Ernährung und Bewegung

Ernährung

Fair play auf allen Feldern

>Im Herbst 2004 wurde die Plattform Ernährung und Bewegung (peb) gegründet, die in den letzten Monaten richtig in die Startlöcher gegangen ist. In der Halle 23a des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) stehen im Jahr der Fußballmeisterschaft Zukunftsfaktor Natur, Nachhaltiger Konsum sowie die peb im Vordergrund.
Auf dem Spielfeld der neuen Lebensmittelpyramide spielen die wichtigsten "Ernährungs-Player" eine große Rolle.

Täglich 10.000 Schritte
Über eine Million Kinder sind übergewichtig. Zu wenig Alltagsbewegung, zu viel Süßes, zu wenig Sport, zu viel TV und Computer. Das Thema betrifft auch die Erwachsenen. Aber was Hänschen nicht gelernt hat, lernt der Hans nimmermehr. Prof. Dr. Erich Harms, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde und Vorstandsvorsitzender der peb, sagte heute Nachmittag auf einer Podiumsdiskussion, dass gesunde Ernährung und Bewegung ausreichen, um schlank und gesund zu bleiben. Der Teufelskreis der "sitzenden Gesellschaft" schließe sich früh. Das zeigen die Schuleingangsuntersuchungen, die auf eine frühere Fehlsteuerung hinweisen. Daher setzt die peb auf eine Prävention, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Viel bringe bereits, wenn die Kinder zur Schule oder zum Sport auch einmal zu Fuß oder mit dem Fahrrad gelangten. Sie werden überwiegend nur noch mit dem Auto gefahren.
Um eine Übersicht zu erhalten, wie viel er sich bewege, hat sich Staatssekretär Dr. Gerd Müller aus dem BMELV mit einem Schrittzähler versorgt, der aus seinem Ministerium bezogen werden kann. Durchschnittlich legten die meisten nur noch bis zu 3.000 Schritte pro Tag zurück. Heute Nachmittag zeigte sein Zähler etwa 6.000 an, wobei 10.000 Schritte sein Tagesziel sind. Bemerke er abends eine Differenz, dann laufe er noch zweimal um den Häuserblock. Der Schrittzähler sei vor allem eine Motivationshilfe, nicht nur über "mehr Bewegung" zu reden, sondern sie auch umzusetzen. Sein Tagesziel verbrennt insgesamt lediglich 600 bis 800 Kalorien.
Deswegen sieht Prof. Dr. Wilfried Kindermann, Kardiologe und Chefmediziner der FIFA das Gerät auch eher skeptisch. Vergleichbar wie Herzfrequenzmesser, könnten die Geräte "manchen zum Neurotiker machen". Wenn es aber hilft, dann sei es in Ordnung. Der Mediziner wies darauf hin, dass die Krankheit viele Väter, die Mutter aber immer nur die Ernährung ist. Wenn das Grundgerüst der Ernährung steht, dann kann man einen Tag auch mal zu McDonald´s gehen. Für Spitzenfußballer gelten beispielsweise vier einfachen Regeln:
- Pro Tag vier Liter Flüssigkeit zu sich nehmen
- Reichlich Obst und Gemüse essen
- Fettarme Speisen genießen
- Nach dem Sport viel Kohlenhydrate zum Auffüllen der Energiereserven.
Das sei ohne weiteres auf den Normalbürger zu übertragen. Statt Kohlenhydrate aus Süßigkeiten, solle man aber darauf achten, dass man diese aus Brot und Getreide zu sich nimmt.
Fußballweltmeister von 1990, Thomas Bertold, bemängelte, dass es kaum noch Bolzplätze gibt, auf denen die Kinder herumtollen können. Kinder bewegen sich von alleine gerne und noch heute hat er ständig seine Laufschuhe dabei, um nach seiner aktiven Karriere noch regelmäßig abzutrainieren.
Das Wissen über eine ausgeglichene Energiebilanz und richtiger Ernährung ist verloren gegangen. Das Thema Ernährungslehre gehöre wieder auf den Lehrplan und jedes Kind sollte Kochunterricht haben, forderte Dr. Müller.

Individualisierung der Kosten
Zwar gab es Konsens über die Prävention, aber über die Kostenverteilung wollte niemand reden. Dr. Müller gestand jedem die Freiheit zu, dick werden zu wollen, wenn er es denn möchte. ?Diese Verantwortung liegt bei jedem Einzelnen!?. Die Politik könne nur Impulse geben, sich richtig zu ernähren. Einem Hinweis auf die gesellschaftlichen Kosten wich er aus. Die Höhe der Gesundheitskosten belaufen sich auf rund 70 Milliarden Euro für ernährungsbedingte Krankheiten im Jahr und wegen Entlastung der Krankenkassen, sah die rot-grüne Regierung darin einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag. Auch Prof. Kindermann lehnte den Ruf nach Staat und Politik ab: "Die Eltern haben die Verantwortung. Erst wenn das nicht funktioniert, dann greift der Staat ein." Wer als Erwachsener dick wird, der ist es selber schuld.
Allerdings nimmt seit den 1980er Jahren die Zahl der Kinder zu, deren beide Eltern keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Der Zeitpunkt zum Eingreifen ist möglicherweise bereits da.
In der jüngsten Vergangenheit gerät der DFB in Kritik, da einige seiner Sponsoren Produkte anbieten, die sich eher als Süßigkeit eignen und nicht als zweite Morgenmahlzeit. Herd-und-Hof.de fragte bei Dr. Müller nach, ob denn die Politik nicht über Rahmenbedingungen Vorgaben machen könnte, dass beispielsweise die Aktion www.5amTag.de, die auch von der Regierung gefördert wird, über das Vorbild Fußball ein gesundes Ernährungsimage verbreiten dürfte. Mit der Großveranstaltung Fußballweltmeisterschaft, stehe man, so Dr. Müller, bereits seit acht Wochen in der Verantwortung. Der Fußball sei selbst ein Gesundheitsvorbild und gebe einen Impuls mit Breitenwirkung. Die Vermarktung läuft weltweit und deshalb sollten sich auch die Sponsoren ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Letztlich muss auch finanziell für alle etwas herauskommen. Mit peb und anderen Aktionen gestaltet das BMELV die Aktivitäten im Umfeld. Langfristig muss in den Schulen etwas getan werden, denn das BMVEL setze sich auch für die Aufnahme der Ernährungslehre in den Lehrplan ein.

peb
Die Plattform ist mittlerweile ihren acht Gründungsmitgliedern entwachsen. Neben aid Infodienst, dem Bundesverband der Reformhäuser und Slow Food, gehören auch Coca Cola, der Kaugummi Verband und McDonald´s der Plattform an. Zu den Aktionsfeldern gehört neben der Entwicklung einer "Guten Praxis" zur Prävention von Übergewicht, die Wissensvermittlung, Information der Öffentlichkeit und der Erprobung neuer Ansätze. In der BMELV-Halle hat die peb einen eigenen Stand und kann unter www.ernaehrung-und-bewegung.de virtuell besichtigt werden.

Roland Krieg

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