EU vernichtet melaminhaltige Lebensmittel
Ernährung
Deutschland bietet China Hilfe
Melamin wird durch eine Trimerisierung aus Harnstoff gewonnen, weswegen die Herstellerfirmen von Kunstharzen in der Nähe von Harnstofffabriken angesiedelt sind. Der hohe Anteil Stickstoff hat Melamin für die verwässerte Milch in China interessant gemacht, weil der Stoff einen hohen Stickstoffanteil vorgaukelt, den alte Messmethoden als Protein auswerfen.
Das mittlerweile durch den Genuss von melaminhaltiger Milch über 57.000 Kleinkinder erkrankt und vier verstorben sind liegt vor allem daran, dass Melamin in der Niere im sauren Umfeld zu Cyanursäure abgebaut wird. So entstehen die unlöslichen Kristalle, die das lebenswichtige Organ ganz erheblich in seiner Funktion stören.
Das europäische Einfuhrverbot für Milch und Milchprodukte schien zunächst nur wenig Sinn zu machen, denn auch Säuglingsnahrung wird in der Regel nicht von chinesischen Herstellern bevorzugt. Anfang Oktober gerieten dann Süßwaren, die mit Milchpulver und Sahne hergestellt auf die Befundliste und bis zum 02. Oktober rückte der chinesische Markt den europäischern Verbrauchern noch ein Stück näher: White Rabbit und Koala-Bisquits werden aus den Regalen genommen und vernichtet.
White Rabbit und Koala
Gestern Abend grenzte Gert Lindemann, Parlamentarischer Staatssekretär aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV), den Markt noch einmal ein. Die bislang gefundenen Produkte sind nahezu ausschließlich in Asien- und Chinageschäften erhältlich und die Verbraucher, die ihren Nahrungsbedarf woanders decken könnten, bräuchten sich keine Sorgen zu machen.
Baden-Württemberg fand bis zu 150 mg Melamin je Kilogramm in Karamelbonbons des chinesischen Herstellers Guanshengyan. Eine Firma der Shanghaier Bright-Food-Group, die diese Bonbons mit dem Namen „White Rabbit“ in bis zu 50 Länder vertreibt. Die EU hatte Ende September in einem Eilverfahren den zulässigen Grenzwert auf 2,5 mg/kg festgelegt. Die gefundenen Werte seien „besorgniserregend“, so Lindemann. Bernhard Kühnle aus dem BMELV sagte, dass Melamin in diesen Bonbons auch vorher bereits gefunden wurde. In Neuseeland bis zu 300 mg/kg, manchmal aber auch ohne Melaminspuren, wie in Österreich. Es gibt offenbar verschiedene Chargen und der Betrug mit Melamin ist nicht flächendeckend. Die hohen Werte resultieren aus dem hohen Anteil Rahm. Bis zu 45 Prozent sind in den Bonbons. In einer ersten Bewertung stellt das Bundesinstitut für Risikobewertung fest, dass die Bonbons nicht zum Verzehr geeignet sind. Ein kleines Kind hat mit sieben Stück die duldbare Melaminmenge bereits überschritten.
Aus den Niederlanden tauchte am 01. Oktober die Meldung von Melaminfunden in Bisquits des Importeurs Liroy, der verschiedene Kekse unter dem Namen „Koala“ vertreibt. Auch Liroy hat die Händler aufgerufen, den Verlauf zu stoppen und die Ware zurückzusenden. Bei Lotte Koala Cookies liegen die Melaminbefunde bei 5 mg/kg.
Vernichten
Anfang der Woche noch forderte Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel international die gleich hohen Standards im Agrarhandel. Die EU macht ernst und vernichtet die gefundenen Melaminsüßwaren an Ort und Stelle. Damit sie nicht woanders wieder auftauchen, bekräftigte Lindemann.
Man habe eine Lieferliste des niederländischen Exporteurs und findet Lotte Koala Cookies mittlerweile in fast allen Bundesländern. Bis zu 60 Namen stehen auf der Liste, so Kühnle, allerdings wisse man nicht ob der Kontakt ein Ladengeschäft ist, das an den Endkunden verkauft, oder ein Zwischenhändler, der die Ware weiter verbreitet. Die Händler wurden über das Verkaufsverbot informiert und in zwei bis drei Tagen sollte die Ware aus den Regalen verschwunden sein.
Am Donnerstag hat das BMELV alle Bundesländer telefonisch noch einmal kontaktiert. Insgesamt wurden 330 potenzielle Produkte beprobt. Alle ohne weitere Befunde. Lindemann sieht darin ein dichtes Probennetz, weil der Markt für die chinesischen Waren gut eingrenzbar ist.
Hilfe bei Kontrollen angeboten
Bislang zeigen die Signale aus China, dass das Land gewillt ist, das Beimischen von Melamin zu unterbinden. Lindemann will von China auch nicht von einem Problemmarkt sprechen, obwohl das Reich der Mitte nicht nur bei Melamin schon vormals auffällig geworden ist und auch bei Antibiotika in Honig und Giften in Spielwaren immer wieder auf der Verbotsliste auftaucht. Das BMELV ist offenbar gewillt, den Chinesen Hilfe anzubieten. Bei verbesserten Kontrollverfahren, die auch Lebensmittelpanscherei entdecken, und beim Aufbau einer akkreditierten Prüfstelle. Deutschland habe bei der EU bereits mehrfach vorgesprochen, als Ergänzung zu den heimischen Prüflabors, in Ländern mit Qualitätsproblemen noch ein weiteres aufzubauen, dass die Ware kontrolliert, bevor sie das Land verlässt.
Baden-Württemberg hat am Mittwoch mitgeteilt, dass die Kontrollen auch auf Chinarestaurants ausgeweitet werden sollen.
Lesestoff:
Die aktuelle Beurteilung der europäischen Lebensmittelbehörde zu Melamin finden Sie unter www.efsa.europa.eu
Die Rückrufe der Firmen unter www.german.china.org.cn und www.liroy.nl
roRo; Fotos: Melamin: WPV; White Rabbit: cnsphoto