EHEC: Jetzt wird es politisch
Ernährung
Scherbengericht EHEC
Das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Robert Koch-Institut (RKI) sind
keine Hinterhoflabore. Gleich zu Beginn der Infektionswelle am 22. Mai mit 70
Erkrankten hieß es aus dem RKI, es handele sich um eine besondere Situation. Bis
zum 01. Juni sind 1.169 EHEC-Fälle registriert, 373 Patienteh haben die
lebensbedrohliche HUS-Krankeit entwickelt und offiziell sind in Deutschland
neun Personen und in Schweden eine Person an der Krankheit verstorben. War es
jetzt ethisch vertretbar ein Produkt spezifisch zu benennen, das als Quelle der
Keime in Frage kommen könnte, und im Nachhinein freigesprochen werden musste, oder
hätte die unspezifische Warnung vor Obst und Gemüse ausgereicht? Eine
hypothetische Frage, da der letzte Fall spekulativ bleibt.
Auf der
Sondersitzung des Agrarauschusses am Mittwoch sagte
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, dass die Warnung bei den Bürgern
angekommen ist, weil sie deutlich weniger Gurken, Tomaten und Salat gekauft
haben. Kam sie an, weil vor spanischen Gurken gewarnt wurde, oder wäre sie
weniger angekommen, wären die Warnungen unspezifischer geblieben bei gleichzeitigem
Bekenntnis, das die Quelle weiterhin aktiv ist und niemand weiß wo in der
Lieferkette der Keim auf das Gemüse kam? Erkranken und sterben die Menschen
aufgrund unbestimmter Ursache oder mit bekannter Ursache ohne die genaue
Herkunft zu kennen, blühen Fantasie und Schuldzuweisungen - die ja auch nicht
widerlegt werden können. Können Eigenproben der Gemüseerzeuger vor diesem
Hintergrund die Verbraucher wirklich gute von bösen Gurken unterscheiden lassen?
Der EHEC-Fall
wird ökonomisch intensiver sein als der Birkel-Fall, bei dem
Baden-Württemberg letztlich 13 Millionen Euro Schadenersatz zahlen musste, weil
die Vorwürfe, verdorbenes Flüssigei zu verwenden, falsch waren. EHEC wird aber
auch kurzfristig seinen Schatten auf das neueste Kind des
Verbraucherschutzministeriums werfen, dass noch gar nicht online ist: Das
Internetportal Wahrheit und Klarheit. Wie wäre dort eine Woche EHEC-Infektionen
behandelt worden? Ließe sich ein Verbraucher-Portal aufrechterhalten, das sich
um Klebfleisch und Käseimitate, aber nicht um Krankheitserreger kümmert?
EHEC-Quelle kaum auffindbar
Im Ausschuss
zeigte sich Andreas Sammann vom Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt
skeptisch, dass die wirkliche Ursache für die Verunreinigung noch gefunden
werden kann. Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel vom BfR sucht in alle Richtungen. Die
Verunreinigung muss nicht beim Erzeuger liegen, sondern kann bei der
Zubereitung, der Verpackung oder auch im Verkauf liegen: „Wir wissen nicht, ob
es tatsächlich Gemüse sind.“
Deutschland hat
mittlerweile die EU informiert, dass die Verunreinigung nicht von den
spanischen Gurken stamme. Die entsprechenden Meldungen aus dem Schnellwarnsystem
wurden entfernt. EU-Gesundheitskommissar John Dalli versprach in Brüssel
Deutschland auf der Suche nach der Quelle zu helfen. Eine spezifische
Produktwarnung hält er derzeit für unverhältnismäßig. Dalli hat das European
Centre for Disease Prevention and Control eingeschaltet, das in zwei Tagen eine
Risikobewertung vorlegen will.
Die
Landwirtschaftliche Rentenbank hat derweil Liquiditätshilfedarlehen für
landwirtschaftliche Betriebe angeboten, die durch EHEC, aber auch durch die
Spätfröste im April und Mai wirtschaftliche Schäden erlitten haben. Ilse Aigner
hat versprochen bei EU-Agrarkommissar ebenfalls Entschädigungen einzuholen.
Roland Krieg