Flavonoide in der Zelle

Ernährung

Pflanzenstoffe regieren zelluläre Prozesse

Derzeit sind rund 6.000 Flavonoide bekannt. Sie sind etwa als Pflanzenfarbstoffe in Obst und Gemüse enthalten und werden über die Nahrung aufgenommen. Sie zählen zu den so genannten sekundären Pflanzenstoffen und gelten als Gesundmacher.

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Das American Journal of Clinical Nutrition hat zu Jahresbeginn einmal mehr bestätigt, dass Flavonoide Herz und Kreislauf fit halten. Eine Langzeitstudie mit 35.000 Teilnehmerinnen zeigte, dass Frauen mit einer reichlichen Kost, die Flavonoide enthält, sich möglicherweise Apfelhaufenbesser vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen können. Die Farbstoffe kommen beispielsweise in gelben Obst- und Gemüsesorten vor.
Aber auch Äpfel, Birnen, Erdbeeren, grüner Tee und im täglichen Glas Rotwein sind die Gesundmacher enthalten. Das weiße, schwammige Gewebe unter der Orangenschale enthält den größten Anteil an Flavonoiden – also nicht entfernen, heißt es. Flavonoide bremsen den Alterungsprozess, senken das Krebsrisiko, gelten als antimikrobiell und blutgerinnungshemmend.
Doch wie genau die mythischen Stoffe das alles machen, wissen die Forscher nicht so genau. Biophysiker Dr. Karim Fahmy vom Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) hat einige Wirkungsweisen entschlüsselt.

…aber warum?
Das am häufigsten und am besten untersuchte Protein ist das Aktin. Zusammen mit anderen Proteinen ermöglicht es beispielsweise die Muskelkontraktion, die Veränderung der Zellform und die Trennung der Tochterzellen bei der Zellteilung. Flavonoide binden sich an das Aktin und – so eine frühere Studie – docken selbst im Zellkern an das Eiweiß an.
In der neuesten Forschung haben die Experten im Reagenzglas erstmals nachweisen können, dass Flavonoide die Kettenbildung von Aktinmolekülen beeinflussen. Die Länge der Ketten bestimmt die Funktionalität des Moleküls. Flavonoide können, so das im Biophysical Journal veröffentlichte Ergebnis, die Geschwindigkeit der Kettenbildung beeinflussen und damit zelluläre Prozesse beeinflussen. Stärken oder schwächen. Das gilt sogar für die Geschwindigkeit, mit der im Zellkern die DNS abgelesen wird. Dieses Ergebnis zeigt erstmals direkt die biologische Wirksamkeit der Flavonoide im Körper, so Prof. Herwig Gutzeit von der TU Dresden. Bis hin zum Einfluss auf die Genetik von Körperzellen.
Flavonoide wirken nach dem Andocken am Aktin quasi wie ein Schalter und hemmen oder verstärken die Funktion. Mit Hilfe der Infrarotspektroskopie untersuchte Dr. Fahmy die Wechselwirkungen mit unterschiedlichen Flavonoiden. Epigallocatechin als Aktivator verstärkt Reaktionen und Quercetin als Inhibitor hemmt sie. Je nachdem, welches Flavonoid ansetzt, ändert sich die Struktur des Aktins in typischer Weise – und erhöht oder verringert seine Funktion.
Flexible Flavonoide, wie das Epigallocatechin, passen sich der Struktur des Proteins an und fördern die Aktivität. Starre Flavonoide wie das Quercetin sind nicht mit der Aktinstruktur vereinbar und hemmen die Funktionen. Flavonoide wirken also über ihre Struktur.
Auf molekularer Ebene arbeiten weltweit viele Wissenschaftler an der Aufdeckung dieser Mechanismen. Ziel ist es, hochwirksame Medikamente gegen Krebs oder den Herzinfarkt zu entwickeln.

Lesestoff:
Die aktuelle Arbeit ist im Biophysical Journal erschienen: Böhl, Tietze, Fahmy, Gutzeit et al.: „Flavonoids affect actin functions in cytoplasm and nucleus“; Vol. 93, Nr. 8 (2007)
Die frühere Arbeit von Gutzeit ist erschienen: Böhl, Gutzeit et al.: „Identification of actin as quercetin-binding protein: an approach to identify target molecules for specific ligands“ in: Anal. Biochem. 346:295-9

roRo; Foto: roRo

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