„Es ist doch nur Babyspeck!“

Ernährung

Eltern fehlt bei adipösen Kindern Problembewusstsein

Das Kind sei nicht dick, „Das ist doch nur Babyspeck“ – das sagen nach einer Analyse der Universität Leipzig oftmals Eltern von adipösen Kindern. Die Umfrage wurde im Rahmen des Präventionsprogramms gegen Fettleibigkeit bei Kindern gemacht und zeigt, dass Eltern erst dann aktiv werden, wenn ihr Nachwuchs bereits adipös ist.

Gefahr nicht erkannt

Untersucht wurden das Familienumfeld und die Beweggründe der Eltern für oder gegen eine Teilnahme im Präventionsprogramm. Dies ist konzipiert für übergewichtige oder adipöse Kinder zwischen vier und 17 Jahren. Darin beraten speziell geschulte Präventionsmanager, Psychologen und Ernährungswissenschaftler, die Familien telefonisch zu gesunder Ernährung und Bewegung und gehen auf individuelle Probleme ein.
Der Anteil „nur“ übergewichtiger Kinder mit einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen der 90. und 97. Perzentile war mit 62 Prozent in der Gruppe der nicht teilnehmenden Familien deutlich höher als bei den teilnehmenden (41 Prozent). Die Zahl der bereits adipösen Kinder (BMI über 97. Perzentile) lag bei den Teilnehmerfamilien bei rund 59 und bei den Nicht-Teilnehmern bei 38 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass das Präventionsprogramm zu spät wahrgenommen wird. Die Leiterin der Untersuchungen, Dr. Susann Blüher, erläutert: „Familien, deren Kinder „nur“ übergewichtig sind, haben offenbar weniger Problembewusstsein als Eltern von bereits adipösen Kindern. Da das Programm aber als Adipositas-Präventionsprojekt gedacht war, wollten wir eigentlich gerade die Familien erreichen, deren Kinder übergewichtig sind, um einer übermäßigen Gewichtszunahme und somit einer Adipositas vorzubeugen.“ Auffällig war außerdem, dass Familien mit übergewichtigen Töchtern häufiger und früher am Programm teilnahmen als solche mit Söhnen. So waren die teilnehmenden Mädchen im Mittel 8,8 Jahre und die Jungen bereits 10,4 Jahre alt.

Falsche Selbsteinschätzung

Die hauptsächlich angeführten Gründe, warum Familien nicht an dem Präventionsprogramm teilnehmen wollten, waren die Überzeugung, dass man bereits gesund genug lebe oder das eigene Kind nicht übergewichtig sei. Genannt wurden außerdem Zeitmangel, die Teilnahme an anderen Programmen und die zu hohen Kosten eines gesünderen Lebensstils. Die Vorstellung bereits gesund zu essen, stand häufig im Widerspruch zu den Angaben zur Ernährung. So fiel gerade bei diesen Familien häufiger das Frühstück aus und die Mahlzeiten waren unregelmäßig. Gründe für die Teilnahme waren eine bereits vorliegende Adipositas beim Kind und auch die Einsicht der Eltern, dass sie gegen ihr eigenes Übergewicht angehen müssen.

Ziel

Die Studie ist ein Kooperationsprojekt des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas-Erkrankungen, des Kinderärztenetzwerks CrescNet und der Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig. Die Ergebnisse solcher Umfragen soll helfen, ein Präventionsprogramm zu entwickeln, das die Betroffenen auch wirklich erreicht. „In den Familien muss erst ein Bewusstsein für die negativen Folgen von Übergewicht geschaffen werden", so die Leiterin der IFB- Nachwuchsforschungsgruppe „Prävention von Adipositas“, Dr. Blüher. Solche Programme sind wichtiger denn je, da rund 80 Prozent der übergewichtigen Kinder auch als Erwachsene dick bleiben. Immer häufiger treten außerdem schon bei Kindern und Jugendlichen Erkrankungen wie Diabetes, orthopädische und Herz-Kreislaufbeschwerden auf, die mit starkem Übergewicht zusammen hängen.

Lesestoff:

Die Beratung im Adipositas-Präventionsprogramm erfolgt telefonisch, sodass Familien unabhängig vom Wohnort dieses niedrigschwellige Angebot nutzen können. Weitere Informationen unter: www.taff.crescnet.org

Susann Huster (Universität Leipzig) / roRo

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