Ei, Ei, Dioxin
Ernährung
"Die Länder müssen mehr kontrollieren"
In dieser Woche steigt die Fieberkurve bei landwirtschaftlichen Verbänden, den Politikern und der Lebensmittelindustrie: Diesen Freitag öffnet die Internationale Grüne Woche in Berlin wieder ihre Tore. Eine gigantische Leistungsschau über Vertrautes, Exotisches und Neues. Doch gestern versalzte erneut Dioxin den Verbrauchern die Suppe - eigentlich das Ei.
Dioxin ist in der Welt
Mit Abfallverbrennungsanlagen, der Chlorchemie bei Flammschutzmitteln oder thermischen Verfahren verbringt der industrialisierte Mensch so viel Dioxin in seine Umwelt, dass die "normale Hintergrundbelastung" zwischen 0,7 und 1,5 Pikogramm (billionstel Gramm) liegt. Das ist entgegen den Meldungen in der Schlagzeilenpresse nicht neu. Das Freilandhühner und deren Produkte höhere Dioxinwerte aufweisen als Käfighühner ist auch nicht neu. Dioxin ist nicht Thema für die Lebensmittelindustrie, sondern dort nur ein Zeiger für das Thema Dioxin in der Industrie und der Wohlstandgesellschaft. Zwar sieht auch mancher Agrarexperte die hygienische Seite der Käfigeier, jedoch beseitigt die Vermeidung der Freilandhaltung nicht das Dioxin in der Welt. Der krebserregende Giftstoff sollte nicht zum Spielball in der aktuellen Legehennendiskussion werden.
Belastete Eier in Bayern, BW und Niedersachsen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen tolerierbaren Höchstwert von 4 Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag festgelegt. Ein Pikogramm (pg) pro kg Körpergewicht und Tag wird allgemein mit der Nahrung täglich aufgenommen. Die Belastung bei Käfigeiern wurde in der EU mit der Verordnung 2375/2001 seit dem 01. Januar 2004 auf 3 pg TEQ/g Fett gesenkt. Da dieses bei Freilandhaltung so gut wie nie funktioniert hat, galt die Regelung dort nicht. Erst seit dem 01. Januar 2005 dürfen die Richtwerte auch bei Freilandeiern nicht überschritten werden ? und schon werden sie gemessen. Insgesamt liegen deren Werte um das 2,5fache höher als bei Käfigeiern.
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt in Freiburg teilte der "Bild am Sonntag" mit, dass bereits in den vergangenen vier Jahren sieben Prozent der Bio- und Freilandeier zu hohe Dioxinwerte aufwiesen. Der Spitzenwert lag bei 16,5 pg. Um die Jahreswende lagen bei acht von 18 Proben in Kehl die Werte zwischen 4,3 und 22,2 pg. Ein betroffener Landwirt hat daraufhin auf den Verkauf der Eier verzichtet.
Auch in Bayern und Niedersachsen wurden höhere Werte als die nun erlaubten 3 pg gefunden. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen kündigte schärfere Kontrollen an und befürchtet Rückrufaktionen. Seine Dienstherrin, Renate Künast aus dem Verbraucherministerium, geht die Lage pragmatisch an: "Die Länder müssen kontrollieren, kontrollieren, kontrollieren. Und wenn sie erhöhte Werte feststellen, müssen sie das Produkt vom Markt nehmen. So klar ist das!"
In der ARD sagte Künast, dass beim Verzehr der Eier keine akute Gesundheitsgefahr bestehe. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft, in der BamS: "Wir haben es mit einem Umweltproblem zu tun, dass uns bewusst ist."
Von TEQ und Kongeneren
Das bekannteste und gefährlichste Dioxin ist das 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzodioxin (2,3,7,8,-TCDD), das als "Seveso-Gift" traurige Berühmtheit erlangte. Insgesamt gibt es 210 verschiedene Dioxine, von denen 17 eine hohe akute und chronische Toxizität aufweisen. Verwandte Strukturen in einer Kategorie werden als Kongenere bezeichnet. Die Giftigkeit dieser Kongenere werden im Vergleich zum Seveso-Gift mit werten zwischen 0,0001 und 1 bestimmt. Diese Zahl wird mit dem "Toxizitätsäquivalenzfaktor", der Konzentration im vorliegenden Gemisch multipliziert. Das Ergebnis bezeichnet dann das Toxizitätsäquivalent TEQ, mit dem oben bereits gerechnet wurde. Die WHO hat auch schon vorgeschlagen, für ein- und dieselbe Verbindung unterschiedliche Faktoren zu verwenden, da die Wirkung auf verschiedne Lebewesen auch unterschiedlich ist. Vögel und Fische reagieren auf ein bestimmtes Dioxin empfindlicher als der Mensch. Mit Giften leben.
VLE