Ernährungssicherung: Neues Journal

Ernährung

Wissenschaft, Soziologie und Politik der Ernährungssicherheit

Bis 2015 wollte die Weltengemeinschaft die Anzahl der Hungernde halbieren, doch derzeit ist der Stand mit mehr als 900 Millionen Menschen so hoch wie noch nie zuvor. Möglicherweise, weil die Ursachen so komplex sind, finden die Herausgeber des Springer Wissenschaftsverlags, die mit einem neuen Magazin die weit verstreuten Veröffentlichungen zum Thema in einem neuen Magazin bündeln. Der Verlag gibt das Magazin zusammen mit der Internationalen Gesellschaft für Pflanzenkrankheiten heraus und Nobelpreisgewinner Norman Borlaug schreibt in seinem Vorwort zur ersten Ausgabe: „Wir haben die Nahrungsmittelproduktion bis 2050 zu verdoppeln. Derweil gelangt das Wort „Ernährungssicherheit“ in den allgemeinen Sprachgebrauch und kaum ein Monat vergeht, in denen die Medien nicht über die Verfügbarkeit von Nahrung und Lebensmittelpreise im globalen Kontext schreiben.“

Definitionen von Ernährungsunsicherheit
Im ersten Kapitel widmet sich Per Pinstrup-Andersen von der Cornell Universität den Definitionen der Ernährungsunsicherheit. Dabei ist für die Projektplanung nicht nur zwischen dauerhafter und saisonaler Ernährungsunsicherheit zu unterscheiden, sondern auch, dass die Ernährungssicherheit auf Haushaltsbasis nicht zwingend die Ernährungssicherheit aller Familienmitglieder beinhaltet. Nicht jeder Haushalt legt höchste Wert auf die Nahrungssicherung, sondern mitunter auch auf Schulgebühren und Kosten für den Erhalt des Haushalts. Die Allokation von Nahrungsressourcen innerhalb eines Haushalts ist unterschiedlich, weil, so Pinstrup-Andersen, es zahlreiche Haushalte gibt, in denen sowohl unterernährte als auch übergewichtige Personen leben.
So könnten zwei Haushalte das gleiche Einkommen erzielen und die gleichen Lebensmittelpreise bezahlen. Doch erfahren sie verschiedene Ernährungssicherheitsstatus, weil der eine Haushalt noch Schulgebühren bezahlt, der andere nicht. So sollten die Schätzungen für die Ernährungsunsicherheit nicht auf Haushaltsbasis erfasst werden, sondern auf ausgewogene und alle Nährstoffe erhaltende Menüs, die zu den jeweiligen geringsten Kosten erstanden werden könnten. Aber auch damit würden unterschiedliche Präferenzen zwischen den Haushaltsmitgliedern nicht erfasst werden können.
Schwierig sei auch generell die Schätzung, wie viele Menschen an Unterernährung leiden. Offiziell werden die Zahlen von 900 Millionen Menschen in Umlauf gebracht, die unter Nahrungsmangel leiden. Betrachtet Pinstrup-Andersen allerdings alleine die Zahl der Menschen, die unter Eisenmangel leiden, so sind die zwei Milliarden Menschen, denen dieser Nährstoff nicht ausreichend zur Verfügung steht, die unterste Grenze der Fehlernährten.

Politik für den Pflanzenanbau
Emma Frow von der Universität Edinburgh hat sich beim Pflanzenanbau mit den konkurrierenden Visionen beschäftigt, die in der biogenen Ökonomie in die nachwachsenden Produzenten stofflicher Ausgangsmaterialien vielerlei Hoffnungen setzen. Das biete auf der einen Seite die Chance für interdisziplinäre Denkansätze, berge andererseits allerdings die Gefahr, nur „zahnlose“ Umsetzungsmodelle hervorzubringen. Die Durchsicht verschiedener Forschungspapiere hat zuletzt zu der folgenden Übersichtstabelle von Zielen und Aufgaben geführt:

Forschungs- und Politikfelder

Kernaufgaben

Umsetzungsbeispiele



Klimawandel

Globale Erwärmung und Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche des Menschen

Verringerung CO2 und CO2-Sequestrierung als Management des Kohlendioxidabdrucks



Umweltgesundheit

- Verlust an Biodiversität
- Intensivierung Landwirtschaft und Verstädterung

Erhaltung der Biodiversität, Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen und Nährstoffkreisläufen



Gesundheit und Wohlstand


- Bedarf an Nahrungssicherheit und -qualität
- wachsende und alternde Bevölkerung

Sicherstellung der qualitativen Werte von Lebensmitteln, Schutz und Forcierung von Erholungsgebieten (Hausgärten, Parks, Reservate)





Ernährungssicherung und Armutsreduzierung

- wachsende Weltbevölkerung
- Energie- und ressourcenintensive Landwirtschaft
- Pflanzenschäden durch Krankheitserreger
- Klimawandel und zunehmende Extremwetterereignisse

Optimierung von Ernteerträgen und Gesunderhaltung von Ökosystemen durch Entwicklungsprojekte; Umweltmonitoring; Agrarbiotechnologie durch Ausschöpfung der genetischen Vielfalt



Landwirtschaft, Forstwirtschaft und ländliche Ökonomie

- Druck auf ländliche Lebensräume und Infrastruktur
- ökonomische Unterschätzung der Dienstleistungen für das Ökosystem durch Landwirte und Förster

Unterstützung und Ausbau der ländlichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften, Versorgung aller mit qualitativen Endprodukten (Holz, Baumwolle, Blumen); Identifizierung neuer Marktchancen für die Bauern



Wachstum Industrie und Ersatz fossiler Rohstoffe


- Begrenzte fossile Energien als Schlüssel der Industrien
- Markt für nachhaltige Produkte

Ausbeutung mikrobieller und pflanzlicher Gendiversität durch Identifizierung von Enzymen und Rohstoffen zur Verwendung in der Industrie; Erzeugung neuer biogener Rohstoffe



Energieangebot und -sicherheit


- wachsender Energiebedarf
- hohe Erdölpreise
- begrenzte fossile Ressourcen

Entwicklung von pflanzlichen Rohstoffen, Konversionstechnologien und Infrastruktur für die Erzeugung von Bioenergie mit dem Fokus auf die Logistik

Q: Food Security

Lesestoff:
Journal: Food Security – The Science, Sociology and Economics of Food Production and Access to Food; Springer Verlag, ISSN: 1876-4517 (print version); 14 April 2009. Ein Teil ist online verfügbar unter www.springer.com/life+sci/agriculture/journal/12571

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