Food-Werbung steigert Kalorienaufnahme bei Kindern

Ernährung

Gesundheitsschädliche Beeinflussung durch Snack-Werbung

Die Basis-Daten sind eindeutig: Über 15,4 % der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren sind übergewichtig, rund 5,9 % sogar adipös. Gerade Kinder und Jugendliche sind empfänglicher für Werbebotschaften als Erwachsene, die sich bewusst gegen ständige Snack-Offerten wehren können. Ein nicht endendes Thema, trotz freiwilliger Vereinbarungen der Ernährungsindustrie, sind die Food-Angebote im Kinderfernsehen, zunehmend in Spielformaten und in der Umgebung von Kindern. Die Verbraucherschutzministerkonferenz fordert einmal mehr, gegen „an Kinder gerichtete Werbung für energiereiche Lebensmittel“ vorzugehen.

Studien über entsprechende Verführungen gibt es bereits. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbarar Krankheiten (DANK) weist jetzt auf ein neuerliches Experiment der Universitäten Sydney, Liverpool und Wollongong hin [1].

Vier Gruppen

160 Kinder eines Feriencamps wurden in vier zufällige Gruppen geteilt. Gruppe 1 sah täglich einen 10-minütigen Film mit Werbeunterbrechungen für ungesunde Produkte wie Frühstücksflocken, ein Burger-Menü oder Schokoladencreme. Gruppe 2 spielte zusätzlich noch ein kurzes Computerspiel mit ähnlicher Werbung. Gruppe 3 und 4 erhielten dieselbe Intervention, sahen aber Werbung für andere Produkte (Non-Food). Gemessen wurde dann, wie viel die Kinder bei Frühstück und Mittag sowie in einer Snackpause direkt nach dem Film/Spiel essen.

Ergebnis: Kinder, die in TV und Computerspiel Werbung für ungesunde Produkte sahen, aßen am Tag durchschnittlich 46 kcal mehr als die Kinder der beiden Kontrollgruppen. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei bereits übergewichtigen Kindern – sie aßen 95 kcal mehr. Dabei wurden nicht einmal die beworbenen Produkte angeboten: Die Werbung verführte die Kinder offenbar generell dazu, mehr zu essen. Bietet man den Kindern genau den beworbenen Snack an, fällt der Effekt noch dramatischer aus – das zeigt eine Studie aus den USA mit 60 Vorschulkindern [2]. Sie konsumierten mit Snack-Werbung 30 Prozent mehr Kalorien als ohne.

Keine Singularität

Die Studien bestätigen die Befunde vieler anderer Untersuchungen mit Kindern, die ebenfalls einen erhöhten Nahrungsmittelkonsum nach Werbung feststellen. „Wissenschaftlich ist hinreichend erwiesen, wie schädlich Snack-Werbung für Kinder ist“, sagt Prof. Dr. med. Hans Hauner, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes Stiftung, „es ist deshalb nicht zu erklären, dass wir das als Gesellschaft immer noch zulassen.“

Das sieht auch DANK-Sprecherin Barbara Bitzer: „Die Politik muss endlich Kinder vor dieser gesundheitsschädlichen Beeinflußung schützen.“

Nutri-Score kommt auf privatem Weg

In Frankreich macht das 5-stufige Ampelsystem „Nutri-Score“ Furore und wird vom Verbraucherschutzministerium skeptisch beobachtet. Im September 2017 sagte die damalige Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Das Nutri-Score-System entspreche „nicht den Vorgaben des Artikels 35 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel“ – dem Lebensmittelinformationsgesetz.

Seit dem hat die Regierung gewechslt und will neben einer Reduktionsstrategie und bewährten Programmen wie „In Form“ auch das Nährwertkennzeichnungssystem weiter entwickeln. Jedoch im Rahmen der bestehenden freiwilligen Systeme unter Berücksichtigung der EU-Regeln.

Ein Entwurf soll bis zum Sommer 2019 vorliegen. Danone ist schneller. Der Hersteller will das französische Nutri-Score“ ebenfalls im nächsten Jahr auch in Deutschland einführen. Französische Untersuchungen haben ergeben, dass sich durch die fünfstufige Kennzeichnung die Nährwertqualität bei Online- und in stationären Supermärkten um sechs bis neun Prozent verbessert hat [3].

Bitzers Fazit: „Die Ergebnisse zeigen, dass die derzitig Kennzeichnung in Deutschland, kleingedruckt aud auf der Rückseite der Verpackung, nicht ausreicht.“ Ampel und Werbeverbot für an Kinder gerichtetes Marketing sollen umgesetzt werden.

Lesestoff:

[1] Studie im Feriencamp: Norman J et al: Int J Behav Nutr Phys Act. 2018; 15: 37. https://doi.org/10.1186/s12966-018-0672-6

[2] Studie mit Vorschulkindern: Jennifer A et al: Pediatrics. 2016 Dec; 138(6): e20162361. https://doi.org/10.1542/peds.2016-2361

[3] Studie zur Lebensmittelkennzeichnung: Chantal J, Hercberg S: Nutr J. 2015; 14: 100. https://doi.org/10.1186/s12937-015-0090-4

Roland Krieg

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