Ernährung „silver generation“
Ernährung
Fresenius-Konferenz „Ernährung im Alter“
Fünfte Fachtagung „Health and Nutrition Claims“ der Akademie Fresenius in Mainz stellt rechtliche Neuerungen und Entwicklungen auf dem Markt für Gesundheitsprodukte vor
Ausgangslage
Im Jahr 2060 werden voraussichtlich fast 30 Prozent der EU-Bevölkerung über 65 Jahre alt sein - 12 Prozent davon sogar älter als 80. Aus diesem Anlass gab Monika Neuhäuser-Berthold (Justus Liebig Universität Giessen) auf der Fachtagung einen Einblick in die konkreten Ernährungsrisiken, die mit dem Alter einhergehen: So sei insbesondere eine Prävalenz für Übergewicht von 70 bis 80 Prozent in der Altersgruppe zwischen 60 und 80 Jahren beobachtet worden, die ein erhöhtes Risiko für viele verschiedene chronische Krankheiten bedeute. Die Herausforderung bestehe somit vor allen Dingen darin, auch im Alter einen gesunden Body-Mass-Index zu halten, betonte Neuhäuser-Berthold. Generell sei die Nährstoffversorgung unter älteren Personen in Deutschland als gut zu bezeichnen, ein Problem stelle jedoch der Umstand dar, dass viele ältere Menschen zu viel Fett, Zucker, Salz und Phosphate zu sich nähmen und die Zufuhr an z.B. komplexen Kohlenhydraten, Gemüse und Obst im Gegenzug eher gering sei. Der Langzeitmangel an bestimmten Nährstoffen führe zu einem spezifischen Risiko für metabolische und funktionale Beeinträchtigungen und den dazugehörigen Krankheiten, verdeutlichte die Expertin. Generell hätten mehr als die Hälfte der Über-65-Jährigen mit mehr als zwei chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, mentalen bzw. geistigen Problemen oder Krebs zu kämpfen, was sich auch auf die Ernährungsanforderungen der betroffenen Personen auswirke. Eine auf den Einzelfall abgestimmte Ernährung mit Verboten oder Einschränkungen für den Verzehr bestimmter Lebensmittel sei aus diesem Grund bei älteren Menschen keine Seltenheit, erklärte Neuhäuser-Berthold. Gerade bei sehr alten Menschen kämen darüber hinaus noch ein beeinträchtigter Flüssigkeitshaushalt sowie die Langzeitfolgen von Fehl- oder Mangelernährung hinzu. In direkter Konsequenz müssten spezielle Produkte für ältere Erwachsene zum einen auf den verringerten Energiebedarf der Zielgruppe eingehen, ohne den immer noch hohen Bedarf an Mikronährstoffen zu vernachlässigen. Somit sollten die Produkte nach Möglichkeit eine hohe Nährstoffdichte in Relation zu ihrer Energiemenge aufweisen. Zum anderen sei es wichtig, eine hohe Qualität der Nahrung zu gewährleisten und die Umstände der Nahrungsaufnahme Älterer zu berücksichtigen. So müssten z.B. kleine Portionsgrößen, eine ansprechende Konsistenz sowie eine einfache Handhabe und Vorbereitung der Produkte gewährleistet sein. Auch vorhandene Krankheiten und damit spezifische Ernährungsanforderungen sollten sich im Produktangebot widerspiegeln und damit eine ausgewogene Ernährung unterstützen, unterstrich die Expertin.
In Bezug auf Health und Nutrition Claims gab Dr. Annegret Auinger (analyze & realize AG) zu der Thematik „Ernährung im Alter“ im Anschluss ein Beispiel für den Nachweis von Produktaussagen. Der geistige Abbau zähle zu den Hauptproblemen im Alter, begann Auinger. Hinsichtlich der geistigen Fitness werde der Zuwachs, Erhalt bzw. der reduzierte Verlust dieser durch spezielle Produkte seitens der EFSA als nutzbringender physiologischer Effekt eingestuft, der an Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen nachgewiesen werden könne. Dabei sei zu bedenken, dass das Forschungsdesign und die Durchführung einer klinischen Studie an alten Menschen besondere Überlegungen erfordere und von erfahrenem und gut geschultem Forschungspersonal durchgeführt werden müsse, so Auinger. In jedem Fall müssten charakterisierende Inklusions- bzw. Exklusionskriterien klar definiert sein - so wären Studienteilnehmer mit Demenz oder anderen physiologischen bzw. neurologischen Krankheiten im herangezogenen Beispiel zur Erbringung eines Nachweises ungeeignet. Ein weiterer wichtiger Punkt beim Nachweis der Produktwirksamkeit sei der Einsatz standardisierter psychometrischer Tests für alle Einzelbereiche der geistigen Fitness wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit oder Konzentration, schloss die Expertin.
