Heimische Bio-Kartoffeln schützen das Klima
Ernährung
Nachhaltigkeitslücken im Ökoanbau
„Je früher, desto wüster“, lautet die Bio-Formel für
diese Jahreszeit. Im Normalfall nimmt der Verbraucher die Kartoffeln aus dem
eigenen Keller, in den er die Ernte eingelagert hat. Heute jedoch lagert
niemand mehr seine Kartoffeln ein und greift auf das Angebot im
Lebensmittelhandel zurück. Dieser sucht Kartoffeln rund um das Jahr und kann
daher ständig die erdigen Knollen anbieten. Nur stammt die Ware natürlich nicht
mehr aus dem heimischen Anbau und was ab März in die Läden kommt aus Ägypten
oder Israel mit zweifelhaftem ökologischen Fußabdruck.
Ein Wandel zeichnet sich ab, denn die Ökobauern rücken
in die Lücke, die ihre konventionellen Berufskollegen hinterlassen haben. Die
Bio Kartoffel Erzeuger haben sich bereits auf der Grünen Woche präsentiert1)
und werben ebenso auf der Nürnberger Biofach um Handel und Kunden. Der
Ökolandbau will heimische Kartoffeln rund um das Jahr anbieten, was die
Österreicher bereits geschafft haben.
Kurze Wege, wenig Wasser
Im Gegensatz zur spanischen und israelischen Ware erzeugt die Produktion von einem Kilogramm Kartoffel in Deutschland die geringste Menge an Kohlendioxid. Das liegt vor allem an der Reduzierung der Transportwege:
Die schlechteren Werte für die landwirtschaftliche
Produktion der Kartoffeln entstehen in Spanien und Israel vor allem durch die
künstliche Bewässerung, die in Israel auch noch aus fossilen und daher nicht
mehr erneuerbaren Wasserquellen gespeist wird.
Auf dem Öko-Gut Dalwitz von Dr. Heinrich Graf von
Bassewitz in Mecklenburg-Vorpommern ist die Kartoffel beispielhaft in den
Kreislauf des Landgutes eingebunden und mehr als nur Grundnahrungsmittel für
die Menschen und Auflockerung der Fruchtfolge im Ackerbau. Erntereste wandern
mit in die Biogasanlage und werden in Wärme und Strom für die Ferienwohnungen
und die Tiere auf dem Hof wie Schafe, Rinder oder Pferde eingesetzt. Reste der
Vergärung dienen dem Ackerboden wieder als hofeigener Wirtschaftsdünger und die
Wärme der Biogasanlage trocknet außerdem die Ernte und Lebensmittel vor dem
Verkauf.
Lücken in der Nachhaltigkeit
Trotzdem ist nicht nur bei der Kartoffel alles Gold was
glänzt. Auch der Biolandbau hat nach Ansicht von Bassewitz Lücken in der
Nachhaltigkeit. Die Definition hat in den vergangenen Jahren erheblich an
Bedeutung hinzugewonnen. Das Statistische Bundesamt weist in seinem
Indikatorenbericht verschiedene Indikatoren aus, die für die Bemessung der
Nachhaltigkeit wichtig sind. So gilt für den Ressourcenschutz die Verdoppelung
der Energieeffizienz bis zum Jahr 2020, die Reduzierung der Treibhausgase um 40
Prozent bis 2020, die Reduzierung des Flächenverbrauchs von 100 auf 30 Hektar
am Tag, die Senkung des Stickstoffüberschusses auf 80 Kilogramm je Hektar bis
2020 und die Erhöhung des Ökolandbaus auf 20 Prozent an der Gesamtproduktion.
Dazu hat der Rat für Nachhaltigkeit verschiedene
„Modelle“ der Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen. Im Vergleich zwischen
einem ökologischen Anbauverband, den DLG-Standards, der
Nachhaltigkeitsstrategie, dem Cross Compliance-Modell der EU sowie dem Modell
der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft zeigen fünf verschiedene
Konzepte fünf verschiedene Schwerpunkte im Gesamtkonzert der
Nachhaltigkeitskriterien.
Die größten Lücken gibt es im Brüsseler Modell sowie in
der Nachhaltigkeitsstrategie. Thüringen und die DLG verlangen keine
Kreislaufwirtschaft und beim Anbauverband mit dem Schwerpunkt
landwirtschaftliche Produktion fallen klimatische, ökonomische und soziale Kriterien
„deutlich ab“. Die Modelle erfüllen zwischen 30 und 42 Prozent aller möglichen
Kriterien.
Landwirtschaft 2030
Von Bassewitz skizzierte zum Abschluss in Nürnberg
seine Vision von der Landwirtschaft im Jahr 2030. Auf 20 Prozent der
Ackerfläche werden heimische Futterpflanzen angebaut, Soja ist klimatisch an
Nordeuropa adaptiert, Bauern holen je Hektar fünf Tonnen Lupinen vom Acker, die
Tierproduktion ist auf alle landwirtschaftlichen Betriebe wieder zurückgekehrt
und in der Größe flächengebunden, die Bio-Biogasanlage erzeugt Wärme und Strom
aus Kleegrasgemischen und Resten der Landschaftspflege sowie Reststoffen der
Lebensmittelverarbeitung, so dass die Betriebe energie- und düngerautark sind
und noch das nächste Dorf mit versorgen können.
Pflanzenschutzmittel sind durch moderne Landmaschinen
ersetzt. Große Hacken mit Lasererkennung von Unkraut fahren kostengünstig
GPS-gelenkt über die Äcker, Fleisch ist deutlich teurer und weil die
diätetischen Empfehlungen gegriffen haben, wird auch weiger Fleisch konsumiert.
Lesestoff:
1) Die Öko-Kartoffel ist
zurück auf dem Teller
Roland Krieg
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