Frankforder Grie Soß
Ernährung
Sieben Kräuter müssen es sein
Seit 2007 gibt es das „Denkmal für die Grüne Soße“ am Ortsrand von Oberrad. Sieben Gewächshäuser symbolisieren die sieben Kräuter Schnittlauch, Boretsch, Pimpinelle, Kerbel, Sauerampfer, Petersilie und Kresse. Spätestens jetzt schlagen die hessischen Herzen höher und können kaum den Frühling abwarten, sobald die ersten Freilandkräuter geerntet werden können. Die EU hat das Frankfurter Traditionsgericht am Mittwoch ebenfalls geehrt. Die Frankforder Grie Soß darf jetzt die Abkürzung g.g.A. tragen: geschützte geografische Angabe.
Aus dem Kleingarten
Politisch war Frankfurt am Main lange vom Umland abgetrennt. So wurden bereits im Jahr 1215 die zahllosen Kleingärten erwähnt, mit dem sich die Stadtbewohner einen Teil ihrer Speisen selbst anbauten. Die Kleingärten wurden sogar vererbt, aber in Realteilung immer kleiner aufgeteilt, und dehnten sich immer weiter aus. Dadurch wurde die Landwirtschaft weiter in das Umland verdrängt. Auf den winzigen Flächen lohnte kaum noch ein wirklicher Anbau von Speisekulturen. Für Kräuter aber fand sich immer ein sonniges Plätzchen. Die Kleingärtner haben sich über Generationen die sich wandelnden Eigenschaften der verschiedenen Kräuter zu Eigen gemacht und in einer „Frischkräutergebinderolle“ ein harmonisches Geschmackserlebnis der sieben Kräuter komponiert. Im Verlauf der Jahreszeiten ändert sich die Verfügbarkeit im Freiland und damit Geschmack, Farbe und Aromen.
Die Frankforder Grie Soß hat sich über Generationen zu einem zu einem identifikationsstiftenden Erzeugnis gewandelt. Die Frankfurter Variante – in Kassel werden andere Kräuter verwandt – ist auf die Stadt mit den angrenzenden Städten und Gemeinden wie Oberursel, Bad Homburg, Offenbach oder Rüsselsheim beschränkt.
Die Mischung macht´s
Damit die „Grüne Soße“ original ist, dürfen nur die
oben genannten sieben Kräuter mit Verwendung frischer Blätter, Blattstiele und
Triebspitzen enthalten sein. Schnittlauch, Pimpinelle und Kresse müssen jeweils
mindestens zu drei Prozent, aber zusammen höchsten zu 25 Prozent in der
Mischung sein. Keine einzelne Kräuterart darf 30 Prozent Gewichtsanteil
übertreten. Petersilie, Boretsch, Sauerampfer und Kerbel müssen zu mindestens acht
Prozent vertreten sein.
Weil das Wetter nicht immer mitspielt und Frankfurt einen großen Flughafen hat, darf die Petersilie auch von außerhalb des geografischen Gebietes eingeflogen werden – sofern sie innerhalb von 36 Stunden nach der Ernte in die Gebinderollen eingearbeitet werden kann. Die Erstellung der Gebinderolle muss in Handarbeit erfolgen, damit die Aromen erhalten bleiben. Diese wird in einer 250 Gramm-Rolle angeboten. Das ist die normale Gebinde für den Hausgebrauch. Für den Großabnehmer sind auch Rollen zu einem und fünf Kilo zulässig.
Die Kräuter müssen blattschonend parallel in blickdichtes und wasserabweisendes Papier gewickelt werden, das auf der Außenseite in grüner Schrift „Frankfurter Grüne Soße“ oder „Frankfurter Grie Soß“ tragen muss. Die Aufzählung der sieben Kräuter ist verpflichtend.
Geheimnisse und Legenden
Jeder Haushalt und jeder Gastronom hat seine individuelle Zubereitung zur Grünen Soße. Sie wird kalt zu gekochtem Fisch oder Fleisch, kaltem Braten oder zu Salzkartoffeln gereicht.
Die Frankfurter bringen „Ihre Grüne Soße“ zwar gerne mit einem der berühmtesten Stadtsöhne in Verbindung. Aber ob Johann Wolfgang von jemals die Grüne Soße gekostet hat, bezweifeln die Goethe-Kenner Walter Michel und Herbert Heckmann. Die Grüne Soße sei in Frankfurt erst nach 1850 bekannt gewesen, gut 30 Jahre nach Goethes Tod – doch Traditionalisten verteidigen das Originalrezept und schreiben es Goethes Mutter Aja zu. Darüber wird am Main heißblütig bei Grüner Soße und Tafelspitz debattiert.
Grüne Soße Festival
Seit 2008 findet auf dem Frankfurter Roßmarkt jährlich das Grüne Soße Festival statt. 49 hessische Gastronomen zeigen in diesem Jahr ab dem 07. Mai sieben Tage lang ihr Können bei der Zubereitung der Frankforder Grie Soß. Traditionell serviert mit Eiern und Kartoffeln. Eingebettet ist die Show in ein abendlich wechselndes Kulturprogramm mit Gästen aus der Ferne und Nähe mit Musik und Comedy.
Lesestoff:
Roland Krieg