„Größte Hungersnot der Menschheitsgeschichte“
Ernährung
Warum der Blick auf die eigene Nasenspitze nicht ausreicht
Die Orientierung in der Vielzahl der Krisen zu finden ist schwer. Zudem bauen sie aufeinander auf. Verschwinden Nützlinge auf den Feldern, fehlt ein Baustein der Schädlingsbekämpfung. Kriege werfen von heute auf morgen Millionen Menschen in die Nahrungskrise und wer kein Geld mehr für Mineraldünger hat, muss mit einer geringeren Ernte rechnen.
So etwas nennt man Zielkonflikte, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck weiß und auf die sein am Sonntag vorgestellter zweiter Fortschrittsbericht Energiesicherheit fußt. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist an dem Punkt noch lange nicht angekommen. Mit dem Argument, dass die Brachflächen von schlechter Qualität für den Anbau von Lebensmittel sind, nutzt Deutschland nicht die europäische Vorgabe im Russlandkries. Es dürfen aber Futtermittel von schlechter Qualität angebaut werden? Grünschnitt von den Brachflächen bietet nur Protein und Eiweiß, wenn er vor der Blüte gemäht wird. Das wirkt wie Klein-klein und ist vor allem eines: Ratlosigkeit.
Wer die Ernährungssicherheit nur auf den eigenen Kühlschrank fokussiert, darf zufrieden sein. Matthias Berninger hat den weiten Blick. Unter Renate Künast war er Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftssystem und kam über „Mars“ zu „Bayer“. Wer in der Kriegskrise nur den Blick auf die Ukraine und deren Lieferausfall richtet, schaut zu kurz. Schon in der Pandemie haben die ärmsten Länder wirtschaftlich und mit Dürren zu kämpfen gehabt, sagt Berninger im Berliner Tagesspiegel. Indonesien ist einer der wichtigsten Weizenimporteure und Palmölexporteure in der Welt. Für Berninger muss das asiatische Land eine Führungsverantwortung in der globalen Ernährungskrise bekommen. Was genau in den Lagern noch an Reserven vorhanden ist, bleibt ein Spekulationsziel für die Börsen, aber noch ungenauer sind die Qualitäten, die in den Kammern schlummern.
Während Özdemir an die ökologischen Wirtschaftsverbände gebunden ist, blickt Berninger auch mutig auf den Koalitionsvertrag mit seinen positiven Aussagen zu Züchtungsmethoden und Forschung. Ökologisierung und Intensivierung schließen sich nach Berninger nicht aus, auch wenn es im Umfeld des Landwirtschaftsministeriums so propagiert wird.
Berninger räumt im Interview vom Sonntag gegen das Vorurteil auf, die Agrochemie setze sich nur für die Großbauern ein. Die Bayer-Beteiligung Apollo Agriculture bietet einem Zehntel der weltweiten Kleinbauern Zugang zu digitalen Lösungen.
Roland Krieg
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