Gesunde Ernährung – gesunde Umwelt

Ernährung

Vom großen Fressen zur vollwertigen Ernährung

Sie ist nicht leicht zu verstehen. Am Mittwoch hat der WWF in Berlin eine Studie vorgestellt, die mit Begriffen „Da große Fressen“ auf den Flächenbedarf und die Klimaeffekte schließen will. Was wir auf dem Teller haben, beeinflusst unsere Umwelt. Richtig. Aber: Die Studie hat „große Löcher“, wie ein Kollege sagte.

Die üblichen Verdächtigen

Für die Untersuchungen wurde der Flächenbedarf als statisch angesehen und in die Zukunft bis 2050 projiziert. Da fehlt jeglicher technischer Fortschritt, der vor allem im Ökolandbau noch erfolgen muss, da sind die Millionen Hektare in Zentralasien und Afrika nicht enthalten, die unter den Pflug genommen werden können und es sind Anbausysteme wie Intercropping, Multicropping, Agro-Silvo-Pastorale System nicht enthalten. Viel erreicht wird schon, wenn die globalen Nachernteverluste in Höhe von 30 bis 50 Prozent vermieden werden. Wer kein Soja aus Übersee haben möchte, der sollte vielleicht doch mehr Biodiesel aus heimischem Raps tanken, weil damit neben Glycerin für die chemische Industrie auch eiweißreiches Futter für den Trog erzeugt wird.

Von der Nachfrage sehen

Dennoch hat die Studie ihren Charme. Ohne erhobenen Zeigefinger will sie die Menschen auf die Zusammensetzung ihrer Mahlzeiten und auf die Folgen der Ernährung aufmerksam machen. Leider im Zuge der üblichen Flächen-Klima-Debatte und zu wenig auf den Verbraucher und seine Ernährung fokussiert.

Doch der Fokus Verbraucher steckt drin. Es ist nicht immer nur die entfernte Landwirtschaft oder der für die meisten Europäer zu wenig greifbare Klimawandel. Der Planet Erde kann satt machen nach einer einzigen Devise: Ernährt sich der Menschen ausgewogen und gesund, dann lebt er auch in einer biodiversen und gesunden Umwelt. In diese Schuhe steigt nur selten jemand. Beispielsweise Dr. Timothy Lang vom Centre for Food Policy an der City Universität London. Er bemängelt, dass das Thema Welternährung zu oft von der Angebotsseite, also von der Landwirtschaft, her gesehen wird. Wissenschaft und Politik müssten das Thema auch einmal von der Nachfrageseite des Konsumenten her angehen.

Wie beispielsweise Dr. Toni Meier von der Universität Halle [1]. Er befasst sich mit Ernährungsstilen und blickt erst auf den eigenen Teller und dann auf die Folgen für die Umwelt. Im Vergleich der Nationalen Verzehrstudien I und II sind die Deutschen auf dem richtigen Weg. 2006 verzehren die Bundesbürger mehr Obst und Gemüse als im Vergleichszeitraum zwischen 1985 und 1989. Fleisch- und Wurstprodukte landeten um 5 Prozentpunkte weniger im Einkaufskorb. Das nähert sich den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die eine ausgewogene und gesunde Ernährung ohne Lebensmittelabfälle erarbeitet hat. Gegenüber den planetaren Grenzen muss der durchschnittliche Bundesbürger nur noch einen weiteren Prozentpunkt auf Fleisch verzichten. Bei Obst und Gemüse wäre alles in Ordnung, Hülsenfrüchte sollten um 0,5 Prozentpunkte häufiger gegessen werden.

Der Vorteil dieses Blickwinkels ist der Fokus auf die Eigenverantwortung, lange gesund zu bleiben. Und das gilt für den gesamten Planeten, denn die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO weichen kaum von denen der DGE ab, erklärte Dr. Meier Herd-und-Hof.de. In Afrika und Asien werden andere Nahrungsmittel verzehrt, aber für den stofflichen Kreislauf ist der Bedarf an Nährstoffen nahezu identisch. Um wie viel eine gesunde Ernährung den virtuellen Stickstoff-, Wasser- und Flächenrucksack verkleinern kann, quantifiziert er in der Studie.

Aus diesem Blickwinkel bleibt Dr. Meier gespannt, was die Zukunft bringt. Fleisch aus der Petri-Schale hat derzeit noch keine große gesellschaftliche Akzeptanz, könnte aber Fragen um Flächennutzung und Tierwohl gleichermaßen lösen [2]. Denn Fleisch scheint das Maß aller Dinge zu bleiben. Das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnologie wurde auf der zurückliegenden Anuga Foodtech für ihre High Moisture Extrusion mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Unter hoher Luftfeuchtigkeit im Extruder [3]. Dabei werden pflanzliche Produkte so strukturiert, dass sie rheologisch für den Gaumen wie strukturiertes Fleisch wirken. Noch näher dran.

Noch einen Schritt weiter könnte die Nutzung von Insekten sein [4]. Für unsere Breiten möglicherweise nicht für den Teller, sondern für den Trog, sagte Dr. Meier.

Lesestoff:

Das große Fressen: www.wwf.de

[1] Forschung von Dr. Toni Meier:
Weiblicher Ernährungsstil schützt die Umwelt

Nachhaltige Flächennutzung durch Ernährungsweise

[2] Erster Labor-Hamburger in London verkostet

[3] Konsumorientierte Produkte aus dem Extruder

[4] Nachhaltige Proteinversorgung im interdisziplinären Kontext

Roland Krieg

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