Geht Hipp ins Ausland?

Ernährung

Verbraucherthema grüne Gentechnik

>Der neue Agrarminister Horst Seehofer war noch nicht lange im Amt, da treten wieder Gräben auf, die offenbar nur scheinbar begonnen wurden, zugeschüttet zu werden: Die Grüne Gentechnik. Mit dem Gentechnikgesetz versuchte Künast den Spagat der Koexistenz zwischen dem Anbau gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und der herkömmlichen Landwirtschaft, die ökologisch oder auch konventionell betrieben wird. Da die grüne Gentechnik weltweit immer mehr Verwendung findet, könne sich Deutschland dem nicht entziehen und müsse auch hier zulande möglich gemacht werden können: "Bislang haben die Haftungsregeln den Landwirten den Anbau fast unmöglich gemacht", resümierte Seehofer. Die CDU/CSU-Fraktion ist dabei, das Gentechnikgesetz wieder rückgängig zu machen.
Seit Wochen sind die ökologischen und konventionellen Vertreter alarmiert und sehen ihre Anbauformen ohne Gentechnik auf das höchste gefährdet. Sie wollen den Verbrauchern, die mehrheitlich die grüne Gentechnik ablehnen auch zukünftig herkömmliche Produkte anbieten.

Es gibt keine Rückrufaktion
Bereits im Vorfeld der Grünen Woche haben sich ökologische Verbände entsprechend positioniert und fordern Seehofer heraus, seinem heutigen Statement, den Verbraucher über die Grüne Gentechnik entscheiden zu lassen, in die Tat umzusetzen.
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft mahnt: "Für freigesetzte gentechnisch veränderte Pflanzen gibt es keine Rückrufaktion". Das Thema Gentechnik sei auf der diesjährigen Agrar- und Verbrauchermesse genauso aktuell wie die Vogelgrippe. Mit dem möglichen Anbau und einer reduzierten Haftung werde ein Paradigmenwechsel eingeführt, "eine Rolle rückwärts". Es entspreche nicht der Verbrauchererwartung, gentechnikfreie Lebensmittel verzehren zu wollen, weil GVO-Pflanzen mit der Zeit auskreuzen und zwangsläufig die herkömmlichen Pflanzen verunreinigen.
Im Wahlkreis Seehofers bilden 2.100 Landwirte einen von insgesamt 84 gentechnikfreie Zonen auf 61.600 Hektar. Gerhard Edler, konventioneller Bauer aus dem Landkreis Eichstätt, sieht gerade in den kleinflächig strukturierten Gebieten Bayerns, die Unmöglichkeit, Koexistenz durchzuführen.
Seit längerem bereiten sich die Bauern darauf vor, Verunreinigungen von Öko-Lebensmitteln mit Gentechnik zu vermeiden. Im Internet entsteht ein Praxishandbuch, dass ab März auch über den Buchhandel erhältlich sein soll.
Dort wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass bei Maschinen, die ökologische und konventionelle lose Ware transportieren, durch Abnutzung eine Lücke zwischen der horizontalen Förderschnecke und dem sie umgebenden Mantel entstehen kann. Dort können sich Produktreste ablagern, die aus einer Fuhre GVO-Ware stammt. Die Reinigung dieser Maschine muss daher ausreichend dokumentiert werden.

Konsequenzen für den Handel
Franz Engelke, Geschäftsführer der Kampffmeyermühle Hameln, als Wesermühle ein großer Verarbeiter von Mais, hat nach eigenen Angaben mit Bio nichts am Hut. Trotzdem möchte er seinen Kunden das liefern, was sie bestellen: GVO-freien Mais. Und mittlerweile sei in fast jeder Probe etwas dabei. Engelke wies auf den Grenzwert von 0,9 Prozent hin, bis zu dem Ware gentechnikfrei gilt. Bei einer großen Partie kann die Probe durchaus zu diesem Ergebnis kommen ? wenn sich aber die Körner alle in einer Tüte befinden, dann ist der Wert überschritten. Es stellt sich also die Frage, was die Verbraucher wollen: Scheinbar gibt es "ein bisschen Gentechnik" nicht.
Babynahrungshersteller Prof. Dr. Klaus Hipp zieht klare Grenzen: "Solange noch eine Mutter Bedenken gegen Gentechnik hat, solange werden wir diese nicht für unsere Produkte einsetzen." Für dieses Qualitätsversprechen sind Engelke und Hipp bereit, weit zu gehen. Können die deutschen Bauern keine gentechnikfreie Ware mehr liefern, suchen die Unternehmen im Ausland. "Auf Dauer stellt sich dann die Frage nach dem Standort unserer Produktion", so Hipp.
Diese wirtschaftlichen Auswirkungen wurden überhaupt noch nicht berechnet, fügte Löwenstein hinzu.

Gentechnik in Rumänien
Im Januar 2007 möchte Rumänien in die EU aufgenommen werden. Auf einer Pressekonferenz stellte Greenpeace das Land als "El Dorado" für den GVO-Anbau vor. Dort ist als einziges Land in Europa der kommerzielle Anbau von GVO-Pflanzen zugelassen, was die großen Saatgutfirmen zu nutzen wissen. 2005 wurden von 136.380 Hektar Sojaanbau, 85.000 offiziell als GVO-Soja deklariert. Greenpeace hat nach eigenen Angaben im August vergangenen Jahres eine unkontrollierte Verbreitung auf 90 Prozent der Fläche vorgefunden.

Besucherbefragung
Nach Schweizer Vorbild sollen die Besucher der Grünen Woche über eine Volksabstimmung über die Gentechnik entscheiden. In Deutschland wird sie nur symbolisch sein und vom BUND durchgeführt.
Parallel zur Grünen Woche treffen sich die europäischen gentechnikfreien Regionen zu einem zweitätigen Kongress in der TU Berlin.

Roland Krieg

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