„Eine Bitte an den Koch“
Ernährung
Restaurantkarten für Allergiker
>Die Speisekarte weist einen bunten und knackigen Salat mit Shrimps aus, der für den Gast bei sommerlichen Temperaturen der willkommene Sattmacher ist. Wenn da nicht die Allergie gegen Shrimps wäre. Der Gast bittet den Kellner, den Salat ohne Meerestiere zuzubereiten. Der Kellner entschwindet mit dem Salat in die Küche und kommt kurze Zeit später wieder: „Ich habe die Schrimps entfernt!“. Das ist gut und ehrlich gemeint, aber für einen Allergiker nicht akzeptabel, stellt Marlies Köster, Bundesvorsitzende des DAAB fest. Allergene wirken auch in kleinsten Dosen. Der Salat hätte komplett neu angemacht werden müssen – am besten in einer separaten „allergenfreien Zone“. Das beschreibt die Broschüre des Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) „Gute Gastgeber für Allergiker“, die in ihrer ersten Auflage in Höhe von 10.000 Stück bereits vergriffen ist. Demnächst erscheint die Zweite, die Gastronomie und Hotellerie einen Leitfaden für den Umgang mit Allergenen bereithält.
Vorbereitungen fängt beim Kauf an: |
Kommunikation statt Kennzeichnung
Fünf Millionen Allergiker gibt es in Deutschalnd und es werden jährlich mehr. Die Auswirkungen umfassen eine große Bandbreite zwischen Magenreizungen bis zum allergischen Schock. Während Allergiker mittlerweile auf den Zutatenlisten im Supermarkt erfahren können, aus welchen Bestandteilen das Essen besteht und mit der verpflichtenden Allergiekennzeichnung eine wichtige Orientierung erhalten, muss lose Ware, wie auch in der Gastronomie, nicht gekennzeichnet werden. Jeder 10. Allergiker verzichtet daher auf Restaurantbesuche, sagte Köster, jeder vierte Außer-Haus-Gast sucht nur die ihm bekannten und vertrauten Restaurants auf und jeder sechste hat dennoch einmal eine allergene Reaktion nach dem Mahl erfahren müssen.
Allergien greifen in den Alltag der betroffenen Menschen direkt ein. In Deutschland empfinden viele es noch als unangenehm, sich zu seinen Allergien zu bekennen, nicht ständig möchten die Menschen ihre Lebenssituation erklären müssen, so Köster. Deshalb meiden Allergiker Restaurants.
„Am Abend in ein schönes Restaurant einkehren, sich ein gutes Gericht aus der Speisekarte auswählen, sich verwöhnen lassen – das, was für viele Menschen selbstverständlich ist, kann für Menschen mit einer Lebensmittelallergie oder -unverträglichkeit zum Problem werden.“ |
Was natürlich schade ist, denn die Gastronomie lebt von der Vielfältigkeit der Gerichte, von der Abwechslung auf der Speisekarte, vom Einsatz frischer Produkte, von Aktionstagen zu Oster, Weihnachten, Spargel- oder Muschelzeit sowie vielfältigen Spezialangeboten, beschreibt Ernst Fischer, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes (DEHOGA) die Welt der fremden Küchen. Deshalb unterstützt der Bundesverband die neuen Restaurantkarten, damit sich auch Allergiker in den Gasthäusern wohl fühlen dürfen.
Acht Restaurantkarten
Sieben Restaurantkarten hat der DAAB für sieben Allergien mit hohem Anaphylaxie-Risiko und eine „Blankokarte“ für eine individuelle Befindlichkeit zusammen gestellt und gestern in Berlin zusammen mit der Politik vorgestellt.
Die „Bitte an den Koch“ beschriebt nicht nur das Anliegen, sondern listet im handlichen Taschenformat das dazugehörende Zutatenverzeichnis, Produktbeispiele und Hinweise auf möglichen und irrtümlichen Ersatz auf.
Die Restaurantkarte ist einfach, unkompliziert und kann dezent dem Kellner überreicht werden, ohne die Situation noch erklären zu müssen. Sie sichert nach Marliese Köster den Allergikern „ein gutes Stück Lebensgefühl.“ Bislang ist das Thema Allergie noch ein „Tabuthema“, so Köster und die Restaurantkarten sind ein erster Schritt, damit routiniert und selbstverständlich umzugehen.
„Jedem Restaurantbetreiber, jeder Servicekraft und jedem Koch muss zum Beispiel klar sein, dass es sich bei der scheinbar harmlosen Frage des Gastes, ob in dem Dessert Nüsse enthalten seien, um eine für ihn lebenswichtige Frage handelt“. |
Das sieht auch Ursula Heinen-Esser, Parlamentarische Staatsekretärin aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium so, die auch Bäcker und Fleischer erwähnte, die beide auf Eigeninitiative Lösungen für ihre lose Ware erarbeiten. Die Bäcker werden auf dem Kassenbon über ein Computerterminal die Zutatenliste sogar ausdrucken und so dem Kunden mitgeben, die Fleischer arbeiten derzeit an einer „Kladdenlösung“, indem sie Informationsmappen über ihre Ware an der Theke auslegen. Letztlich wird die EU eine einheitliche Regelung für lose Waren erarbeiten.
Komplexer Allergikeralltag
Der DAAB weist darauf hin, dass das Thema Allergien nicht auf sieben Restaurantkarten abgebildet werden kann. Kiwiallergien gibt es in Deutschland erst, seit dem die Früchte auf dem deutschen Markt sind. Menschen reagieren auf Karottensalat allergisch, während sie mit Möhrengemüse keine Probleme haben. Dennoch will der DAAB die Restaurantkarten als Hilfsmittel für den Alltag verstanden haben, den sich die Betroffenen damit erobern können.
Denkbar ist auch ein Download der Karten für die Gastronomie. Sie können sich zusammen mit der Broschüre auf Allergiker als Gast einstellen und sich so von en Mitbewerbern durch Kompetenz im Bereich der Allergien hervorheben. Fischer präferiert diese Lösung, weil Kennzeichnungszwang zu einer Belastung der kleinen und mittelständischen Betriebe führt, sich die Speisekarten oft ändern und die Zutatenliste zu umfangreich wäre. Für Fischer brauche man in diesem Bereich keine neuen Gesetze und Deklarationen: „Redenden Menschen kann weitergeholfen werden.“
Lesestoff:
Die Karten gibt es kostenfrei beim DAAB. Dazu gehört auch eine erste Allergieberatung. www.daab.de
Insgesamt gibt es 14 Allergene, die gekennzeichnet werden müssen. Hier finden Sie die 12 Alten und hier die beiden Neuen.
Im letzten Jahr hat das BMELV ein Informationsportal für Allergien im Rahmen des Nationalen Aktionsplan eingerichtet. Den Bericht auf Herd-und-Hof.de finden Sie hier.
Roland Krieg