Glutenfrei und vollwertig

Ernährung

Iren backen mit „Pseudoweizen“

Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit müssen auf Weizen, Roggen und Gerste verzichten. Das Getreideeiweiß macht sie krank und die Diät muss lebenslang auf Produkte ausgerichtet sein, die glutenfrei sind. Forscher der irischen Teagasc Ernährungsforschung haben neue Versuche mit den so genannten „Pseudogetreiden“ Amaranth, Quinoa und Buchweizen gemacht und Erfolge auch im Bereich der Ernährungsqualität erzielt.




Brotlaibe im Uhrzeigersinn (von oben links):
1: glutenfreies Kontrollbrot // 2: Quinoa // 3: Amaranth // 4: Buchweizen

Verbesserte Produkteigenschaften
Nach Dr. Eimear Gallagher von Teagasc sind etwa ein Prozent der Bevölkerung von Zöliakie und Glutenunverträglichkeit betroffen. Es gibt zwar Alternativen, doch bei Brot ist die Textur der glutenfreie Variante oft bröckelig und spröde. Außerdem ist der Nährwert oft schlechter als bei Weizen, so Dr. Gallagher. Es fehlen Vitamin B, Eisen und Ballaststoffe, weil die glutenfreie Ware aus Stärke und raffiniertem Mehl hergestellt wurde und nicht zusätzlich mit Mineralstoffen angereichert werde.
Wenn allerdings Amaranth, Quinoa und Buchweizen verwendet werden, bereichern sie nicht nur den Speiseplan, sondern verbessern mit höheren Mineralstoffgehalten auch die Qualität des Brotes. „Diese Saaten sind reicher an Protein, Ballaststoffen und Mineralien und weisen mehr bioaktive Substanzen wie Antioxidantien auf“, so Dr. Gallagher. Damit gewinnen sie an Attraktivität gegenüber den üblichen glutenfreien Produkten Reis, Kartoffeln und Mais.
Amaranth, Quinoa und Buchweizen erfüllten alle Nährwertbedingungen, die Zöliakie-Patienten erfordern. Und zusätzlich ist die Brotkrume weicher als die übliche glutenfreie Backware.

Glutenäquivalent auf Milchbasis
Als nächstes suchen die Iren ein Glutenäquivalent auf Milchbasis, das im Teig die gleiche Aufgabe übernehmen kann: Zusammen mit Wasser die Teigelastizität erstellen. Zunächst haben die Forscher schon herausgefunden, dass unter bestimmten pH-Werten und Kalziumkonzentrationen, das Milcheiweiß Kasein ein Netz aufbaut, in dem sich Gärgas einschließt – so wie beim Gluten im Backprozess. Die „Gashaltefähigkeit“ entscheidet über die Backqualität des Teigs.

Amaranth
Amaranthus caudatus wurde in Lateinamerika, Asien und Afrika angebaut und kommt heute meist nur noch in Extremlagen tropischer Hochländer vor. Eine Renaissance erlebte Amaranth in den 1980er Jahren, weil der Eiweißgehalt mit 16 bis 18 Prozent herausragend und von hoher Qualität ist. Traditionell wird Amaranth als verquollene Körner ähnlich wie Reis dargereicht. In den Heimatländern wird aber auch seit Generationen Mehl aus Amaranth hergestellt. Auf dem europäischen Markt ist es im gepoppten Zustand dem Müsli beigemischt.1)
Und Alfred Lord Tennyson (1809 bis 1892), Dichter des Viktorianischen Zeitalters bette sich gerne auf Amaranth:

But, propt on beds of amaranth and moly,
How sweet (while warm airs lull us, blowing lowly)
With half-dropt eyelid still,
Beneath a heaven dark and holy,
To watch the long bright river drawing slowly
His waters from the purple hill.
(Song of the Lotus-eater)

Quinoa
Chenopodium quinoa oder Reismelde gehört wie Amaranth und die Rote Beete zu den Gänsefußgewächsen. Ausgesprochen wird die Pflanze „Kiehn Wah“ und stammt aus den Andenländern Peru, Bolivien und Chile. Dort wird sie seit mehr als 5.000 Jahren als „Inka-Reis“ verzehrt und heißt übersetzt „Mutter Getreide“. Die FAO vergleicht den Nährwert von Quinoa mit der von Vollmilchpulver. Die Proteinqualität ist höher als bei Weizen und der Gehalt an Aminosäuren ist sowohl für die menschliche, als auch für die tierische Ernährung ausbalanciert. Aus Quinoa wird Mehl, Suppe, Frühstückscerealien und Alkohol gemacht. In den USA wird Quinoa als ganzes „Getreide“ gekauft und separat wie Reis zum Essen gekocht.2)

Buchweizen
„Ich habe Gelegenheit gehabt, mit dem Buchweizen, ohne den geringsten Gedanken darauf gehabt zu haben, eine besondere Probe zu machen. Ich ließ im Jahr 1777 auf einem Acker, der außer aller Gahrde war, die Hälfte des Düngers fahren, der sonst ganz darauf gehöret, wenn er mit Rocken oder Weizen bestellet werden soll. Diesen ließ ich darauf mit Buchweizen, der hier sonst auf mageres, oder doch nicht frisch gedüngtes Land gesäet wird, bestellen. Weil aber ein anhaltendes Regenwetter einfiel, so ward er ungewöhnlich spät, und zwar erst am 30ten Mai ausgesäet. Ein jeder prophezeihete, der Buchweizen würde in eins fortblühen und nicht reif werden.“
Doch setzte der Buchweizen reichlich Korn an und überstand sogar ein übles Unwetter. Ein Sturm knickte den durch den Dünger aufgeschossenen Buchweizen zwar um, doch „platt hingestreckt“ war die Ernte vor weiteren Unbilden geschützt. Der Buchweizen konnte sogar trockener geerntet werden als das umliegende Getreide.3)

Auf dem Zöliakieacker
Das Freilichtmuseum Beuren in Baden-Württemberg baut im Jahr 2010 wieder glutenfreie Pflanzen an. Das Museum im Landkreis Esslingen zeigt Kartoffeln, Linsen, Erbsen, Raps, Öllein, Mais und Sonnenblumen – aber auch die hier selten zu findenden Amaranth, Quinoa und Buchweizen. Von Juni bis September finden die Museumsbesucher Erläuterungen zu den einzelnen Pflanzen du ihren Besonderheiten. Am 24. Juni gibt es um 14:30 Uhr ein: „Von Amarant, Quinoa und Hirse – Führung auf dem Zöliakieacker“. Weitere Termine: www.freilichtmuseum-beuren.de

Lesestoff:
www.teagasc.ie
-> publications -> tresearch
1) www.oekolandbau.de
2) Oelke E.A., Putnam D.H. et al: Quinoa; University of Wisconsin, Feb. 1992
3) Pratje, J.H. ; Eine Erfahrung vom Buchweizen ; Hannoverisches Magazin. 1763 -1790, 1780, 18.Jg., S. 1515 - 1518

Roland Krieg; Foto: Teagasc

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