Fettrezeptor auf der menschlichen Zunge
Ernährung
Fettrezeptor auf der menschlichen Zunge identifiziert
Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke haben in Zusammenarbeit mit Forschern der Technischen Universität München und der Charité Berlin in Geschmacksknospen der menschlichen Zunge und im umliegenden Zungengewebe einen Fettrezeptor identifiziert. Er wird durch langkettige Fettsäuren aktiviert, welche hauptsächlich für den typischen Fettgeschmack verantwortlich sind. Möglicherweise könnte er für die Fettgeschmackswahrnehmung und das Ernährungsverhalten eine Rolle spielen.
Doch Rezeptoren für Fett
Die Geschmackswahrnehmung spielt für die
Nahrungsaufnahme eine wesentliche Rolle. Sie hilft uns dabei zu entscheiden, welche
Nahrung dem Körper Energie und lebensnotwendige Bausteine liefert und welche besser
gemieden werden sollte. Die Natur hat es dabei so eingerichtet, dass wir
Geschmacksvorlieben für die drei Makronährstoffe Kohlenhydrate, Eiweiße und
Fette entwickelt haben. Dies sind Vorlieben, die in der heutigen Zeit
Übergewicht begünstigen können.
Zuckermoleküle, die Bausteine von Kohlenhydraten,
erkennen wir mit Hilfe des Süßgeschmacksrezeptors. Die Bausteine von
Eiweißmolekülen nehmen wir mit einem ähnlichen Rezeptor wahr, dem so genannten Umami-Rezeptor.
Dessen Name entstammt dem Japanischen und bezieht sich auf den Wohlgeschmack
der von ihm detektierten Geschmacksstoffe. Geschmacksrezeptoren, die für die
Wahrnehmung von Fetten beim Menschen verantwortlich sind, konnten jedoch noch
nicht identifiziert werden. Daher ging man bislang davon aus, dass unsere
Geschmacksvorliebe für Fett hauptsächlich auf die Beschaffenheit fetthaltiger
Nahrung und im Fett gelöste Aromastoffe zurückzuführen ist. Studien an Nagern
sowie sensorische Tests erhärteten aber in jüngster Zeit den Verdacht, dass auch
Geschmacksrezeptoren an der sensorischen Wahrnehmung von Fett beteiligt sind
und damit indirekt die Fettaufnahme beeinflussen können.
Daher untersuchte das Team um Galindo und Behrens, ob
die in Nagerstudien identifizierten Rezeptorkandidaten auch beim Menschen eine Rolle
als Fettgeschmackssensor spielen könnten. Der Rezeptor GPR120 erwies sich dabei
als vielversprechend, denn die Wissenschaftler konnten ihn in menschlichen
Geschmacksknospen nachweisen, also dort, wo man einen Geschmacksrezeptor
erwarten würde. Zudem zeigten funktionelle Untersuchungen mit Hilfe einer Art
künstlichen Zunge*, dass langkettige Fettsäuren, die in sensorischen Versuchen
bei Probanden einen typischen Fettgeschmack hervorrufen, den Rezeptor deutlich
aktivieren.
„Dies als Beweis für die Existenz einer sechsten Grundgeschmacksqualität
‚fettig’ zu sehen, wäre aber sicher vorschnell“, sagt Wolfgang Meyerhof, Leiter
der Abteilung Molekulare Genetik am DIfE. „Hierfür müsste man nachweisen, dass
das durch den Fettrezeptor ausgelöste Signal über spezialisierte
Geschmackszellen und nachgeschaltete Nervenbahnen als Geschmackssignal ans
Gehirn weitergeleitet wird“, erklärt Maik Behrens. Dennoch seien die Ergebnisse
sehr interessant, da sie erstmalig zeigten, dass auch der Mensch in seinen
Geschmacksknospen über einen Fettrezeptor verfügt. Zudem sei der identifizierte
Rezeptor ein aussichtsreicher Kandidat, da er zu einer Rezeptorfamilie**
gehöre, die auch andere chemosensorische Rezeptoren umfasst, wie etwa
Bittergeschmacks- oder Geruchsrezeptoren.
Zukünftig wollen die Forscher ihre Ergebnisse als Basis
für weitere Forschungsarbeiten nutzen, um zu klären, ob es nun eine sechste Grundgeschmacksqualität
gibt oder nicht.
Lesestoff:
Der Begriff Umami ist die Bezeichnung für die fünfte Grundgeschmacksqualität,
die hauptsächlich über den Eiweißbaustein Glutamat vermittelt wird. Neben Umami
sind bislang die Grundgeschmacksqualitäten süß, sauer, bitter und salzig
wissenschaftlich anerkannt.
*künstliche Zunge: Hiermit ist ein zelluläres
Testsystem gemeint, mit dem in vitro untersucht werden kann, ob ein Rezeptor
von einer bestimmten Substanz aktiviert wird.
**Es handelt sich um die Familie der G-Protein-gekoppelten
Rezeptoren. Sie sind in der Zellmembran lokalisiert und leiten von außen
kommende Signale über bestimmte Signalproteine (G-Proteine) ins Zellinnere.
Viele Rezeptoren dieser Klasse spielen für die Wahrnehmung von Sinnesreizen eine
Rolle.
Galindo et al., 2011;
Chemical Sense; DOI: 10.1093/chemse/BJR069
Dr. Gisela Olias (DIfE)