EU-Lebensmittelkennzeichnung
Ernährung
Kennzeichnung von 100 Gramm Wurstsalat
In der letzten Woche hat das Europäische Parlament den
Durchbruch bei der Lebensmittelkennzeichnung verkündet. Am Mittwoch steht die
Zustimmung des Ministerrates aus und im Juli soll im Europäischen Parlament das
Paket beschossen werden. Am Dienstag haben die Berichterstatter der
europäischen Parteien vor Journalisten in Brüssel den Stand vor den beiden
letzten Zustimmungen noch einmal zusammengefasst. Der EU ist die Zustimmung
wichtig. Struan Stevenson von den schottischen Konservativen will ein weiteres
Desaster wie bei der Novel Food-Verordnung verhindern. Dort scheiterte das
Gesamtpaket, weil sich die EU nicht über das Thema Klonen einig werden konnte.
Nach drei Jahren Arbeit will auch Renate Sommer,
christdemokratische Europapolitikerin und Berichterstatterin der Verordnung
EU28/2008, diese auch erfolgreich beenden. Es musste ein Kompromiss gefunden
werden, der Verbrauchern eine klare Produktkennzeichnung vermittelt und die
Industrie nicht übermäßig belastet. Keine der europäischen Parteien will den
Entwurf scheitern sehen.
Herkunftskenzeichnung
Eine der umstrittensten Punkte ist die
Herkunftskennzeichnung. Für Rindfleisch ist die Herkunftsangabe seit BSE
sowieso schon verpflichtend. Der vorliegende Entwurf sieht jetzt eine generelle
Herkunftsangabe für Zutaten vor. Mit Ausnahmen. Wie also wird künftig der
Wurstsalat gekennzeichnet werden müssen? Die EU antwortet mit einem
entschiedenen „Kommt darauf an!“
Kleine und Handwerksbetriebe sollen von der
Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden. Doch wer dazu zählt müssen die
Mitgliedsländer einzeln noch definieren. Nach Renate Sommer konnte keine
einheitliche Definition für 27 unterschiedliche Länder gefasst werden. Die
Ausnahme gilt aber auch nur, wenn die Ware lose, also unverpackt angeboten
wird. Bäcker und Metzger haben damit keine Probleme. Wie aber sieht es beim
Wurstsalat im Becher mit Deckel aus, der im Lebensmittelhandel als lose Ware
gilt?
Hier kommt es darauf an, wer den Salat hergestellt hat.
Grundsätzlich, so Sommer, ist eine Ware, die der Handel zunächst einmal
auspackt, schon mal keine lose Ware. Sie müsste also gekennzeichnet werden.
Doch ist der Wurstsalat grenzwertig, wenn er von einem Metzger mit
handwerklicher Herstellung kommt. Dann bräuchte , wie die Wurst an der
Bedientheke, die Herkunft nicht angegeben werden.
Sollte also das Kennzeichnungspaket im Juli wirklich
durch gewunken sein, dann sind die Mitgliedsländer mit der Feindefinition dran.
Wird die Wurst teurer?
Renate Sommer äußerte sich auch zu der Vermutung, dass die neue und umfassendere Kennzeichnung die Ware teurer macht. „Wir hoffen, dass dieses Problem in Grenzen gehalten wird“, so Sommer. Wer Tomaten, Gewürze aber auch Schweinefleisch jeweils nach Preis von wechselnden Händlern kauft, der bräuchte einen Vorrat an Etiketten oder eine ausgewiefte Lagerhaltung. Doch ob die Ware am Ende wirklich teurer wird, ist noch nicht bewiesen.
Kennzeichnung und Tiertransporte
Die Kennzeichnungsverordnung hätte noch vielfältiger
ausfallen können. Der Vorschlag der niederländischen Grünen, den Anteil an
Kinder- und Zwangsarbeit angeben zu müssen, wurde bereits in der ersten
Parlamentslesung einkassiert.
Doch die Herkunftsangaben geben erfahrenen Verbrauchern
Informationen, die eigentlich woanders geregelt werden. In der Debatte steht
die Dauer von Tiertransporten. Immer wieder gibt es Vorstöße, den Transport auf
acht Stunden zu begrenzen. Möglicherweise wird das hinfällig, denn Carl
Schlyter von den Europagrünen gibt den Verbrauchern die Lesart der Herkunftsangaben
vor. Rindfleisch: Erzeugt in Irland und
geschlachtet in Spanien: Daraus können Verbraucher ableiten, dass die
Fleischstückchen im Menü schon zwei lange Fahrten hinter sich gebracht haben.
Und dann entscheidet er, ob er es kauft oder nicht.
Mit Verbraucherwünschen prahlen
Erzeuger, Verarbeiter und Händler können aus der neuen Kenzeichnungspflicht aber auch viel Positives ziehen. Verbraucher wünschen sich regionale Produkte, keine Käseimitate und bestimmte Produktionsstandards. Ob die Konsumenten davon Ahnung haben oder nicht, spielt immer weniger eine Rolle. Wichtig ist, dass an der Ladenkasse das Produkt gegen Geld eingetauscht wird. Wer also auf seinem Produkt mit Angaben prahlen kann, die Konsumenten wünschen – der besteht im Markt.
Roland Krieg (Text und Fotos)