Freihandelsabkommen machen dick

Ernährung

Studie zu Freihandelsabkommen und Übergewicht

NAFTA ist als Freihandelsabkommen zwischen den USA und den Nachbarländern Kanada und Mexiko mittlerweile ein Begriff. Das 1994 eingesetzte Abkommen hat jedoch das viel ältere Abkommen zwischen den USA und Kanada aufgesaugt. Zwischen diesen beiden Ländern bestand bereits zuvor mit dem Canada-United States Free Trade Agreement (CUSFTA) eine Vereinbarung ab 1988 über den Abbau von Handelsbarrieren. Das führte am Ende zu einem Zustrom an hochkalorischen Nahrungsmitteln aus den USA, die zudem reich an Salz, Zucker und Fett sind. Zudem kam es zu verstärkten Investitionen in die kanadische Ernährungsindustrie.

Die Soziologin Pepita Barlow von der britischen Oxford Universität hat sich zwei Trends angeschaut. Weltweit ist die Zahl der Übergewichtigen Menschen zwischen 1980 und 2013 bei Erwachsenen um 27 Prozent und bei Kindern um 47 Prozent angestiegen. Steigerungsraten weist auch der Abschluss an Freihandelsabkommen auf. Gab es 1990 22 Freihandelsabkommen ist die Zahl im Jahr 2016 weltweit auf 270 gestiegen.

Nach Barlow gibt es nur wenige Studien, die den Einfluss von Freihandelsabkommen auf die Ernährungsweise untersucht haben. Das Thema ist durchaus komplex. Die primären Effekte räumen entweder ökonomische Krisen aus oder führen zu einer eher marktorientierten Wirtschaftspolitik. Daraus erst resultiert ein Effekt auf eine neue Zusammensetzung der Ernährungsweisen. Weil diese Effekte sich erst langsam einstellen, sind Rückschlüsse auf den Abschluss eines Freihandelsabkommen schwer zu bestimmen.

Etliche Studien haben in der Vergangenheit die enge Verbindung zwischen einem steigenden Verzehr von Isoglucose und zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken aufgezeigt. Das muss aber nicht zwangsläufig sein, denn Freihandelsabkommen können über den Abbau von Finanzierungsschranken auch die heimische Ernährungsindustrie befördern und dann die „traditionelle Kost“ verstärken.

Wenn aber Abkommen zu niedrigeren Lebensmittelpreisen und höherer Verfügbarkeit von bestimmten Lebensmitteln führen, die zudem auch intensiver vermarktet werden, dann kann die Vereinbarung auch zu einer Veränderung der Kostzusammensetzung führen. Dann spielt nach Barlow der Handelspartner eine wichtige Rolle. Die USA haben eine sehr wettbewerbsfähige Ernährungsindustrie für energiedichte Nahrung. Diese ist zudem geschmacklich attraktiv und führt zu einem höheren Konsum führt. Und landet vermehrt in den Regalen der Wirtschaftspartner.

Mit einer bestimmten Analysemethode hat Barlow die Handelsbeziehungen zwischen Kanada und den USA seit dem CUSFTA untersucht und die Veränderung der kalorischen Aufnahme von Kanadiern untersucht. Barlow hatte sich Barlow auf dieses Abkommen konzentriert, weil die makroökonomischen Effekte als indirekte Störeffekte weitgehend ausgeschlossen werden konnten. Sie konnte vielmehr direkt die Zunahme an Kalorien und Investitionen in die Ernährungsindustrie korrelieren.

Seit 1994 haben jeweils ab dem 40. Lebensjahr die kanadischen Männer zwischen 1,8 und 9,3 Kilo und die Frauen zwischen 2,0 und 12,2 Kilo in Abhängigkeit zu ihren sportlichen Aktivitäten zugenommen. Das korreliert mit einer Steigerung der Investitionssumme amerikanischer Unternehmen in die kanadische Ernährungsindustrie in Höhe von 1,82 Milliarden US-Dollar und einem vermehrten Import in Höhe von 5,26 Milliarden US-Dollar. Mit diesen Importleistungen habe die USA auch das „adipöse Umfeld“ nach Kanada exportiert.

Barlow will ihre Erkenntnisse für künftige Freihandelsabkommen berücksichtigt wissen. Zumal die Briten nach dem Ausstieg aus der EU über eines mit den USA nachdenken. „Unserer Studie zur Folge haben solche Freihandelsabkommen schädliche Auswirkungen auf die Ernährung und führen zu Übergewicht, wenn sie mit Ländern abgeschlossen werden, die ihre Nahrungsmittelversorgung bereits an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet haben.“

Lesestoff:

“The Impact of U.S. Free Trade Agreements on Calorie Availability and Obesity: A Natural Experiment in Canada,” by Pepita Barlow, MSc, Martin McKee, MD, DSc, David Stuckler, MPH, PhD https://doi.org/10.1016/j.amepre.2018.02.010 It appears in advance of the American Journal of Preventive Medicine, volume 54, issue 5 (May 2018) published by Elsevier.

Übergewicht und Adipositas stehen in einem sehr komplexen Umfeld aus genetischen und physiologischen Ursachen, Umwelteinflüssen und individuellen Verhaltensweisen. Das Zusammenspiel aus vielen oder mehreren Parametern erlaubt keine einseitige kausale Zuweisung einer einzigen Ursache für Übergewicht. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der Studie als weiterer Baustein einzuordnen. Ursachen-Bild Übergewicht und Adipositas vom Max-Rubner-Institut: Das Stichwort „Globalisierung“ ist unten links bereits aufgeführt.

Roland Krieg

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