EHEC: Hamburg hofft auf Trendwende
Ernährung
+++ 19:35+++ EHEC: Hamburg hofft auf Trendwende
Am späten Montagnachmittag trafen sich die beiden
Bundesminister Ilse Aigner aus dem Ressort Verbraucherschutz, Daniel Bahr aus
dem Gesundheitsministerium, Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia
Prüfer-Storcks, Ingelore Rosenkötter, die für das Land Bremen derzeit
Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz ist sowie die Präsidenten der
Bundesbehörden Bundesamt für Risikobewertung (BfR), Prof. Dr. Dr. Andreas
Hensel und Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg für das Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit und vom Robert Koch-Institut Prof. Dr. Reinhard
Burger zu einem Informationsgespräch über EHEC.
Seit dem Wochenende ist die Zahl an Neuinfektionen in
Hamburg auf ein Viertel der bisherigen 488 Fälle zurückgegangen, was Cornelia
Prüfer-Storcks vorsichtig als Trendwende bezeichnete. In anderen Regionen steigt
die Zahl der Erkrankungen derzeit noch an. Möglicherweise ist das ein Effekt
der frühzeitigen Verzehrempfehlung von RKI und BfR. Abschließend wird man das
erst Ende dieser Woche feststellen können, wenn tatsächlich die Zahl der
Infektionen zurückgegangen ist, so Prof. Burger. So lange gilt nach wie vor, dass
Tomaten, Gurken und Blattsalat, vor allem aus dem Handel in Norddeutschland,
nicht roh verzehrt werden soll.
Quelle noch nicht bekannt
Für die Obst- und Gemüsebranche ist es sicherlich
wichtig so früh als möglich die Quelle des EHEC-Eintrages zu kennen, damit vor
spezifischen Gemüsen gewarnt werden kann. Doch angesichts von drei offiziellen
Todesfällen und Meldungen über zehn Tote, werden Verbraucher solche
Differenzierungen nicht wahrnehmen.
Der Montag hat keine neuen Erkenntnisse gebracht, wo in
der Kette zwischen Anbau und Teller die Keime auf das Gemüse kamen. Die
Hamburger konnten vier Gurken ausmachen, die mit EHEC verschmutzt waren. Drei
kamen aus Spanien, erklärte Prüfer-Stocks. Woher die vierte kam, wusste der
Händler nicht mehr. Er vermutet aus den Niederlanden oder Dänemark. Und solange
keine Quelle ausfindig gemacht werden kann, ist eine spezifische Nennung der
Ware nicht möglich. Solange kann auch keine Entwarnung gegen werden, ergänzte
Ingelore Rosenkötter. Solange, so der Blick zurück in die letzte Woche, sollte
sich die Branche auch nicht freisprechen. Der Keim kann zwar spanische Ware
befallen haben – aber aus einer deutschen Logistikkette kommen.
Derzeit ist eine zweite Welle an Befragungs- und
Ausbruchsteams unterwegs, um weitere Details herauszufinden.
Europäische Dimension
Nach Auskunft des RKI sind nach aktuellem Stand 352
HUS-Fälle bekannt geworden, alleine 90 resultieren vom letzten Wochenende. 60
Prozent der Erkrankten stammen aus den drei Bundesländern Hamburg,
Niedersachsen und Schleswig-Holstein, 70 Prozent sind Frauen. Nach Prof. Burger
gibt es keinen Hinweis darauf, warum hauptsächlich Frauen betroffen sind, außer
dem, dass sie mehr mit Lebensmitteln in Kontakt kommen als Männer.
Mit den möglichen Verzahnungen nach spanien, den
Niederlanden und Dänemark sowie Erkrankten in anderen EU-Ländern habe „EHEC
längst europäische Dimensionen erreicht“, erklärte Ilse Aigner. Die Lage sei
nach wie vor sehr ernst. Sie habe sich auch mit ihrer spanischen Amtskollegin Rosa
Aguilar Rivero ausgetauscht. Deutschland habe lediglich die Quelle benannt, wo
der EHEC-Erreger gefunden wurde, Deutschland habe nicht vor spanischen Gurken
gewarnt, so Aigner. Die spanischen Gemüseerzeuger fühlen sich zu Unrecht an den
Pranger gestellt.
Das Treffen im Robert Koch-Institut diente vor allem
der Sachstandsanalyse. Die Länder melden eine Menge an Daten, die ausgewertet
werden müssen und wo sich ein Mosaiksteinchen an das andere fügt. Der Schlussstein
für das Gesamtbild fehlt aber immer noch. Die Quelle ist noch nicht gefunden
und sie ist noch aktiv, so ein weiteres Fazit des Treffens.
Kapazitätsgrenzen erreicht
Die akuten HUS-Erkrankungen bringen die Gesundheitsvorsorge an ihre Kapazitätsgrenzen. Prof. Burger rechnet weiterhin mit steigenden Fallzahlen. Doch verschiedentlich wie in Hamburg ist das Limit aus vorhandener Bettenzahl, Dialyskapazitäten und Fachpersonal erreicht. Derzeit tauschen die Bundesländer ihre freien Kapazitäten aus, um die aktuellen Fälle behandeln zu können.
Roland Krieg (Text und Fotos)