Getreide aus Badisch-Sibirien

Ernährung

Fränkischer Grünkern EU-geschützt

Im Regenschatten des Odenwaldes liegt das Bauland. Hanglagen zwischen Hardheim, Mosbach, Buchen und Boxberg im Nordosten Baden-Württembergs sind flachgründig und „steinreich“, für den Weizenanbau nicht mehr geeignet und weisen Ackerzahlen von 20 bis 25 von 100 auf. Die Jahresmitteltemperatur liegt bei 8,7 Grad Celsius, weshalb die Region auch Badisch-Sibirien genannt wird. Seit alters her haben die Bauern hier Dinkel angebaut. Doch selbst der reift nicht immer heran. Die Bauern haben ihn daher früher schon in der Milchreife geerntet und über Buchenfeuer getrocknet.

In speziellen Darrhäusern haben sie den Wassergehalt bei 120 bis 150 Grad Celsius von 50 auf 13 Prozent reduziert. Heraus kommt ein glasiges, bissfestes und grünbraunes Korn mit dem Aroma von gerösteten Nüssen und rauchigem Holz.

Schon im 17. Jahrhundert tauchte das „gröne Kern“ in Kellereirechnungen auf. Im 18. Jahrhundert wurde Grünkern aus der Regionalsorte Bauländer Spelzen überregional gehandelt, im 19. Jahrhundert fand ein reger gewerblicher Handel statt. Noch heute steht eine Reihe denkmalgeschützter Grünkerndarren an einem Feldweg südlich von Walldürn. Wichtig für die Bauern waren große regionale Abnehmer. So begann Knorr 1870 im benachbarten Heilbronn mit der Vermahlung von Grünkern und trug erheblich zur Ausweitung des Grünkernanbaus bei.

Für den Erhalt des Fränkischen Grünkerns sorgt die Vereinigung fränkischer Grünkernerzeuger, die 1960 auch die den „Bauländer Spelz“ verbindlich festlegten. Im landwirtschaftlich benachteiligten Gebiet erzielt diese Sorte noch ausreichende mittlere Erträge. Ihre festen Spelzen und ihr festes Korn sind für die Teigreife beim Darren bestens geeignet. Weil das Korn unterdurchschnittlich groß ist, erreicht es beim Darren eine gleichmäßige glasige Struktur.

Grünkern wird in drei Qualitätssorten nach Anteil olivgrüner Kerne eingestuft. Die Sorte I weist mindestens 80, Sorte II mindestens 70 und Sorte III mindestens 60 Prozent auf. Weitere Qualitätsmerkmale sind die olivgrüne Farbe, die Abwesenheit von Fremdgetreide, Flughafer und Unkrautsamen sowie einem Wassergehalt von maximal 13 Prozent.

Jetzt hat die EU den Fränkischen Grünkern mit dem Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g.U.) versehen. Daher darf unter diesem Namen keine andere Dinkelsorte verwendet werden und alle Prozesse von der Aussaat, Ernte bis zum Darren müssen innerhalb des geografisch geschützten Gebeites stattfinden.

Für das Darren brauchen die Bauern Fingerspitzengefühl. Das Wissen wird noch heute meist nur innerhalb der Familie weitergegeben. Die Region erinnert sich und Gäste auf dem seit 1978 bestehendem Fränkischen Grünkernfest in Kupprichhausen am ersten Septemberwochenende. Durch das kulturelle Leben der Region führt mittlerweile auch ein 100 Kilometer langer Grünkern-Radweg.

Roland Krieg

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