Ein Garten ist zu wenig

Ernährung

Die Stadtbevölkerung wächst

1950 standen jedem Menschen 5.100 Quadratmeter Land zur Verfügung. Heute sind es umgerechnet nur noch etwa 2.000 m2 – rund vier mal die Fläche eines Hausgartens. In Deutschland ernährt ein Landwirt heute 134 Menschen.
In dicht besiedelten räumen wie dem Rheinland reduziert sich die Ackerfläche noch weiter: Dort sank im Zeitraum von 1950 bis heute die Pro-Kopf-Fläche von 1.100 auf 540 Quadratmeter. Eine Hausgartengröße, auf der Lebensmittel produziert werden müssen, eine Fläche, die dem Freizeitanspruch genügen soll und kompostierte Abfälle aufnehmen muss.

Die Fläche wird weniger
„Jedes Jahr verschwindet weltweit in etwa das Äquivalent der landwirtschaftlich genutzten Fläche von Deutschland allein durch Boden- und Wassererosion und steht damit nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung“, beklagte auf einer Tagung in München Dr. Ulrich Hoffmann von der UNCTAD. Hans Hohenester, Präsidiumsmitglied des Anbauverbands Naturland, befand, dass die nötigen Schritte bekannt seien, aber die für die Sicherung der Welternährung die Zeit davon renne: „Wir müssen jetzt den Schalter umlegen und alle möglichen Kräfte für eine nachhaltige, ökologisch orientierte Landwirtschaft nach sozialen und fairen Kriterien einsetzen.“
Zentrale Forderung auf der Tagung „Wie kann Öko + Fair die Welternährung sichern?“ ist die Förderung der Kleinbauern und deren Selbstorganisation sowie die Förderung der ländlichen Entwicklung.

Gegentrend
Entscheidend ist nicht nur die Situation auf dem Land. Die Städte rücken in den Fokus. Zu Beginn der Expo in Shanghai am 01. Mai hat das Statistische Bundesamt (Destatis) die Entwicklung der Stadtbevölkerung aufgezeichnet. Heute leben rund 3,5 Milliarden Menschen in Städten – bis 2025 kommen eine weitere Milliarde hinzu.
Eine Projektion der Vereinten Nationen erwartet vor allem für so genannte „Megacities“ mit mehr als 10 Millionen Einwohnern eine besonders starke Zunahme. So soll beispielsweise die Expo-Stadt Shanghai in den nächsten 15 Jahren um weitere 3,4 Millionen Menschen wachsen. Zwischen 1995 und 2010 verzeichnete sie bereits ein Wachstum von 10,2 auf 16,6 Millionen Menschen.
Auch Delhi mit 6,4 und Dhaka mit 6,3 Millionen Menschen werden einen hohen Zuzug verzeichnen. Selbst in Afrika wird Kinshasa im Kongo im Jahr 2025 mit 15 Millionen Menschen fast doppelt so viel Menschen beherbergen müssen wie heute.
Die größte Metropole wird Tokio mit voraussichtlich 37,1 Millionen Menschen sein. Berlin hingegen wird mit 3,5 Millionen Menschen übersichtlich bleiben.
Auf jeden Fall haben die meisten der Stadtmenschen keinen Garten, der sie ernährt und sind auf die Zufuhr von Nahrung und deren Preiswürdigkeit angewiesen.

Stadt ist nicht gleich Stadt
Tokio oder London sind Metropolen mit einer Infrastruktur und lenken die Weltwirtschaft. Kalkutta oder Kinshasa hingegen sind „einfach nur gigantisch groß“, schreibt Prof. Günter Mertins in „politische ökologie 114“. „Megacitys sind globale Risikoräume“, so Mertins. Dabei gehe es nicht nur um höheren CO2-Ausstoß und Flächenverbrauch, sondern auch um sozialräumliche Fragmentierung und die strukturellen Disparitäten in den Megacitys der Entwicklungsländer.“
Als Hauptursache für die Landflucht gelten meist bessere Einkommensmöglichkeiten in der Stadt und Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdiensten. Auch ist im Rahmen der Selbstverwirklichung die soziale Kontrolle in er Stadt geringer als auf dem Land. Das hatte die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung bereits 2001 herausanalysiert.

Lesestoff:
Mertins, G: „Riskiert die Megastadt sich selbst?“. politische ökologie 114 (Megacitys) März 2009, S. 12
Deutsche Stiftung Weltbevölkerung: Verstädterung: Chance, aber auch Risiko. entwicklung + ländlicher raum“ 4/2001; S. 35

Roland Krieg

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