ESL-Milch: Heimlich, still und leise

Ernährung

Frischmilch verschwindet aus dem Kühlregal

Frischmilch ist derzeit in der öffentlichen Diskussion auf dem Prüfstand, sagt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ-NRW). Ein verfeinertes Pasteurisierungsverfahren macht es möglich, dass Frischmilch länger hält. Als Technik haben sich zwei Wege etabliert: Entweder die Milch wird fein filtriert oder für eine sehr kurze Zeit höher als üblich erhitzt. Da die Milch im Kühlregal länger hält, hat ihr der Handel den Namen „extended shelf life“ (ESL) gegeben. Sie ist auch nach vier Wochen noch nicht sauer, muss also vom Handel weniger oft weggeworfen werden und genießt bei Geringverbrauchern den Haltbarkeitsstatus. Wichtig: Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass der frische Milchgeschmack wie sämtliche Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Was die Verbraucherberater aber monieren ist, dass die ESL-Milch die Frischmilch aus den Regalen verdrängt und die Verbraucher nicht darauf hingewiesen werden. Lediglich Aufschriften wie „Maxifrisch“, „länger frisch“ oder „extra langer Frischgenuss“ weist auf die ESL-Milch hin. Doch: „Die Kunden sollten am Kühlregal eine für sie richtige Wahl treffen können. Deshalb appellieren wir an Herstellern und Händler, dass die Milch im ESL-Format eindeutig gekennzeichnet wird“, so die VZ NRW.

Milch ist nicht gleich Milch
Rohmilch ist die Milch, die von den Bauern direkt gekühlt abgeben wird. Die Hofstelle muss mit dem Hinweis „Rohmilch – vor dem Verzehr abkochen“ versehen sein.
Vorzugsmilch: Wird im Supermarkt verkauft und muss von einem einzelnen Bauernhof stammen.
Bei Vorzugs- und Rohmilch werden Kühe und betreuendes Personal regelmäßig untersucht und die Milch muss höheren hygienischen Anforderungen entsprechen. Im Handel muss die Vorzugsmilch innerhalb von 24 Stunden verkauft sein. In der Gemeinschaftsverpflegung ist sie nicht zugelassen.
Das Pasteurisieren macht die Milch keimsicher. Die Wärmebehandlung tötet eventuelle Krankheitserreger ab, aber nicht hitzestabile Keime. Für die wurden in der Vergangenheit verschiedene Verfahren entwickelt:
„Frischmilch“: Kurzzeiterhitzung bei 72 bis 75 Grad Celsius für 15 bis 30 Sekunden. Mindesthaltbarkeitsdatum 10 Tage bei Lagerung im Kühlschrank.
ESL-Milch: Entweder wird die Milch indirekt erhitzt, indem sie durch heiße metallene Röhren oder Platten strömt. Als Zielgrößen gelten ein bis drei Sekunden bis 127 Grad Celsius. Das geht auch bei direkter Erhitzung, wenn die Milch mit Dampf infusioniert wird. Nach der Hitzeeinwirkung wird der Dampf der Milch dann wieder entzogen.
Bei der anderen Methode wird die Milch in zwei Phasen behandelt: Mikrofiltration und Separation. Nach dem Separieren der Milch in Rahm und Magermilch, wird letztere in einer Mikrofiltrationsanlage mit einer keramischen Membran mit kleinsten Poren entkeimt. Der Rahm wird für ein bis vier Sekunden bei 104 bis 108 Grad Celsius wärmebehandelt, was dem Standardverfahren für Sahne entspricht. Der vorgesehene Fettgehalt wird eingestellt, die Milch kurzzeitig erhitzt und keimfrei abgefüllt. Drei Wochen Haltbarkeit bei Lagerung im Kühlschrank.
H-Milch: Auch hier kann die Milch direkt oder indirekt erwärmt werden. Zielgrößen sind ein bis drei Sekunden bei 135 bis 150 Grad Celsius. Haltbarkeit: Drei Monate bei Zimmertemperatur.

Das Max Rubner-Institut (MRI) weist darauf hin, dass eine Wärmebehandlung immer Veränderungen im Lebensmittel hervorrufen. Bei Milch geht von den vorhandenen Vitaminen bei der Kurzzeiterhitzung ein Anteil von Null bis fünf Prozent verloren. Bei der H-Milch sind es Null bis 20 Prozent und die ESL-Milch liegt wertemäßig dazwischen.
Die Erwärmung entfaltet die Proteine bei der ESL- und H-Milch, was sie in der Regel bekömmlicher macht. Die H-Milch verliert dabei rund drei Prozent der Proteine, die ESL-Milch weniger. Milchfett, Milchzucker und Mineralstoffe bleiben unverändert, so dass sich nach Angaben des MRI die Nährstoffgehalte nicht wesentlich unterscheiden.

Lesestoff:
Die Fähigkeit zur Milchverdauung im Erwachsenenalter hat die Universität Mainz als evolutionäre Leistung des Menschen bezeichnet.

roRo

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