen und keine Bakterien feststellen konnten. Beprobt
wurden Romana-Salat, Tricolor-Salate, Salarico, Salaverde, Salatherzen,
Kohlrabi, Bio-Miniromane, Kopfsalat, Erdbeeren, Rucola, Mixsalat, Spargel,
Eisbergsalat und Lauchzwiebeln. Keine Erreger-Funde werden auch aus
Süd-Oldenburg gemeldet.
Darüber hinaus werden Vor-Ernte-Proben gezogen, um
schon vor dem Erntetermin sicher zugehen, dass die Ware EHEC-frei ist. Darüber
hinaus hat der BVEO Bodenproben für die Freilandproduktion empfohlen. Die
werden derzeit noch untersucht.
Auch die Laborproben des Landes Schleswig-Holstein
zeigen keine Funde. Dort wird nicht nur Gemüse untersucht, sondern auch
Salatsaucen, Geflügelfleisch, Eier und Milchprodukte, sowie Kräuter, Wurst und
Fleisch.
Auf Hygiene achten
Ulrike Höfken, Landwirtschaftsministerin aus
Rheinland-Pfalz, hat an alle Grund- und Förderschulen, die an dem
EU-Schulfruchtprogramm teilnehmen, die Aufforderung versendet, angeliefertes
Obst und Gemüse gründlich zu waschen. Die Schüler sollen die Lebensmittel vor
dem Verzehr noch einmal säubern, auch wenn es bereits industriell vorgewaschen
ist. „Es sollte vor dem Verzehr immer gründlich gewaschen werden, um sich vor
eventuellen Verunreinigungen zu schützen“, so Höfken am Donnerstag.
Die Rewe hat in seinen Märkten Rewe und Penny
mittlerweile spanische Salatgurken aus den Regalen genommen.
HUSEC 41
Das Konsiliarlabor des Robert Koch-Institutes (RKI) am
Institut für Hygiene am Universitätsklinikum Münster hat derweil den
EHEC-Erreger detailliert identifiziert. Es handelt sich, so Prof. Dr. Dr. Helge
Karch um den Typus „HUSEC 41“ des Sequenztyps ST678. Das ist einer von 42
Typen, der bereits in der HUSEC-Sammlung in Wernigerode vorliegt. Das RKI hat
dort 588 EHEC-Stämme aus den Jahren 1996 bis 2011 zusammengetragen, die alle
einmal in Deutschland Krankheiten hervorgerufen haben. Seit 2007 sind aber
keine neuen Stämme mehr hinzugekommen.
Der vorliegende Ausbruchsstamm hat nach Prof. Karch
spezifische Details. Ihm fehlt ein typisches EHEC-Gen, kann dafür aber Eisen
binden. Zusammen mit andern Details macht ihn das resistent gegen Penicilline
und Cephalosporine. Gegen ihn wirken nur Beta-Lactam-Antibiotika mit der
Wirkstoffgruppe der Carapeneme.
Nachdem das Bakterium genau ermittelt ist, entwickelt
das Team von Prof. Karch einen Schnelltest, der im Verdachtsfalle in kurzer
Zeit eine Bestätigung liefern kann. In wenigen Tagen soll er einsatzbereit sein.
Außerdem soll er helfen, mehr über die Epidemiologie von HUSEC41 zu erfahren.
Kaltes Plasma
Die aktuellen EHEC-Krankheitsfälle zeigen, dass die
Sicherheit von frischem Obst und Gemüse noch immer eine Herausforderung
darstellt, teilt das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB)
mit. Freilandgemüse weist eine natürliche Besiedlung mit Bakterien, Schimmel,
Hefen und anderen Mikroorganismen auf. Für Menschen gefährliche
Krankheitserreger sind selten.
Die Keime können zwar durch eine Wärmebehandlung
inaktiviert werden, doch wollen Verbraucher zunehmend unbehandelte Produkte. Dem
werden auch chemische Behandlungsmethoden nicht gerecht.
Das ATB arbeitet jetzt mit Kaltplasma. Das ist ein
ionisierendes Gas mit Temperaturen von weniger als 35 Grad Celsius. Seine
antimikrobielle Wirkung wird in der Medizintechnik bei der Wundbehandlung
erforscht. Das Verbundprojekt FriPlas will das Kaltplasma nun auch für die
Hygienebehandlung von frischem Obst und Gemüse nutzbar machen. Das ist nicht
einfach, denn die Sorten unterscheiden sich alle in Größe, Form, Oberfläche und
Empfindlichkeit.
Die Anwendung ist so neu, dass das Team die
Behandlungsbedingungen und -parameter festsetzen muss. Auch die Verfahren für
den Nachweis der antimikrobiellen Wirksamkeit müssen neu konzipiert werden.
Koordinator Dr. Oliver Schlüter vom ATB: „Unser Ziel ist es, eine
automatisierte Hygienelösung auf Basis der Plasmaanwendung zu entwickeln, die
pathogene Keime sicher eliminiert und in bestehende Verarbeitungslinien für
frische Obst- und Gemüseprodukte integrierbar ist.“
Erste Erfolge sind da. Kaltplasma ist gegen E. coli wirksam
und die Temperaturen des pflanzlichen Gewebes kann bei der Behandlung dabei auf
weniger als 25 Grad Celsius gehalten werden.
Die Wissenschaftler haben sich sogar noch den sensiblen
Einsatz der neuen Technik vorgenommen. Sensoren sollen die Keimbelastung während
des normalen Waschvorgangs ermitteln und dann die Intensität der anschließenden
Plasmabehandlung bestimmen: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“
Lesestoff:
www.atb-potsdam.de/friplas
roRo; Foto: BfR