Flächendeckend gesund?

Ernährung

Regionen mit peb

Die Schuleingangsuntersuchung in Saarpfalz 2011/12 zeigt beispielhaft: 13 Prozent der Kinder sind übergewichtig, fünf Prozent sind adipös, 10,7 Prozent haben Probleme mit der Grobmotorik und 18 Prozent mit der Feinmotorik. Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits im Jahr 2004 eine globale Strategie zu „Ernährung, Bewegung und Gesundheit“ verabschiedet, die EU folgte im Jahr 2007 und im Jahr 2008 hat Deutschland den Aktionsplan „IN FORM“ gegründet [1]. Es drängt, denn nach Andrea Pahne, Referentin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf der Fachtagung „Stadt – Land – gesund“ von „Regionen mit peb“, führen ernährungsbedingte Erkrankungen zu jährlichen Kosten in Höhe von 70 Milliarden Euro. Allein Diabetes verursacht Kosten in Höhe von 30 Milliarden Euro.

Zeit für das Netz

Projekte gibt es viele. Das Problem: Die Akteure stehen nicht immer im Austausch miteinander und kennen sich oftmals nicht: „Es bedarf also einer Vernetzung der Akteure“, fordert Pahne.
Die Probleme gehen soweit, dass der Frauenarzt der Schwangeren ein Supplement empfiehlt, von dem die Hebamme abrät. Sie empfiehlt das Stillen, während der Kinderarzt für eine frühe Beikost plädiert.
„Regionen mit peb“ endet in diesem Jahr und die Abschlusstagung in Berlin will die fünfjährige Projektarbeit mit Empfehlungen beenden, den Wissensaustausch auf professionelle Füße zu stellen. Dr. Andrea Lambeck, Geschäftsführerin der Plattform „Ernährung und Bewegung peb“: Wenn viele Akteure parallel und zeitlich begrenzt arbeiten, fehle es an Effizienz [2].

Beispiel Tübingen

Der Landkreis Tübingen hatte in den Jahren 2008 und 2009 ein eigenes Projekt „Gesundheitsförderende Bewegung und Ernährung in Kindertagesstätten“ aufgestellt. Nach Dr. Peter-Joachim Oertel, Abteilungsleiter Gesundheit im Landratsamt Tübingen, war das Projekt mit dem Aufbau zielorientierter Beratung erfolgreich. Aber bei 210 Kitas im Landkreis stelle sich im Zeitlauf dennoch die Frage, wie es in der Fläche weiter geht. Zumal hat eine Analyse vor Ort gezeigt, dass nur 12 Prozent der Kitas nach Standards der DGE oder Optimix [3] arbeiten und ein Viertel der Betreuer keine Standards kenne. 81 Prozent des Personals hat keine entsprechende Fachausbildung und das Interesse an dem Thema sei gering. Die Kitas lassen sich eher für das Thema „Bewegung“ begeistern, so Dr. Oertel.
Die Zusammenarbeit mit peb habe Ideen und Kapazitäten zusammengeführt, die strukturellen Defizite zu überwinden. Der Landkreis Biberach hat mit seinem Vorzeige-Projekt „Sterne für Schulen“ ein Präventionsprojekt begonnen und Tübingen arbeitet derzeit an Kriterien für eigene Sterne an den Schulen. Nächstes Jahr geht es los und innerhalb von drei Jahren sollen alle Kitas bearbeitet sein. Für Dr. Oertel geht es generell darum, einzelne Leuchtturmprojekte in einen Gesamtförderplan eines Landes zu überführen.

Die Kommunen

Nach Kerstin Schmidt von „demografie lokal“ aus Minden stehen die Kommunen vor großen Herausforderungen: Sie müssen das Haushaltsdefizit bekämpfen [4], stehen vor einer Schulentwicklungsplanung angesichts des demografischen Wandels, sind mitten im Thema Integration und wollen eine autarke Energieversorgung aufbauen – da ist die Gesundheitsförderung nur Thema von vielen.
Probleme lassen sich bereits innerhalb einzelner Stadtverwaltungen finden, wenn „Schule und Sport“, „Kinder, Jugend und Familie“ und „Gesundheit“ verschiedenen Dezernaten angehören und Lösungen zu einer Querschnittsaufgabe geworden ist.
Teilnehmer eines der Tagungsworkshops haben aus ihren Alltag herausgearbeitet, dass Projekte durchaus funktionieren und von der Kommune beworben werden. Geht es am Ende der Laufzeit jedoch um die Überführung in ein dauerhaftes Programm, lehnten Verwaltungen das Projekt wieder ab. Für den komplexen Aufbau der Gesundheitsförderung ist Durchhaltevermögen bei den Akteuren gefragt. Die Mehrheit der Teilnehmer schreibt dem Engagement des „Kümmerers“ die treibende Kraft im Projekt und bei der Vernetzung zu – die Kommune kann dies fördern oder hemmen.

Die Finanzierung

Vieles scheitert an der langfristigen Finanzierung. Auf der Wunschliste der Tagungsteilnehmer stehen Krankenkassen, Unternehmen und Stiftungen als Förderer ganz weit oben. Ein Praxisleitfaden zur Finanzierung könnte Akteuren bei der Akquise helfen, da oftmals verschiedene Quellen koordiniert werden wollen. Am Ende soll ein Mix aus Bundes-, Länder- und kommunalen Quellen stehen. Das Thema Gesundheit wird als eine öffentliche Aufgabe definiert.
Das unterstreicht auch Dr. Oertel im Gespräch mit Herd-und-Hof.de. Dort verlaufe jedoch auch die aktuelle Streitgrenze. Die Kommunen wollen mehr Projekte, aber Geld vom Staat. Die SPD-geführten Länder sehen die Kommunen, die CDU/CSU-geführten Länder den Staat in der Pflicht. In Baden-Württemberg haben sich die Beteiligten auf eine Anschubfinanzierung für drei Jahre geeinigt, aber das Ende ist derzeit noch offen.
Der Agrarsektor stellt über die zweite Säule für die Entwicklung des ländlichen Raums zwar Gelder zur Verfügung, aber dabei geht es vor allem um Strukturhilfen für die technische Durchführung.
Da die Gesundheitsförderung mit erneuerbaren Energien um knappe personelle und finanzielle Ressourcen konkurriere, müssen die Verwaltungen flexibel sein, fordert Dr. Oertel. Vorschläge für prioritäre Aufgaben in einem Gesamtentwicklungsplan müssen in wenigen Jahren Änderung erfahren dürfen.

Lesestoff:

www.ernaehrung-und-bewegung.de

[1] IN FORM geht an den Start

[2] peb lebt den Vernetzungsansatz vor und hat die Wissensplattformen www.regionen-mit-peb.de und www.vernetzt-vor-ort.de gegründet

[3] Optimix und “Schule + Essen = Note“

[4] Kommunalkongress der CDU/CSU

Roland Krieg

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