Neue Bestimmungen zu Nutrition Claims vorgestellt
Bernd Haber (BASF SE) zeigte im Rahmen der Fachtagung auf, welche rechtlichen Neuerungen es in jüngster Zeit bei den Health und Nutrition Claims gegeben hat. Die Aussage „fettreduziert bzw. reduziert an gesättigten Fetten“ sei nun nur noch dann zulässig, wenn die Summe an gesättigten Fettsäuren und Transfettsäuren eines Produkts wenigstens 30 Prozent unter der entsprechenden Summe eines ähnlichen Produkts liege und wenn zudem der Gehalt an Transfettsäuren in dem Produkt, das den Claim führe, gleichwertig oder geringer als in einem ähnlichen Produkt sei, erklärte Haber. Ebenso sähe die neue Regelung zum Claim“"zuckerreduziert“ vor, dass dieser nur dann verwendet werden dürfe, wenn der Energieanteil eines Produkts im Vergleich zu einem ähnlichen Produkt gleich oder geringer sei. Bei der Aussage „ohne zugesetztes Natrium oder Salz“ sei die Verwendung in den Fällen zulässig, in denen einem Produkt kein hinzugefügtes Natrium oder Salz oder eine andere Zutat mit diesen hinzugefügten Bestandteilen enthalte und das Produkt an sich nicht mehr als 0.12 Gramm oder die entsprechende Menge an Salz pro 100 Gramm bzw. 100 Milliliter aufweise. Haber wies darauf hin, dass nach wie vor das generelle Prinzip gelte, nach dem alle Ernährungsaussagen, die nicht explizit erlaubt sind, verboten seien. Aussagen, die dagegen nicht zwangsläufig unter die Definition eines „Nutrition Claim“ fallen, seien Aussagen für Konsumentengruppen, die bestimmte Gesundheitsprobleme hätten (z.B. „Laktose-frei“ oder „Gluten-frei“) oder rein sachliche Aussagen über Produkteigenschaften wie der Hinweis auf natürliche Zutaten oder auf die Abwesenheit von Farb-, Geschmacks- oder Konservierungsstoffen.
Health Claims-Regelung und Nahrungsergänzungsmittel
Stefanie Geiser (EAS, Strategic Advice, Europe) erläuterte auf der Fresenius-Fachtagung, welche Konsequenzen die Health Claims-Regelung für Nahrungsergänzungsmittel in der EU nach sich zieht. Die Bestimmung habe großen Einfluss auf das Labelling von und die Werbung für diese Produkte, da meistens nicht nur neue Formulierungen auf Labels gefunden werden müssten, sondern auch Broschüren und Webseiten von den Änderungen betroffen seien, so Geiser. Die Industrie habe grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, auf diese Herausforderungen zu reagieren. Einerseits könne sie nur noch von der EU autorisierte Claims verwenden oder auf die nach wie vor national autorisierten Aussagen zurückgreifen. Darüber hinaus sähen sich die Unternehmen bei der Vermarktung eines Nahrungsergänzungsmittels in der EU mit der Problematik konfrontiert, dass Genehmigungen für Zutaten und Höchstmengen für Vitamine, Mineralien, pflanzliche Bestandteile und andere Zutaten zwischen den EU-Staaten sehr unterschiedlich reguliert seien. So lege jedes Land beispielsweise einen anderen Schwellenwert für die maximale tägliche Zufuhr an Vitamin C fest. Hier könne es sich also lohnen, die Praxis am Markt genau zu beobachten und die nationale Durchsetzung der Regelung und deren Interpretation durch die einzelnen Staaten zu verfolgen, unterstrich Geiser. Daneben sei es bei Health Claims ebenso möglich, alternative Formulierungen zu finden, indem man alle Möglichkeiten ausschöpfe, welche die im Jahr 2012 veröffentlichten allgemeinen Leitlinien der Mitgliedsstaaten zur Flexibilität im Wording sowie die nationalen Health Claim-Richtlinien zuließen. Ebenso könne man Produktnamen und unspezifische, allgemeine Aussagen zum Produktnutzen mit autorisierten Health Claims verbinden oder sich auf die Forschung konzentrieren und sich um die Autorisierung eines eigenen Claims bewerben. Letzteres berge jedoch ein gewisses Risiko, da der bisherige Trend zeige, dass nur um die 30 Prozent der eingereichten Claims bislang positive Beurteilungen von der EFSA erhalten hätten, so Geiser. Im Hinblick auf die finalen Autorisierungen durch die Europäische Kommission seien zum jetzigen Zeitpunkt (Juni 2013) 228 Health Claims zugelassen worden - mehr als 70 Prozent davon für Vitamine und Mineralien - und 1796 Claims seien „nicht-autorisiert“ (d.h. abgelehnt). In der Warteschleife befänden sich momentan vor allen Dingen Claims in Bezug auf Pflanzen („botanicals“): Es seien immer noch um die 2000 solcher Claims zum Artikel 13.1. aufgeschoben - bis zur endgültigen Entscheidung der Europäischen Kommission würden daher die nationalen Regeln weiterhin gelten. Für pflanzliche Inhaltsstoffe würden sich die nationalen Regeln dabei besonders stark unterscheiden: Einige Länder führten Listen mit autorisierten bzw. verbotenen Pflanzen wie Belgien und Italien, die auch Details zu autorisierten Pflanzenteilen und potenzielle spezifische Nutzungsbedingungen berücksichtigten. Daneben habe Italien auch eine Liste autorisierter Indizien zur physiologischen Funktion spezifischer Pflanzen. In Frankreich werde schon bald ein neuer Gesetzesentwurf angenommen werden, der ebenfalls die Etablierung einer Positivliste vorsieht, so die Expertin. Geiser stellte in Aussicht, dass eine gemeinsame Initiative der drei genannten Staaten (das so genannte „BELFRIT“-Projekt) in die Wege geleitet sei, mit dem Ziel, in Zukunft eine gemeinsame Positivliste, die BELFRIT-Liste, inklusive 1082 zugelassener Pflanzenspezies zu entwickeln. Diese Liste werde auch Informationen zu den zugelassenen Pflanzenteilen für jede einzelne Pflanze und zu den spezifischen Nutzungsbestimmungen und/oder zu erforderlichen Warnhinweisen für bestimmte Pflanzen enthalten.
Lesestoff:
Die vollständigen Tagungsunterlagen können Sie über www.akademie-freesenius erwerben.
Stefanie Johannsen (Akademie Fresenius)