Genauigkeit von Rückstandsanalysen

Ernährung

Quantitative Spurenanalytik durch geringere Matrixeffekte

Die Mehrzahl spurenanalytischer Untersuchungen erfolgt heute mittels Flüssigchromatografie-Massenspektrometrie (LC-MS), sie hat die früher vorherrschende Gaschromatografie als Trennverfahren abgelöst. Auch die Kombination der Flüssigchromatografie mit hochauflösender Massenspektrometrie gewinnt zunehmend an Bedeutung. Voraussetzung für den rasanten Fortschritt der LC-MS war die Entwicklung geeigneter Schnittstellen: Wie überführt man die einzelnen Komponenten einer Probe nach der chromatografischen Trennung sicher zum Detektor?

Matrixeffekte verfälschen das Ergebnis

Der Durchbruch gelang mit Hilfe von Ionenquellen, die bei Atmosphärendruck die zu identifizierenden Moleküle ionisieren. Am häufigsten wird hier die Elektronenspray-Ionisation (ESI) eingesetzt, eine besonders sanfte Ionisierungstechnik, die auch empfindliche Moleküle ganz lässt und als Ionen in die Gasphase überführt. Die ESI ist die Methode der Wahl bei der Ionisierung polarer, kleiner Moleküle wie Pestizide wie auch von Makromolekülen. Für den Einsatz dieser Technik zur Untersuchung von Proteinen erhielt der US-Amerikaner John Fenn im Jahr 2002 den Nobelpreis für Chemie. Die Elektronenquelle ist allerdings anfällig gegenüber Störungen durch die Probenmatrix – diese „Matrixeffekte“ können die Ergebnisse verfälschen und die Genauigkeit verringern.

So werden bei der Extraktion von Pestiziden aus Obst- und Gemüseproben typischerweise 1.000 bis 5.000 natürliche Pflanzeninhaltsstoffe mit extrahiert. Das ist besonders bei der Überwachung gesetzlicher Höchstmengen und anderer Grenzwerte unerwünscht. Es war auch bisher unklar, wie die Matrixeffekte entstehen, für den Mechanismus gibt es mehrere Theorien. In der Praxis kompensiert man diese Effekte mit aufwändigen Verfahren wie der Standardaddition oder teuren internen Standards.

Multi-Pestizidanalytik

Am Beispiel der Multi-Pestizidanalytik in pflanzlichen Lebensmitteln untersuchte Helen Stahnke im Rahmen ihrer Dissertation zugrunde liegenden Ursachen und Zusammenhänge und beschreibt eine neue Vorgehensweise zur Reduktion und Korrektur von Matrixeffekten. Mit Hilfe von „Matrixeffektprofilen“ beschreibt Dr. Stahnke das Ausmaß von Ionisierungsstörungen erstmals quantitativ über die gesamte Messzeit eines chromatografischen Laufs.

Aus der statistischen Auswertung der Daten von mehr als 4.000 Einzelmessungen ergaben sich überraschend ähnliche Matrixeffekte für die Mehrheit der Pestizide. Entgegen der lange vorherrschenden Meinung konnte sie zeigen, dass Matrixeffekte vorhersagbar sind, weil sie lediglich von der Retentionszeit, aber nicht von weiteren Eigenschaften der Substanzen selbst abhängen. Sie identifizierte 31 Inhaltsstoffe pflanzlicher Lebensmittel, die bei der ESI Matrixeffekte verursachen, aber nicht vorher abgetrennt werden können, weil sie sich in ihren Stoffeigenschaften zu wenig von denen wichtiger Pestizide unterscheiden. Stahnke leitete aus diesen Erkenntnissen eine neue Vorgehensweise ab, mit der die heute oft aufwändigen Standardadditionen reduziert werden können. Gleichzeitig sind Matrixeffektprofile ein neuer Baustein zur Qualitätssicherung im Labor: Damit kann über die gesamte Messzeit sichergestellt werden, dass beispielsweise keine Kontamination zu Ionisierungsstörungen führt und das Ergebnis verfälscht. So lässt sich die Genauigkeit von Rückstandsanalysen bei geringeren Kosten deutlich verbessern.

Vita

Helen Stahnke, Jahrgang 1982, studierte Lebensmittelchemie an der Technischen Universität Berlin und schloss 2007 schon mit einer Diplomarbeit über die Kompensation von Matrixeffekten bei der Elektrospray-Massenspektrometrie ab. Im März 2014 promovierte sie mit der jetzt ausgezeichneten Arbeit zu „Mechanismen und Minimierung von Matrixeffekten in der quantitativen Spurenanalytik mit der Elektrospray-Massenspektrometrie“ an der Fakultät III – Prozesswissenschaften der TU Berlin. Seit Mitte 2013 ist sie am Landeslabor Berlin Brandenburg tätig, inzwischen als Prüfleiter für die Bestimmung von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächen-, Grund- und Trinkwässern.

Für ihre Arbeit wurde sie im Rahmen der 55. Arbeitstagung Lebensmittelhygiene im September mit dem Stockmeyer Wissenschaftspreis ausgezeichnet www.heinrich-stockmeyer-stiftung.de

Margret Riewenherm, roRo; Foto: Heinrich Stockmeyer Stiftung

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