Essensmarken für Fleisch?
Ernährung
Welche Agrarpolitik brauchen wir nach 2013?
Die neue EU-Kommission hat ihre Arbeit noch nicht aufgenommen, hat aber mit der Neuausrichtung der Agrarpolitik für die Zeit nach der aktuellen Förderperiode bis 2013 wichtiges zu bearbeiten. Subventionen sind unpopulär geworden, das europäische Parlament wird seit dem Vertrag von Lissabon über das Fachbudget Agrar mitbestimmen und in Deutschland haben 80 Millionen Konsumenten jeweils ihre eigenen Vorstellungen. Mehr Markt, mehr Umwelt und brauchen wir Essensmarken für Fleisch?
Im Wesentlichen bleibt alles gleich
Derzeit finanziert die erste Säule der Direktzahlungen das Defizit, was den Landwirten beim Verkauf ihrer Produkte am Markt bleibt. Je nach Produkt sind das zwischen 40 und 60 Prozent des Erlöses. Für den ländlichen Raum und den Naturschutz gibt es die zweite Säule, die zunehmend aus Geldern der ersten gespeist wird. Hier sollen die Umweltleistungen entlohnt werden, für die es keine Marktpreise gibt. Schönheit der Landschaft zählt genauso dazu, wie der Schutz des Grundwassers, der Erhalt der Artenvielfalt oder der Beschäftigungsgrad. Die Diskussion von Politik, Umweltverband und Bauernvertreter überraschte mit keinen Neuigkeiten. Dr. Peter Pascher vom Deutschen Bauernverband fasst zusammen, dass die Bauern wegen der vergangenen Markthilfen nur wenig vertraut mit den Herausforderungen des Marktes sind. Die Bauen wollen aber vermehrt als Unternehmer angesprochen werden und müssen daher in die Lage versetzt werden, frei über ihre Produktionsrichtung zu entscheiden.
Wegen der Höhe der Direktzahlungen werde die EU den Bauern auch nicht „den Stuhl wegziehen“, prognostiziert Dr. Martin Scheele, Referatsleiter Umwelt bei der EU.
Wer zahlt was für die Umwelt?
Auch die zweite Säule ist im Wesentlichen unbestritten. Matthias Meissner vom WWF würdigte die Änderungen auf EU-Ebene, hin zu mehr Umwelt. Einen richtigen Dissens gebe es mit Agrarumweltmaßnahmen nicht mehr. Allerdings wird die Frage wichtiger, wer für die Kosten aufkommt, denn nach Dr. Hanns-Christoph Eiden, verantwortlich für EU-Angelegenheiten im Bundeslandwirtschaftsministerium, kostet jede einzelne Auflage. Entweder, weil die Bauern etwas tun müssen, oder weil sie auf etwas verzichten müssten.
Das Beispiel Fleisch zeigt, um was es geht. Die einen Konsumenten finden es ungebührlich, weniger Fleisch essen zu sollen, die andern begrüßen den Vorschlag. Meissner führt vernünftige Gründe an, dass die deutsche Gesellschaft für Ernährung aus gesundheitlichen Gründen empfiehlt, den Konsum tierischer Produkte einzuschränken. Sie verursachen im Krankheitssektor einen Teil der Kosten in Höhe von 70 Milliarden Euro jährlich.
Auf Aufklärung setzt Dr. Eiden. Gerade die Halle des Bundeslandwirtschaftsministeriums, die übrigens in der jetzigen Ausformung noch immer dem Entwurf von Renate Künast entspricht, zeige den Konsumenten, wie er sich gesund ernährt und welche Vorteile die Produktion dieser Nahrungsmittel für die Umwelt hat. Denn, so Meissner, auch der Umweltverband will keine „Essensmarken für Fleisch“. Er will, dass die Kunden „gutes Fleisch“ kaufen und genießen. Dazu zählt auch das Wissen, ob das Futter aus Übersee oder der heimischen Weide stammt. Nach Dr. Scheele begleitet die EU solche Anstrengungen durch Programme wie dem Verbot von Grünlandumbruch, weil das die Treibhausgase in die Höhe treibt. Im Übrigen sei eine „Nachfrageregelung“ bei Fleisch kein „goldener Schlüssel“ für die Lösung der Welternährung und Umweltsicherung. Aber, so gibt er zu, die „Trennung von Tierproduktion und Boden war keine gute Idee“.
Ansatzpunkt Verbraucher
Letztlich bleibt am Verbraucher alles hängen. Er sei der entscheidende Akteur, so Dr. Eiden, aber auch der Punkt „bei dem die Politik ihre Grenze findet“. Man darf gespannt sein, wie der Kunde entscheidet, denn Dr. Pascher weist darauf hin, dass das Europäische Parlament, das für die Agrarpolitik immer wichtiger wird, vom Volk gewählt wird. Nach Meissner müsse sich die EU-Agrarpolitik wie eine Krankenkasse verhalten: Präventiv und nicht kurierend.
Aber auch nach 2013 entscheidet die Ladenkasse.
Roland Krieg (Text und Fotos: o: Dr. Pascher; u. Dr. Scheele)
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